So., 12.12.21 | 23:20 Uhr
Das Erste
Bunt, grün, staatstragend
Claudia Roth ist die Neue für die Kultur
Bevor es Richtung Zukunft geht, und Claudia Roth hat sich als neue Staatsministerin für Kultur viel vorgenommen, ist es ihr wichtig, erst einmal zurück zu blicken, die Erinnerung wachzuhalten an die finstere Zeit des Nationalsozialismus. Noch vor ihrer Vereidigung besuchte sie das Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma Europas in direkter Nachbarschaft zum Bundestag. Ihr erster offizieller Termin im neuen Amt führt sie in die Gedenkstätte Buchenwald.
Kein hippes Hauptstadt-Kunstevent, sondern das KZ Buchenwald wählt Claudia Roth als erste Bühne im neuen Amt. Eine kleine, staatstragende Überraschung. Aber auf jeden Fall ein unmissverständliches Zeichen. Dafür, dass es der manchmal schrillen Politikerin verdammt ernst ist.
Erster offizieller Termin in der Gedenkstätte Buchenwald

"Ich will zeigen, dass Erinnerungskultur sich nicht vornehmlich in Vergangenheit begräbt, sondern dass sie die Aufgabe hat, sich in die Zukunft zu erinnern," so Claudia Roth "Und wenn ich an Fackelaufmärsche vor Wohnungen von Poiltiker*innen denke, wenn ich an Hass, an Hetze, an Morddrohungen denke, dann glaube ich, muss die Erinnerungskultur noch viel aktiver vorangetrieben werden."
Roth in Buchenwald – das ist ein Zeichen der Hoffnung. Dies war ein Lager für Regimegegner, Homosexuelle, Sinti und Roma. Für die Freiheit ALLER Menschen, besonders der Ausgegrenzten, setzt Roth sich seit langem ein. Nun kommt offiziell die Freiheit der Kultur als Ziel hinzu. "Ich habe es immer so verstanden, dass Kunst und Kultur und Demokratie unmittelbar miteinander verbunden sind. Sie sind ein Seismograf für die Stärke unserer Demokratie und ich will, ich möchte, Kulturstaatsministerin der Demokratie sein und für die Demokratie," sagt Roth.
Roth lebt, was sie schon lange fordert: Vielfalt
Dabei ist Streit für sie hoch-demokratisch, Hetze jedoch nicht. Mit Herz, Haltung und Hirn pariert Roth auch Hetze gegen sich. Sie wird immer wieder zum Hass-Objekt, weil sie Frau, Grüne, emotional und streitbar ist. Eben anders. Die 66-jährige lebt, was sie selbst schon lange fordert: Vielfalt.
"Ich glaube, dass zur Politik gehört auch die Glaubwürdigkeit und Authentizität einer Person die Politik macht. Und das möchte ich mir erhalten," sagt Roth. "Und dass das dann provoziert, zum Streit einlädt oder zur Kontroverse, das gehört doch dazu. Dann wäre ja unsere Demokratie nicht mehr bunt, die wäre ja grau."
Fördersystem effizienter und nachhaltiger

Laut und bunt ist auch Roths Leben: Sie studierte Theaterwissenschaften, war Dramaturgin und Managerin der Protest-Band Ton Steine Scherben. Wie der nackte Künstler-Alltag aussieht, das weiß Claudia Rot sehr genau. "Und deswegen geht es darum zu schauen, dass die soziale Lage von Künstlerinnen und Künstlern sich stabilisiert, verbessert wird. Dass das, was gut war, mit Neustart fortgesetzt wird, dass wir die Künstlersozialkasse stärken," so Roth.
Roth versteht das Corona-Rettungs-Programm für die angeschlagene Kultur allgemeiner. Sie will das Fördersystem effizienter und nachhaltiger machen. Will ein festes Plenum zum Austausch von Politik, großen Häusern und freier Szene. Das sei moderne Kulturpolitik. Und längst überfällig.
Runter von hohen Rössern
"Ich mache nicht den Blick nach hinten, sondern ich sage: 'Was wollen wir uns vornehmen?' Dann sage ich, da müssen wir runter von manchen hohen Rössern und anerkennen, was es alles gibt an kulturellen Ausdrucksformen, die möglicherweise manche noch gar nicht kennen," sagt Roth. Was ist Kultur? ALLES zwischen Klassik und Alltag! Mit Zugang für alle – ohne Schwellenängste. Ambitioniert, aber nicht unmöglich.
ttt ist mit dabei und spricht mit der für auch mal schrille Töne bekannten Grünen-Politikerin über ihre Pläne im neuen Amt. Die hat sie bereits im Wahlkampf verkündet: soziale Absicherung der Kulturszene, Geschlechtergerechtigkeit im Kulturbetrieb und Abbau von Hemmschwellen, Stärkung internationaler Kulturnetzwerke und schließlich den Aufbruch in eine klimaneutrale Zukunft auch im kulturellen Bereich. Als Staatsziel ist die Kultur immerhin schon mal im Koalitionsvertrag verankert. Nun müssen den Worten auch Taten folgen. ttt fragt nach, wie das gelingen soll.
Beitrag: Sylvie Kürsten
Stand: 12.12.2021 20:56 Uhr
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