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Denis Scheck kommentiert die Top Ten Sachbuch

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Denis Scheck kommentiert die Top Ten Sachbuch | Video verfügbar bis 24.11.2024 | Bild: ARD

Platz 10: Michael Horeni mit Hans-Joachim Watzke: "Echte Liebe" 

Eine moderne Heiligenlegende über einen Selfmademan, der sein Leben seinem Unternehmen und seiner Familie, der CDU und einem Fußballverein weiht, geschrieben in martialischer Wochenschau-Sprache von einem FAZ-Sportjournalisten: Zitat "dieser Kampf, den Hoeneß an vorderster Front gegen Borussia Dortmund führt …". So sehen sie aus, die Stalin-Oden unserer Zeit.

Platz 9: Peter Wohlleben: "Das geheime Band zwischen Mensch und Natur"

Längst haben wir Deutschen nicht nur einen Nationaltorhüter, sondern auch einen Nationalförster – beziehungsweise Ex-Förster, denn Peter Wohlleben nennt seine Försterkollegen von früher ja "Baummetzger". Peter Wohlleben ist so etwas wie der "Ent", der Baumhirt der Deutschen geworden. Dieses schlaue Buch, in dem Wohlleben sein breites Wissen um den Wald ausbreitet und etwa erklärt, warum die aktuelle Sehnsucht nach dem Wald keineswegs Eskapismus ist, liefert einen schönen Beleg dafür, dass Wissen froh macht.

Platz 8:Stephen Hawking: "Kurze Antworten auf große Fragen"

Wissen macht froh: das gilt auch für dieses Buch, in dem der Astrophysiker Stephen Hawking nichts geringeres als Ziele für das Streben der Menschheit nennt: "Für die Zukunft stehen uns zwei Möglichkeiten offen", schreibt Hawking. "erstens die Erkundung des Weltalls mit dem Ziel, alternative Planeten zu finden, auf denen wir leben können; und zweitens der gezielte Einsatz Künstlicher Intelligenz zur Verbesserung unserer Welt." Na denn, packen wir's an!

Platz 7: Max Otte: "Weltsystem Crash"

 "Weitgehend ungebremste Migrationsströme nach Europa sorgen in der Alten Welt für tiefe Risse und Spaltungen in den Gesellschaften", schreibt der AfD-Vordenker Max Otte, unterschlägt dabei aber, dass es gerade alarmistische Aufmerksamkeitsprofiteure wie er sind, die dafür sorgen, die Risse und Spaltungen in westlichen Demokratien größer werden zu lassen und das Vertrauen in unsere politische Institutionen zu erschüttern. Aus diesem Buch lässt sich lernen, wie ein Feindbild konstruiert wird: Angela Merkel, die EU, der "Mainstream", "die herrschende politisch-mediale Elite", und wie Max Otte versucht, am selbst entzündeten Feuer der Empörung sein unappetitliches Süppchen zu kochen. Ein Buch, das Ekel in mir auslöst. Meine Eitelkeit ist groß genug, mich selbst zu dieser herrschenden politisch-medialen Elite zu zählen. Und noch ist diese Elite handlungsfähig …

Platz 6: Richard David Brecht: "Sei du selbst"

Wie schön, dass der dritte Band einer kompetent geschriebenen populären Philosophiegeschichte hierzulande auf der Bestsellerliste steht. Precht beleuchtet, wie "Philosophieren nach Gott" in einer ganz offenbar nicht für den Menschen geschaffenen Welt etwa bei Kierkegaard und Schopenhauer, Sigmund Freud und Friedrich Nietzsche, Karl Marx und Max Weber im 19. Jahrhundert aussieht.

Platz 5: Doris Dörrie: "Leben, Schreiben, Atmen"

Der Mensch als das erzählende Tier steht im Mittelpunkt von Doris Dörries inspirierender, ganz und gar unprätentiöser Schule des Schreibens: mit autobiographischen Geschichten motiviert Dörrie ihre Leserinnen und Leser, schreibend ihr eigenes Leben neu zu entdecken. Ein wirklich begeisterndes Buch!

Platz 4: Bas Kast: "Der Ernährungskompass"

Das beste Diätbuch, das ich kenne. Aber wie Sie sehen: Wissen macht vielleicht schlau, aber leider nicht schlank …

Platz 3: Edward Snowden: "Permanent Record"

Als Angestellter der National Security Agency deckte Edward Snowden vor sechs Jahren auf, in welch empörenden Ausmaß der amerikanische Geheimdienst unsere Daten abschöpft. Dafür musste er als klassischer Whistleblower einen hohen Preis zahlen und in Russland um Asyl bitten. In meinen Augen hat Edward Snowden uns allen einen großen Dienst erwiesen. Seine spannende Autobiographie ist ein flammendes Plädoyer, uns digital nicht versklaven zu lassen.

Platz 2: Marc Friedrich und Matthias Weik: "Der größte Crash aller Zeiten"

Noch zwei Finanz-Alarmisten, die mit der Bewirtschaftung unserer Ängste ein einträgliches Auskommen auf der Bestsellerliste finden. Der Euro, so Friedrich und Weik, scheitert spätestens 2023. Warten wir's ab. Wer allerdings wie Friedrich und Weik allen Ernstes die "Bildzeitung" in einem Atemzug mit dem "Spiegel" unter "Qualitätsblättern" einordnet, der hat nicht nur seinen Kompass verloren, sondern sein Schiff. Solchen Bauernfängern begegnete man früher eher auf Jahrmärkten als zwischen zwei Buchdeckeln.

Platz 1: Jonathan Safran Foer: "Wir sind das Klima!"

Ein Kapitel gibt es in diesem Buch, das mich ein wenig Hoffnung schöpfen ließ. Foer geht ins Kino, schaut sich Al Gores "Eine unbequeme Wahrheit" an und denkt dann in einem langen Kapitel darüber nach, warum dieser Film die unbequemste Wahrheit verschweigt. Endlich, dachte ich, endlich spricht es mal jemand aus, endlich sagt der zweifache Familienvater Jonathan Safran Foer, dass der wichtigste Beitrag, den wir zum Schutz des Klimas leisten können, der Verzicht auf Kinder ist. Leider wurde ich enttäuscht. Foer schriebt ab Seite 73 von den Auswirkungen landwirtschaftlicher Tierhaltung auf die Umwelt und fordert einen Verzicht auf tierische Produkte – nicht immer, aber wenigstens vor dem Abendessen. Erst auf Seite 115 wird in einem lapidaren Nebensatz erwähnt, dass "weniger Kinder kriegen" ein guter Beitrag wäre, aber diese Erkenntnis wird mit dem Satz konterkariert: "Die wenigsten Leute denken aktuell über ein Kind nach." Das finde ich intellektuell unredlich – so beutet man ein aktuelles Thema für seine eigene Agenda aus. Enttäuschend.

Stand: 24.11.2019 18:00 Uhr

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Mitteldeutscher Rundfunk
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