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Das Ende für Gleichstellung am Arbeitsplatz? Trump verbietet Diversity-Programme

Stimmen zum neuen Kulturkampf in den USA

Was bedeutet das Ende der Diversity-Programme in den USA? | Video verfügbar bis 01.06.2026 | Bild: ttt

"Unser Land wird nicht mehr woke sein", verkündet US-Präsident Donald Trump im März vor dem US-Kongress. Er wolle die "Tyrannei der sogenannten Diversity, Equity und Inclusion-Regelungen" sowohl in der Regierung als auch in der Privatwirtschaft und dem Militär beenden. Mit dieser Kampfansage sprach Trump seinen Anhängern aus der Seele.

Diversität und Inklusion in den USA am Ende? 

Theaterdramaturg Bernd Stegemann sieht DEI-Programme, aber auch Trumps Vorgehen kritisch.
Theaterdramaturg Bernd Stegemann sieht DEI-Programme, aber auch Trumps Vorgehen kritisch. | Bild: ttt

DEI – Diversität, Gleichstellung und Inklusion – ist für sie Auswuchs einer elitären Ideologie. Einer Ideologie, die sie in ihren schlimmsten Auswüchsen vor allem an den US-amerikanischen Universitäten sehen, in den Forderungen nach Antirassismus, Antikolonialismus und Transgender-Rechten.

Bernd Stegemann, Theaterdramaturg und Kritiker der identitätspolitischen Cancel Culture, glaubt zwar, dass Trump die "Intuition" hätte zu erkennen, wo Dinge schief liefen, übt aber scharfe Kritik an Trumps Methoden, "weil sie so rüpelig sind, weil sie so ungenau sind, weil er immer nur quasi mit der allergrößten Waffe agiert". So werde "das Problem nicht korrigiert", vielmehr finde wieder eine Gegenpolarisierung statt, die letztlich das Problem noch vergrößert."

Deutsche Unternehmen wie SAP passen sich an: "Armselig"

Wiebke Ankersen, Geschäftsführerin der AllBright-Stiftung
Wiebke Ankersen, Geschäftsführerin der AllBright-Stiftung | Bild: ttt

Schluss also mit DEI. Trump verbannt nicht nur das Wort "Gleichstellung". Er verbietet auch Quoten, mit deren Hilfe sie erreicht werden sollte. Betroffen sind nicht nur US-Firmen, sondern auch einige deutsche Unternehmen, SAP zum Beispiel. Das Software-Unternehmen hat seine Frauenquote gekippt, und zwar nicht nur in den USA, sondern weltweit – auch in Deutschland.

Wiebke Ankersen, Geschäftsführerin der AllBright-Stiftung, nennt die Haltung hinter diesem Signal "armselig": "Es wäre jetzt die Chance gewesen für den Immerhin wertvollsten deutschen Konzern, auf den ja alle gucken, an dem sich viele orientieren, ein Zeichen zu setzen und zu sagen: 'Wenn in den USA zivilisatorische Rückschritte gemacht werden, setzen wir Europäer weiter auf Fortschritt. Wir stehen zu unseren Werten und wir zeigen, was verantwortliches Wirtschaften ist. Wir präsentieren uns als Partner, der verlässlich ist, der fair ist, der berechenbar ist.'" All das sei in den USA kaum noch vorzufinden, "durch dieses Chaos, was Trump da gerade veranstaltet."

Berechtigte Kritik an "aufgeblähter Diversitätsbürokratie"?

Unternehmerin Sarna Röser
Unternehmerin Sarna Röser | Bild: ttt

Aber brauchen Unternehmen wirklich gesetzliche Vorgaben, um divers und gleichberechtigt zu sein? Sarna Röser plädiert in Talk Shows, Büchern und im Netz dafür, dass es auch anders gehen müsse. Sie leitet ein Familienunternehmen, in dem nach ihrem Bekunden die Leistung zählt, nicht die Herkunft oder das Geschlecht.

"Natürlich teile ich jetzt nicht alle Ansichten, die Trump hat, und auch nicht die Politik, die er macht", so die Unternehmerin: "Aber was ich schon kritisiere, ist die in den letzten Jahren immer weiter aufgeblähte Diversitätsbürokratie, die wir als Unternehmen verordnet bekommen haben", erklärt Röser. Deshalb, glaubt sie, sei gerade international "so viel in Bewegung".

