So., 12.03.23 | 23:05 Uhr
Das Erste
Chancen versus Gefahren
Die Diskussion um KI
Künstliche Intelligenz ist spätestens seit "ChatGPT" in aller Munde: eine Software, der es gelingt, Texte so zu verfassen, als seien sie von Menschen gemacht. Übernimmt jetzt die Maschine? Und was heißt das? So groß der Hype um KI ist, die Angst vor digitaler Technologie ist es auch. ttt fragt nach: Warum haben Menschen Angst vor KI, und ist diese Furcht berechtigt? Antworten geben die Wirtschaftsinformatikerin Sarah Spiekermann, die schon 2019 eine "Digitale Ethik" für den Umgang mit der Technik der Zukunft gefordert hat, der Designer Mark Rolston, führender Entwickler für KI-Anwendungen, der eher den Menschen als die KI für gefährlich hält, und Jaroslaw Kutylowski, Gründer von "DeepL", der neben einem Übersetzungsprogramm auch einen KI-Schreibassistenten entwickelt hat.
Das Programm DALL-E 2 hat kein Problem damit, ein furchterregendes Selbstportrait zu erstellen. Das Programm hat Bilder von künstlicher Intelligenz aus Worten kreiert. "Wenn Sie mich jetzt als Privatperson fragen, habe ich keine Angst vor dieser Technologie. Ich fühle mich der Technologie gewachsen, aber ich fürchte mich für die Gesellschaft," sagt die Wirtschaftsinformatikern Sarah Spiekermann.
Übernimmt jetzt die Maschine?

Es geht um Macht, Ressourcen und die Frage, wer Wahrheit definiert. Spiekermann befürchtet, dass KI die Gesellschaft spaltet. In jene, die die Technik beherrschen – und jene, die ihr ausgeliefert sind. KI übernimmt Aufgaben, die bislang Menschen vorbehalten waren, von Callcentern über Journalismus bis Grafikdesign. Möglich scheint noch viel mehr. "KI droht Jobs zu vernichten, die bislang sicher schienen. Weil sie mit Denken zu tun haben, Menschenkenntnis oder Wissen," so der Designer Mark Rolston.
Trotzdem sieht Rolston in künstlicher Intelligenz eine riesige Chance. Sie werde das Wissen der Welt für alle verfügbar machen – so umfassend und barrierefrei wie nie zuvor. "Es wird in Zukunft weniger wichtig, grundelegende Fähigkeiten oder Wissen zu haben," sagt Rolston. "Man wird aber Talente brauchen, die verstehen, wie man KI benutzt, um etwas zu erreichen. Die Arbeitswelt wird sich dramatisch ändern. Einige Bereiche werden für immer verschwinden."
Dem menschlichen Gehirn nachempfunden

"Dann muss man schauen, wo die Menschen sich noch besser einsetzen können und in welchen Arbeitsfeldern wir noch mal mehr von unserem Menschlichen reinbringen können," erklärt Informatiker Jaroslaw Kutylowski. "Aber prinzipiell werden wir dadurch produktiver und effektiver." Das Übersetzungsprogramm DeepL versteht 29 Sprachen. Es basiert auf einer KI, die dem menschlichen Gehirn nachempfunden ist. Das Ziel der Entwicklung: Die Software soll Sprache so denken, wie der Mensch.
Jaroslaw Kutylowski ist der Gründer und CEO von DeepL. "Die KI sollte man, sobald sie anfängt, tatsächlich so komplizierte Aufgaben zu übernehmen, mit gar nichts vergleichen, nicht mit einer normalen Maschine, sondern vielleicht auch tatsächlich mit einem Menschen," sagt Kutylowski. "Und wir haben ja auch nicht den Einblick, wie tatsächlich unser Gedankengang da immer gewesen ist, dass wir auf eine Idee gekommen sind. Und wir müssen ehrlich gesagt auch nicht. Die Idee am Ende zählt vielleicht auch nur."
"Der Fehler liegt am Ende bei uns"

Doch wenn wir nicht wissen, wie eine KI zu einem Ergebnis kommt, können wir auch nicht einschätzen, wie wir dieses Ergebnis bewerten sollen. Die Programme können nur auf jenes Wissen zugreifen, mit dem sie gefüttert wurden. Ihre Aussagen basieren auf Wahrscheinlichkeiten. Wenn die KI falsch liegt, müssen WIR das erkennen.
"Möglicherweise werden wir viel kulanter werden im Umgang mit der Wahrheit. Aber die Frage ist, ist Kulanz im Umgang mit der Wahrheit eine gute Entwicklung innerhalb einer Gesellschaft," fragt Spiekermann. Wenn wir KI beherrschen wollen, müssen ihre Betreiber transparent arbeiten. Sie dazu zu verpflichten, könnte zunehmend schwierig werden, denn schon jetzt verfügen nur wenige große Privatunternehmen über die Ressourcen, die man braucht, um diese Entwicklung voranzutreiben. "Die Wahrheit ist, KI lügt nicht. Sie spielt zurück, was man ihr gesagt hat. Der Fehler liegt am Ende bei uns," so Rolston.
Ist unsere Furcht berechtigt?
"Ich bin wirklich an dem Punkt, dass ich nicht mehr weiß, was wir eigentlich noch tun können, gegen diese Machtkonzentration," sagt Spiekermann. "Ich denke sicherlich, dass die meisten Menschen glauben, dass wir einfach nur ein paar Gesetze erlassen müssen. Andere reden davon, diese Monopole politisch zu zerschlagen. Aber das sehe ich im Moment nicht." Damit uns künstliche Intelligenz wirklich weiterbringt, muss sie so gestaltet werden, dass sie dem Menschen dient – und nicht umgekehrt. "Wir brauchen Vielfalt. Und die wird kommen. Und wir müssen die Wissensdatenbanken dezentralisieren. Die große Vision ist: Es wird KIs geben, mit denen wir interagieren," sagt Rolston. "Und die wiederum werden andere KIs anzapfen, die über das Wissen verfügen."
(Beitrag: Stefan Mühlenhoff)
Stand: 12.03.2023 18:20 Uhr
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