So., 26.09.21 | 23:10 Uhr
Das Erste
Von Nazis, Macht und Gerichten
Das schwierige Erbe der Hohenzollern
"Ich habe mir ein Ziel gestellt: nämlich die 30 Parteien aus Deutschland hinaus zu fegen." Die Demokratie muss weg. Eine klare Ansage von Hitler im Wahlkampf 1932. Dafür brauchte er Unterstützer. Und die hatte er in den höchsten Kreisen. Von Kronprinz Wilhelm von Preußen, der älteste Sohn des abgedankten Kaisers. Zwei aktuelle Bücher beleuchten nun das Verhältnis der letzten deutschen Kaiserfamilie zu den Nazis. Lothar Machtans "Der Kronprinz und die Nazis" und Stephan Malinowskis "Die Hohenzollern und die Nazis". Beide zeigen, wie sehr Familienmitglieder der Hohenzollern auf die Nazis setzten, für sie Propaganda betrieben und zu ihrer Wahl aufriefen – alles anscheinend in der Hoffnung, ihre alte Stellung wieder zu gewinnen.
"Er war, heute klingt das komisch, aber damals machte es Sinn, ein rechtsradikaler Antidemokrat, der die Weimarer Republik gehasst hat," so der Historiker Lothar Machtan. "Und das war auch das Verbindungsglied zwischen den Nazis. Der Hass auf die erste deutsche Demokratie.“ Und Stephan Malinowski: "Man hätte Schwierigkeiten, irgendeine rechtsradikale, republikfeindliche Organisation zu benennen, mit der er nicht irgend eine Form von symbolischer oder faktischer Verbindung hat."
Hat Kronprinz Wilhelm den Nazis zur Macht verholfen?

Und so kommen für den ausrangierten Kronprinz Wilhelm Hitler und seine radikale Bewegung gerade recht. Die zwei Historiker belegen mit ihren Recherchen seine Kollaboration. Der preußische Kronprinz tête-à-tête mit Goering, am Kaffeetisch mit Goebbels, Wilhelm hatte große Träume: "Die Krone, schrieb er, sei nur mit Hitler zurückzugewinnen. Deshalb müsse man mit den Nazis paktieren und sie geschickt nehmen."
Hat Kronprinz Wilhelm den Nazis zur Macht verholfen? Darüber ist seit Jahren ein Historikerstreit entbrannt, in dem die Nachfahren der Kaiserfamilie kräftig mitmischen. Die Hohenzollern haben handfeste Gründe, ihre Geschichte aufzuarbeiten. Der Chef des Hauses betont, auch er wolle Aufklärung. "Mir persönlich wurde von mancher Seite unterstellt, ich wolle eine unparteiische Bewertung der historischen Persönlichkeit des Kronprinzen aus familiären Rücksichten behindern, " so Georg Friedrich Prinz von Preußen. "Ich versichere Ihnen, nichts liegt mir ferner als das."
Einer Flut von Verfahren gegen Journalist*innen und Wissenschaftler*innen

Doch ist das so? Mit einer Flut von Verfahren geht der Prinz von Preußen gegen Journalist*innen und Wissenschaftler*innen vor. Gut 80 Prozesse hat der Verband der Historikerinnen und Historiker öffentlich gemacht. Staatsrechtlerin Sophie Schönberger hat juristisch geholfen. "Das ist jedenfalls eine Kampagne, die ich so in diesem Ausmaß noch nie gesehen habe," so Schönberger. "Da droht die Gefahr, dass die Menschen sich eingeschüchtert fühlen, dass Journalistinnen und Journalisten, Historikerinnen und Historiker sich nicht mehr frei fühlen, sich in dieser Sache zu äußern."
Es steht viel auf dem Spiel. Nicht nur der Ruf des Hauses. Es geht schlicht um Geld und Besitz. Georg Friedrich Prinz von Preußen möchte Entschädigung für das, was den Hohenzollern nach dem II. Weltkrieg in der sowjetischen Besatzungszone "enteignet" wurde. Immobilien, Kunst und tausenderlei Preziosen – im Wert von Millionen. Problem nur: laut Gesetz gibt es keine Entschädigung, wenn das Haus Hohenzollern "dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet hat."
1932: Kronprinz spricht sich öffentlich für Hitler aus

Die Historiker zeigen: 1932 macht der Kronprinz publik, dass er Hitler wählen wird. "Der Kronprinz selbst gibt 1934 einem britischen Journalisten ein Interview, in dem er damit angibt, er habe Hitler 2 Millionen Wähler zugeführt, vielleicht waren es auch 3 Millionen. Vielleicht war es nur 1 Million, vielleicht auch nur 200 000. [...] In dem Moment, wo der preußische Kronprinz öffentlich sich für Hitler ausspricht, sendet er ein Signal in das konservative Milieu hinein,“ so Malinowski.
Als "erlauchter Nazi", wie damals eine Zeitung schrieb, wird der Kronprinz zum Werbeträger. Heute würde man sagen: zu einem Hitler-"Influencer" in bester Gesellschaft. Hitler selbst benutzt die Monarchie nur, um sich von ihr "adeln" zu lassen beim Tag von Potsdam. Verkleidet als biederer Bürger im Cut-Away holt sich Hitler den Segen von der alten preußischen Ordnungsmacht in Gestalt Hindenburgs. Und auch der Kronprinz ist an Hitlers Seite. Soweit die historischen Fakten. Letztlich werden Richter entscheiden, ob das alles die "Vorschubleistung" war.
Das Haus Hohenzollern streitet weiter
"Das alles war verwerflich im moralischen Sinne, und das ist auch alles gar nicht zu bestreiten. Aber ob das diesen Tatbestand erfüllt, dazu möchte ich mich als Historiker nicht aus dem Fenster lehnen," sagt Machtan. Das Haus Hohenzollern jedenfalls streitet weiter. Auch Stephan Malinowski hat eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Prinzen am Hals.
"Erhebliches Vorschubleisten liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn jemand nicht nur einmalig, sondern mit einer gewissen Dauer und mit einer gewissen Erheblichkeit Handlungen vorgenommen hat, die die Chancen verbessert haben, damit der Nationalsozialismus etabliert wurde," erklärt Schönberger. "Und das ist meiner Meinung nach durch die öffentlichen Auftritte des ehemaligen Kronprinzen, durch den Wahlaufruf zugunsten Adolf Hitlers, durch den Tag von Potsdam, ganz klar belegt.“
Die Hohenzollern und die Nazis. Für die Historiker stecken darin alle großen Fragen unserer Geschichte. Für uns eine echte "Altlast" des 20. Jahrhunderts.
Stand: 26.09.2021 20:31 Uhr
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