Beispiel Deutsche Bahn: Pinkwashing für mehr Boni

Tatsächlich scheint die Quote mitunter zum Selbstzweck zu werden. Vor drei Jahren zahlten sich die Vorstände der Deutschen Bahn trotz Streiks und chronisch verspäteter Züge Boni aus. Begründung: Sie hatten den Anteil weiblicher Führungskräfte erhöht. Eine Entscheidung, die das Thema Gleichstellung nicht nur bei Bahnkunden in Verruf brachte. Kritiker wie Stegemann sprechen vom "Pinkwashing":

"Man kann als Unternehmen oder Institution mit diesen Dingen natürlich sehr leicht Reputationsgewinne einfahren in der Öffentlichkeit und auch bei der eigenen Belegschaft. Man versteckt sich quasi hinter der hübschen Fassade des Woke-Seins."

"Was ist denn die Norm und wer hat die Deutungshoheit?"

Aktivistin Alexandra Zykunov
Aktivistin Alexandra Zykunov  | Bild: ttt

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich auch ohne DEI viel verändert, die Arbeitswelt ist diverser und gleichberechtigter geworden, genau wie unsere Gesellschaft. Trotzdem: Viele Aktivisten und Feministinnen fordern mehr. Alexandra Zykunov zum Beispiel. "Was wollt ihr denn noch alles?", ist der Titel eines ihrer Bücher. Ihre Antwort: Das Ende des weißen Patriarchats. "Was ist denn die Norm und wer hat die Deutungshoheit?", fragt die Journalistin darin.

Aus ihrer Sicht gelte immer noch als "normal, dass alle weiß und heterosexuell sind, dass der Mann das Geld verdient und die Frau bei den Kindern bleibt?"

Während das progressive Lager in DEI einen Garanten für gesellschaftlichen Fortschritt sieht, entgegnen Konservative, Hautfarbe und Geschlecht würden damit wieder zu zentralen Kategorien gemacht. Bernd Stegemann sieht darin einen Konflikt mit dem postulierten Ziel, eine sogenannte farbenblinde und emanzipierte Gesellschaft zu erreichen, die alle gleichbehandeln will, unabhängig von Ethnie, Geschlecht, Glauben oder politischer Ansicht. Aus dieser Perspektive ist die ganze Wokeness, die DEI-Ideologie ein Rückschritt.“

Backlash für Europa?

Die Bevölkerung in den USA ist gespalten. Für die Bosse der Großkonzerne gilt: Bei aller Abneigung gegen staatlich verordnete DEI-Regelungen wissen sie, dass sich Diversität höchstens dem Namen nach abschaffen lässt. Die Wirtschaft – und das gilt noch mehr für das alternde Europa – ist angewiesen auf jeden arbeitenden Menschen, unabhängig von der Herkunft.

Gleichzeitig warnt Alexandra Zykunov davor, dass politische Rückschritte in den USA auf Europa übergreifen könnten: "Der Rechtsruck ist ja nicht nur in den USA, sondern überall in Europa zu beobachten, sodass er auch die Unternehmen hier erreichen wird. Und selbst wenn sie jetzt vielleicht nicht rigoros ihre ganzen Programme zurückfahren, werden diese Programme auf jeden Fall keine Priorität mehr haben – wenn sie denn überhaupt mal Priorität waren."

Plädoyer für pragmatisches Management einer Gesellschaft im Wandel

Trotz aller Kritik glaubt Unternehmerin Sarna Röser, dass ein Konsens über die Notwendigkeit von Chancengleichheit besteht: "Das ist kein 'nice to have' mehr, sondern das ist wirklich gelebte Praxis. Wir brauchen aber vor allem einen Kulturwandel in unserer Gesellschaft. Wir brauchen mehr Eigenverantwortung statt staatlicher Vorgaben."

Wiebke Ankersen plädiert dafür, "die besten Köpfe zu fördern, eine gute Kultur zu etablieren, in der sehr unterschiedliche Personen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen gut zusammenarbeiten können". Für sie heißt das: "Es geht nicht um Ideologie, sondern es um ein ganz pragmatisches Managen einer veränderten Gesellschaft, die auch in den Unternehmen natürlich angekommen ist."

Autorin TV-Beitrag: Petra Böhm

Stand: 01.06.2025 21:57 Uhr

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