So., 01.03.20 | 23:35 Uhr
Das Erste
Pionierin der abstrakten Malerei
Film und Biografie über Hilma af Klint
Sie malte wie niemand zuvor. 1906 schuf Hilma af Klint das erste abstrakte Bild der Welt. Doch 100 Jahre lang war das vergessen. Kandinsky, Mondrian oder Malewitsch galten als Begründer der Abstrakten Kunst. "Die Kunstgeschichte muss umgeschrieben werden", fordert die Kunsthistorikerin Julia Voss und legt jetzt eine umfassende Biografie der schwedischen Malerin vor. "Ich bin aus allen Wolken gefallen", sagt sie. "Wie kann es sein, dass ich Kunstgeschichte studiert, eine Doktorarbeit in Kunstgeschichte geschrieben habe und diesen Namen noch nie gehört habe?"
Warum kennt bis heute kaum jemand Hilma af Klint?
Zeitgleich kommt Anfang März ein Film über Hilma af Klint ins Kino: "Jenseits des Sichtbaren". Auch Filmemacherin Halina Dyrschka fragt, warum man diese Künstlerin bis heute kaum kennt. Klar, sie ist eine Frau. Und die Kunst ist bis heute männlich dominiert. Ein weiterer Grund jedoch ist: Hilma af Klint hatte verfügt, dass ihr mehr als 1.000 Bilder umfassendes Werk erst 20 Jahre nach ihrem Tod gezeigt werden durfte. Das riesige Archiv in Stockholm ist auch fast siebzig Jahre später nicht vollständig erschlossen. Noch bis vor wenigen Jahren wollten die großen Museen der Welt auch nichts von ihr wissen.
Mit Johan af Klint auf Spurensuche

Mit dem Nachfahren Johan af Klint machte sich die Filmemacherin auf Spurensuche und entdeckte eine mutige Frau, die ungewöhnliche Wege beschritt. Und deren Leben so reich und voll war, dass wir hier nur ein paar kleine Stationen andeuten können: Hilma af Klint wird 1872 als Tochter eines schwedischen Marineoffiziers geboren. Sie studiert Kunst, gewinnt Preise, kann von ihren konventionellen Landschaftsbildern und Porträts leben. Doch sie entscheidet sich gegen diesen Weg. Sie will das Wesen der Welt begreifen. Denn sie ist Mitglied einer theosophischen Gesellschaft. Hier versuchte man, mit Toten Kontakt aufzunehmen, das Übersinnliche zu verstehen. Damals ist das nicht unüblich. Und Hilma ist ein begabtes Medium.
Hilma af Klint malte "Seelenzustände"
"Ich finde, diese Bilder strahlen eine Ruhe, eine Vollkommenheit aus, die ich nicht kannte bis dato", so Halina Dyrschka. "Ich habe soetwas noch nie gesehen." Hilma af Klint selbst sagte, sie male "Seelenzustände" und die Muster des Lebens. Es sind spirituelle Fragen, die sie beschäftigen. Hilma steht in regem Austausch mit der Welt "Jenseits des Sichtbaren". Was wir heute spiritistisch nennen, war damals, vor über hundert Jahren, ein Versuch von vielen, die Welt mit allen Sinnen zu begreifen. Und es gab ja auch bahnbrechende Entdeckungen im Bereich des bisher Unsichtbaren. So wie Röntgenstrahlen und Quantenphysik.
"Im Grunde geht es eigentlich darum, die alten Ordnungen aufzubrechen", erläutert Julia Voss. "Das macht sie mit ihren Gemälden und das zieht sich durch. Ein Leitmotiv ist, dass sie der Ansicht ist, dass der Geist stärker als die Materie ist und dass der Geist die Materie verändern kann." Und wie recht Hilma af Klint hatte! Dass wir jetzt von ihr wissen, ihr Werk würdigen können, das ist der Geist, ihr Geist, der die Materie verändert: Die Kunstgeschichte ist umgeschrieben. Es gibt kein Zurück.
(Beitrag: Natascha Geier)
Stand: 01.03.2020 18:50 Uhr
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