So., 05.12.21 | 23:05 Uhr
Das Erste
Culture for future
Wie geht mehr Klimaschutz im Kulturbetrieb?
Wie sieht sie aus – die klimaneutrale Zukunft? Das ist ein großes Thema im Film, auf Theaterbühnen und in Ausstellungen. Doch wie gehen die Kulturschaffenden selbst mit den Herausforderungen um? Was tun sie, um ihren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren, um grüner zu werden und das Prinzip Nachhaltigkeit in ihrer eigenen Arbeit konkret umzusetzen? Und welche Erwartungen haben sie an die neue Regierung und an die designierte Kulturstaatsministerin Claudia Roth? ttt fragt nach.
Die Grenzen des Wachstums
In Münster erzählt eine Ausstellung an gleich drei Orten vom Ende der Wachstumsgesellschaft. Unter dem gemeinsamen Titel "Nimmersatt?" zeigen die Kunsthalle Münster, das LWL-Museum für Kunst und Kultur und der Westfälische Kunstverein, wie Veränderung geht.
Einer der ausstellenden Künstler ist Raul Walch. In seiner Arbeit beschäftigt er sich mit Ressourcen und Energiewirtschaft. Für sein Mobile "Die feinen Unterschiede" hat er aus Altkleidern Flugobjekte gemacht. "Ich arbeite ja viel mit Materialien, dass ich deren Beschaffenheit der Produktionsweise, deren Herkunft und jedes Detail hinterfrage", sagt er. "Und dieses Wissen um das, was man konsumiert, ist natürlich auch der Schlüssel zu der Erkenntnis, dass wir sagen, wir brauchen andere Werkstoffe."
Klimabilanz der Kultur
Wie aber steht es um den Klimaschutz in Museen und anderen Kultureinrichtungen? Die drei Kuratorinnen von "Nimmersatt?" haben sich darüber schon im Vorfeld Gedanken gemacht. "In unserer eigenen Arbeit sind wir für dieses Ausstellungsprojekt so damit umgegangen, dass wir keine transatlantischen Transporte haben", sagt Merle Radtke, Leiterin der Kunsthalle Münster. "Und beispielsweise bei der Papierauswahl für die begleitende Publikation wurde Papier gewählt, das mit sehr wenig CO2-Ausstoß hergestellt wird."

Wie weit der Weg zur klimaneutralen Kultur ist, hat ein Pilotprojekt der Bundeskulturstiftung gezeigt. 19 deutsche Kulturinstitutionen, darunter Museen, Theater, Bibliotheken und Orchester, ließen ihren CO2-Fußabdruck ermitteln. Dabei ging es nicht darum, Versäumnisse aufzulisten und die Verantwortlichen an den Pranger zu stellen, sondern Lösungen für ein klimafreundlicheres Arbeiten zu entwickeln. Hortensia Völckers, künstlerische Direktorin der Stiftung: "Das ist eine neue Kultur und eine neue Verabredung, die wir treffen müssen." Möglichkeiten gäbe es viele. So ließen sich zum Beispiel besonders klimaschädliche Reisen für aufwändige Gastspiele oder den Transport von Kunstwerken reduzieren. Um steuernd einzugreifen, könnte die Stiftung ökologische Nachhaltigkeit bei ihrer Förderpraxis berücksichtigen.
Grüne Taskforce
Beim Pilotprojekt mit dabei war auch das Staatsschauspiel Dresden. "Wir sind natürlich angehalten, die eigenen Arbeitsweisen zu hinterfragen", sagt Intendant Joachim Klement. "Practice what you preach – das ist die Frage." Um klimafreundliche Veränderungen auf den Weg zu bringen, braucht es Beratung und Forschung.

Stefan Simon ist Nachhaltigkeitsexperte der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und leitet das Ratghen-Forschungslabor der Staatlichen Museen Berlin. Er beklagt, dass der Klimaschutz in den Museen bisher sträflich vernachlässigt wurde, und fordert eine Grüne Taskforce für die Kultur. Der Begründer der Initiative "Grünes Museums" sähe die Kultur gerne als Vorreiter und hofft jetzt auf die neue Regierung. "Die größte Stellschraube ist natürlich, die Aspekte des Klimawandels auch in die Kulturpolitik hineinzubringen und dort zu verankern, um die ökologische Transformation dieser Einrichtungen endlich voranzutreiben. Das ist, glaube ich, das Allerwichtigste. So ein Green Culture Desk, wie übrigens auch die Grünen im März im Bundestag gefordert haben. Darauf hoffe ich natürlich jetzt."
Nachhaltigkeit müsse schon bei der Planung von Museumsneubauten eine Top-Priorität sein – ganz anders also als im Fall des neuen Berliner Museums für das 20. Jahrhundert. Das von den Stararchitekten Herzog & de Meuron entworfene Gebäude droht eine CO2-Schleuder zu werden. "Meine Erwartung wäre von Bauten, die öffentlich finanziert werden, dass die auf den absoluten neuesten Stand von Nachhaltigkeit und Klima orientiert sind", sagt Hortensia Völckers. Noch sind der Bund und die Kultur weit davon entfernt. Doch ein Anfang ist gemacht. Und eine Umkehr kommt nicht mehr in Frage. Auf die neue Bundesregierung und Kulturstaatsministerin Claudia Roth kommt viel Arbeit zu.
Ausstellungstipp
Zu sehen ist die Ausstellung "Nimmersatt? – Gesellschaft ohne Wachstum denken" noch bis zum 27. Februar 2022.
Autoren des TV-Beitrags: Claudia Kuhland
Die komplette Sendung steht am 5. Dezember ab 20 Uhr zum Abruf in der Mediathek bereit
Stand: 05.12.2021 18:48 Uhr
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