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Von der Heldin zur Angeklagten

Die Geschichte der syrischen Schwimmerin Sara Mardini

PlaySara Mardini in einem Schwimmbecken, sie schaut in die Kamera.
Die Geschichte der syrischen Schwimmerin Sara Mardini | Video verfügbar bis 12.03.2024 | Bild: Mindjazz Pictures

Erst wurde sie als Menschenretterin gefeiert, dann inhaftiert. Sara Mardini ist ehemalige Schwimmsportlerin aus Syrien, 2012 ist sie mit ihrer Schwester geflohen und hat auf dem Weg über das Meer anderen Flüchtenden das Leben gerettet, als das Schlauchboot in Seenot geriet. Dafür wurde sie geehrt. In Griechenland kam sie aber später ins Gefängnis, weil sie hier als Aktivistin Menschen auf der Flucht geholfen hat. Ihr wurden unter anderem Beihilfe zur illegalen Einreise und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen.

"Erst haben wir gelacht. Alter, was ist das für ein Scheiß? Aber sie inhaftierten uns dreieinhalb Monate," erzähl Sara Mardini im Interview. "Sie sagten, wir seine Spione, weil wir verschlüsselte Software benutzt hätten. WhatsApp. Wir würden Geld waschen, weil wir Spenden für Projekte sammelten. Wir seien Menschenschmuggler, weil wir medizinische Versorgung leisteten und Wasser und Decken am Strand verteilten."

Erst als Menschenretterin gefeiert, dann inhaftiert

Charly Wai Feldman spricht in die Kamera.
Regisseurin Charly Wai Feldman hat einen Dokumentarfilm über Sara Mardini gemacht. | Bild: NDR/Screenshot

Sara Mardini drohen für ihren humanitären Einsatz weitere 20 Jahre Haft. Diese Kriminalisierung hat sie völlig aus der Bahn geworfen. "Diese riesige Mauer aus Angst hindert mich daran, so mutig zu bleiben, wie ich immer war. Frei zu tun, was ich will, so wie alle in meinem Alter. Ich hänge seit vier Jahren in einer Warteschleife fest." Es geht auch um Einschüchterung. Regisseurin Charly Wai Feldman hat beobachtet, wie humanitäre Hilfe kriminalisiert und mit langwierigen Prozessen überzogen wird: "Solche Ungewissheiten führen dazu, dass Rettungsaktionen nicht mehr durchgeführt werden: Die Macht dieses Prozesses ist, dass er nicht stattfindet, dass er eine Bedrohung bleibt."

Sara hat eine ganz besondere Geschichte: Sie ist selber geflohen. "Ich komme aus einer Sportlerfamilie aus Damaskus. Meine Schwester Yusra und ich wuchsen im Schwimmbad auf. 2015 wird es bombardiert." Sara und ihre Schwester flüchten übers Mittelmeer. "Wir sind auf einem Boot. Von der Türkei nach Griechenland. 19 Menschen. Wir sinken. Ich springe ins Wasser, greife ans Boot und schiebe. Meine Schwester folgt. Nach dreieinhalb Stunden erreichen wir Lesbos."

Sara und Yusra werden international berühmt

Sara Mardini bei einem Einsatz auf der Sea Watch.
Sara Mardini bei einem Einsatz im Mittelmeer auf der Sea Watch. | Bild: NDR/Screenshot

Sie haben alle gerettet. Ihr mutiger Einsatz geht durch die Medien. Sara und Yusra werden international berühmt. Und mit ihrer Rettungsaktion machen sie auch politisch auf die Situation Geflüchteter aufmerksam. Yusra kann ihre Schwimmkarriere sogar bei Olympia fortsetzen. Sara aber, die sich bei der Rettungsaktion die Wirbelsäule verletzt, muss den Profisport aufgeben.

"Ich fühlte mich verloren. Ich bin zurück nach Griechenland, um mich zu finden." Das ist jetzt fünf Jahre her. Die Situation der Bootsflüchtlinge lässt Sara nicht los. Obwohl noch die Anklagen über ihr schweben, nimmt sie an einer weiteren Rettung teil. Dieses Mal mit dem Rettungsschiff Sea-Watch. "Libysche Küstenwache, der Tag war so schrecklich, weil wir sie nicht mitnehmen konnten, die nahmen sie an Bord, wir sahen, wie sie sie schlugen, das war schlimm." Sara erlebt mit, was es heißt, wenn Europa seine Abwehr gegenüber den Bootsflüchtlingen noch verstärkt.

Mardini: "Hört auf die junge Generation"

"Ich lebe in Großbritannien, und da hat die Regierung gerade angekündigt, dass Bootsflüchtlinge keine Chance mehr bekommen sollen, Asyl zu beantragen," sagt sie. "Ich hätte nie gedacht, dass solche politische Rhethorik akzeptiert und benutzt wird, um Wählerstimmen zu bekommen." Europa hat bis heute keine humane Lösung gefunden, wie es mit den Menschen, die übers Meer flüchten, umgehen will. Sara macht, ganz praktisch, einen Vorschlag:

"Weniger reden, weniger Politik und Verhandlungen, einfach anpacken! Wir haben doch die Werkzeuge und den Grips dazu. Es braucht nur bisschen mehr Geld, wir müssen es nur wirklich wollen. Hört auf die junge Generation und seid bereit, Veränderung zu akzeptieren." Ein Teil der Anklagen gegen die Flüchtlingshelfer hat das griechische Gericht vor kurzem zurückgewiesen. Für die schwerwiegenden Vorwürfe drohen Sara aber weiterhin 20 Jahre Haft.

Der Dokumentarfilm "Sara Mardini – Gegen den Strom" von Regisseurin Charly Wai Feldman erzählt ihre Geschichte.

"Sara Mardini – Gegen den Strom"
von Charly Wai Feldman
Kinostart: 23. März 2023

(Beitrag: Ralf Dörwang)

Stand: 12.03.2023 18:33 Uhr

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So., 12.03.23 | 23:05 Uhr
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Norddeutscher Rundfunk
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