So., 03.07.22 | 23:05 Uhr
Das Erste
Erec Brehmers Film "Wer wir gewesen sein werden"
Eine Liebesgeschichte über den Tod hinaus
Für den Filmemacher Erec Brehmer bricht eine Welt zusammen, als seine damals 29-jährige Lebensgefährtin Angelina Zeidler im März 2019 bei einem gemeinsamen Verkehrsunfall stirbt. Wie weiterleben? Mit dem Verlust, mit der Trauer, mit der verlorenen Zukunft? "Mein erster Gedanke, der mich am Leben hielt, war: Ich bin Filmemacher. Und wenn ich von Angie erzähle, wird sie niemals wirklich sterben." Mithilfe von Amateuraufnahmen, Sprachnachrichten und Tagebucheinträgen macht er sich auf die Suche nach dem gemeinsamen Leben. Daraus entsteht sein Dokumentarfilm "Wer wir gewesen sein werden", eine tief bewegende Liebesgeschichte, die von der Wucht des Todes und der Schönheit des Lebens handelt. Am 14. Juli kommt der Film in die Kinos.
Auf der Suche nach einer neuen Identität

Mit Angelinas Tod war für Erec Brehmer mit einem Schlag die Zukunft vorbei. In den ersten Tagen und Wochen, die er nach dem Unfall im Krankenhaus verbrachte, war er unfähig, den Verlust in seiner Bedeutung zu begreifen. Früh begann er, die vielen privaten Filmaufnahmen von und mit ihr zu sichten, sie zu Sequenzen zusammenzubauen und ihrer Wirkung nachzuspüren. Ohne eine Vorstellung davon, ob er jemals damit an die Öffentlichkeit gehen würde. "Das Schwierigste nach dem Verlust eines Menschen ist ja das Finden einer neuen Identität. Wer kann ich jetzt überhaupt noch sein, wo Angie weg ist und mit Angie auch ein großer Teil meines bisherigen Lebens? Und da hat mir der Film sehr geholfen, mich selbst nochmal wiederzufinden und mit vielen Dingen Frieden zu schließen, die passiert sind."
Sein Film erzählt nicht nur von der engen Beziehung, die die beiden über dreieinhalb Jahre verband, von Augenblicken, die gesättigt sind von Glück und Leichtigkeit, sondern auch von dem einen Moment, der alles verändert: "Als ich sehe, dass Angie über den Mittelstreifen fährt, sage ich laut ihren Namen. Aber ich merke keine Reaktion. Erst im Krankenhaus sagt man mir, dass Angie den Unfall nicht überlebt hat."
Kraft schenken

So intim Erec Brehmers Film ist, so wendet er sich doch an ein breites Publikum. "Ich wollte einen Film machen, wie ich ihn gebraucht hätte, als ich damals im Krankenhaus lag und nicht wusste, was da auf mich zukommt und wie das eigentlich geht: Trauer." Erec Brehmer möchte all jenen Kraft schenken, die wie er einen geliebten Menschen verloren haben. "Wir alle sind Experten in der Liebe. Da gibt es jedes Lied und jedes Buch und jeden Film. Aber Trauer, was ein genauso menschliches Gefühl ist, was genauso elementar ist wie echte Liebe und vielleicht sogar nur die Fortsetzung, wenn der Mensch dann verschwunden ist, da wissen wir viel zu wenig drüber."
"Wer wir gewesen sein werden" zeigt, wie es gelingen kann, einen verloren geglaubten Menschen auch weiterhin ins Leben zu integrieren. Es ist der Blick aus der Zukunft zurück in die Vergangenheit, der die gemeinsame Geschichte neu entdeckt und für die kommende Zeit fruchtbar macht – über die Grenze des Todes hinweg.
"Es ist grausam, dass es Angie nicht mehr gibt. Und gleichzeitig bin ich dankbar für manche Veränderungen, die ich seither erleben durfte. Es gibt immer zwei Seiten von einer Medaille, die plötzlich gleichzeitig da sind. Und es ist eher eine gewisse Härte, die ich verloren habe, und eine Durchlässigkeit, die ich gewonnen habe, eine gewisse Empathie."
Autorin des TV-Beitrags: Uta Angenvoort
Die komplette Sendung steht am 03. Juli ab 20 Uhr zum Abruf in der Mediathek bereit.
Stand: 03.07.2022 18:55 Uhr
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