SENDETERMIN So., 04.06.23 | 23:05 Uhr | Das Erste

"Tanja – Tagebuch einer Guerillera"

Freiheitskämpferin oder Terroristin?

PlayTanja Niejmeijer
Freiheitskämpferin oder Terroristin? | "Tagebuch einer Guerillera" | Video verfügbar bis 04.06.2024 | Bild: Mindjazz Pictures

Die Niederländerin Tanja Nijmeijer hat gerade ihr Studium abgeschlossen, als sie 2001 als Englischlehrerin nach Kolumbien reist. Die gesellschaftlichen und sozialen Ungerechtigkeiten erschüttern sie. Sie schließt sich der Guerilla-Armee FARC an. Jahre später, da steht sie schon auf der Fahndungsliste von Interpol, reflektiert sie ihr Leben im Krieg. Sie steht vor der Entscheidung, welchen Weg sie weitergehen will: den Weg der Gewalt oder den einer friedlichen Lösung. Der deutsch-ecuadorianische Dokumentarfilmer Marcel Mettelsiefen zeichnet das facettenreiche Porträt einer Frau, in der die einen die Freiheitskämpferin, die anderen die Terroristin sehen. ttt hat mit ihm in Barcelona gesprochen. Sein Film "Tanja – Tagebuch einer Guerillera" kommt am 15. Juni in die Kinos.

Kampf gegen die Ungerechtigkeit

Regisseur Marcel Mettelsiefen
Regisseur Marcel Mettelsiefen | Bild: WDR

"Als ich 2014 in Kuba eine Geschichte über den Friedensprozess der kolumbianischen Regierung mit der FARC machte, traf ich Tanja zum ersten Mal", erinnert sich Marcel Mettelsiefen. "Sie war die Hauptattraktion der FARC. Als junges, dunkelblondes Mädchen, gutaussehend. Und ziemlich schnell fragte ich mich: Okay, wie kommt diese Frau in dieses Land und was ist ihre Geschichte?"          

Tanja Nijmeijer weiß wenig über die politische Situation des Landes, als sie zum ersten Mal nach Bogota kommt. Auf einer Reise durch das von Armut und Ausbeutung geprägte Land wird sie mit der Ungleichheit konfrontiert. Überzeugt von den Zielen der FARC, schließt sie sich der Guerilla-Armee an.

Die FARC

Die "Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia" wurden 1964 gegründet. Ihre Mitglieder kämpften mit Waffengewalt gegen den kolumbianischen Staat und seine Vertreter, gegen die Armee und paramilitärische Gruppen. Im Laufe der Jahre verbündete sich die FARC mit Drogenkartellen, die sie zunächst als Gegner bekämpft hatte. Haupteinnahmequellen waren Entführungen und Lösegeldforderungen, Erpressung und Drogengeschäfte. Kolumbien versank im Bürgerkrieg.

Auf der richtigen Seite?

Tanja Niejmeijer
Tanja Nijmeijer bei den Kämpfern | Bild: Mindjazz Pictures

Anfang der 2000er Jahre glaubt Tanja Nijmeijer an die gerechte Sache der FARC. Sie träumt von der Überwindung der Ungleichheit, von der Befreiung der abhängigen Bauern, die von Großgrundbesitzern geknechtet und von regulären wie paramilitärischen Truppen terrorisiert werden.

Sie lebt mit der FARC in einem Dschungelcamp, arbeitet als Dolmetscherin, ist aber auch an Bombenattentaten beteiligt. Bald steigt sie in den Führungskreis der FARC auf. Doch irgendwann beginnt sie zu zweifeln. Sie vertraut ihre Gedanken einem Tagebuch an, das bei einem Angriff auf ein FARC-Camp gefunden und veröffentlicht wird. Von nun an gilt sie als Terroristin. "Wer entscheidet letztendlich, wer ein Freiheitskämpfer ist und wer ein Terrorist?", fragt Marcel Mettelsiefen. "Am Anfang war sie das naive junge Mädchen, das aus weltverbesserischem Impetus zur Waffe greift in einem Land, das nicht ihres ist. Weil ihre Tagebücher veröffentlicht wurden und sie merkte, sie hat das Vertrauen der FARC verraten, lässt sie sich zu so einem Interview drängen und hinreißen, wo sie die Regierung bedroht. Und in dem Moment gilt sie als Terroristin."

Der Weg zum Frieden

Tanja Nijmeijer bleibt in Kolumbien. Schließlich nimmt sie ab 2012 als Vertreterin der FARC bei den Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der Guerilla-Organisation teil, die im Oktober 2016 zur Unterzeichnung eines Friedensvertrages führen. Das Abkommen beendet den längsten Bürgerkrieg in der Geschichte Lateinamerikas. Der damalige kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos wird dafür Ende 2016 mit dem Friedensnobelpreis geehrt.

"Ich glaube". so Marcel Mettelsiefen, "mein Wunsch für Tanja ist, dass sie Frieden schließt mit sich selbst, genauso wie das Land. Es ist ein harter Prozess. Es ist viel passiert. Es gilt Narben zu heilen, die tief sitzen. Und ich hoffe, dass sowohl das Land zur Ruhe kommt als auch sie."

Autorin des TV-Beitrags: Marion Ammicht

Die komplette Sendung steht am 04. Juni ab 20 Uhr zum Abruf in der Mediathek bereit.

Stand: 04.06.2023 18:22 Uhr

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