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Biennale Venedig 2023

Zukunftslabor Architektur

PlayKuratorin Lesley Lokko in Venedig
Zukunftslabor Architektur | Biennale Venedig 2023 | Video verfügbar bis 04.06.2024 | Bild: picture alliance / Photoshot / Mirco Toniolo

Bauen, wie wir es bisher gewohnt sind, ist ein Klimakiller. Zu viel Ressourcenverbrauch, zu hoher CO2-Ausstoß, zu große Flächenversiegelung und zu wenig Nachhaltigkeit. Angesichts der Fülle von Problemen reichen kosmetische Veränderungen nicht aus. Es braucht ein grundlegendes Umdenken.

Impulse dazu gibt die Architekturbiennale, die bis zum 26. November in Venedig stattfindet. Sie versteht sich als "Zukunftslabor" und Ideenschmiede. Kuratiert wird sie von der ghanaisch-schottischen Architektin, Wissenschaftlerin und Romanautorin Lesley Lokko, die 2020 das "African Future Institute" gründete und es seither leitet.

Fokus Afrika

Lesley Lokko hat den Fokus auf Afrika und die afrikanische Diaspora gerichtet – zum ersten Mal seit Gründung der Architekturbiennale im Jahre 1975. In Afrika, das gerade einen Bauboom erlebt, könne man lernen, was Bauen im Klimawandel bedeutet. "Wir sind der jüngste Kontinent der Welt, auch der Kontinent, der sich mit einem beispiellosen Tempo urbanisiert. Diese Welt braucht Fertigkeiten, Talente und Visionen. Historisch gesehen wurden wir aus Gesprächen über Ressourcen, Management oder Landnutzung herausgehalten. Hier wollen wir nun diese sehr dringenden Fragen mit Hilfe von Architekten beantworten."

Christian Benimana
Christian Benimana | Bild: WDR

Einer von ihnen ist Christian Benimana aus Ruanda. "Wir wehren uns total gegen den Erhalt eines Lebensstils, der mal für einen kleinen Teil der Weltbevölkerung geschaffen wurde. Es ist unmöglich, so weiter zu machen. Wir müssen alles völlig neu denken: vom Finanzsystem über die Architektur, die Lieferketten bis zur Bedeutung des Raums." Und uns verabschieden von einer Hochglanz-Architektur, die sich bisher vor allem dem Repräsentieren verschrieben hat.

Dekarbonisieren und Dekolonisieren

Mariam Kamara
Mariam Kamara | Bild: WDR

Dagegen setzt Lesley Lokko: Dekarbonisieren und Dekolonisieren. Und sie stellt klar, dass das eine – die Reduzierung des CO2-Ausstoßes – ohne das andere nicht zu haben ist. Das weiß auch Mariam Kamara, international erfolgreiche Architektin aus dem Niger: "Es gibt diese Wahrnehmung über Afrika, als hätten wir vor der Kolonialzeit nicht existiert. In Wahrheit erobern wir uns mühsam zurück, was ausradiert wurde an Geschichte, aber auch an Wissen." Bei der Entwicklung ihrer Projekte greift sie auf die Baukultur ihrer Heimat zurück, nutzt Materialien, die in Afrika zur Verfügung stehen: Zement, recyceltes Metall und vor allem Lehm, das die Eigenschaft hat, Räume abzukühlen, statt sie aufzuheizen. "Ob man nun in Afrika oder anderswo in der Welt lebt, etwa in Europa, das Problem ist eigentlich dasselbe. Die Materialien, die in Europa verwendet werden, tragen massiv zur Verschmutzung des Planeten bei. Daher ist es für uns alle, weltweit, wichtig, aus der Weisheit zu lernen, die sich im Laufe der Jahrtausende entwickelt hat."

Neue Werkzeuge und neues Wissen

Der deutsche Pavillon hat sich dem Recycling verschrieben. „Open for Maintenance – Wegen Umbau geöffnet“ heißt die Ausstellung, für die ausschließlich gebrauchte Baustoffe der vergangenen Kunst-Biennale verwendet wurden. Die Zukunft wird hier als Kreislaufwirtschaft gedacht. Besucher sind in einer Werkstatt zum Mitmachen eingeladen. Es sind erste, aber entscheidende Schritte auf dem Weg zu einer nachhaltigen Bauwende. "Was natürlich jetzt folgen muss, ist der Umbau der Disziplinen, sozusagen", sagt Franziska Gödicke, eine der Kuratorinnen des deutschen Pavillons. "Also Architektieren mehr als Reparieren verstehen. Deswegen ja auch die eingebaute Werkstatt. Es braucht neue Werkzeuge, neues Wissen. Und die andere Sache, die auf uns zukommen wird, ist auch ein Umbau der Produktionsbedingungen."

Altes Wissen beleben, fremdes Wissen teilen, im Globalen Norden vom Globalen Süden lernen, gemeinsam Lösungen suchen für die Probleme, die die grenzenlose Industrialisierung mit sich gebracht hat. Darüber wird in diesem Jahr in Venedig debattiert. "In Zeiten von Not und Verzweiflung braucht man Imagination mehr denn je", sagt Lesley Lokko. "Das Argument, Afrika sei zu arm, korrupt, chaotisch und unterprivilegiert, um jemals etwas Originelles anzuregen, für mich ist es das absolute Gegenteil."

Autorin des TV-Beitrags: Claudia Kuhland

Die komplette Sendung steht am 04. Juni ab 20 Uhr zum Abruf in der Mediathek bereit.

Stand: 04.06.2023 18:21 Uhr

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Westdeutscher Rundfunk
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