So., 09.10.22 | 23:20 Uhr
Heimat und Identität
Die Fotos der indischen Künstlerin Gauri Gill in der Frankfurter Schirn
Seit mehr als zwei Jahrzehnten erkundet die Künstlerin und Fotografin Gauri Gill das Leben und den Alltag der Landbevölkerung in Indien. Die Frankfurter Schirn zeigt in einer großen Überblicksausstellung rund 240 ihrer Arbeiten aus unterschiedlichen Serien. "Gauri Gill. Acts of Resistance and Repair" ist vom 13. Oktober 2022 bis zum 06. Januar 2023 zu sehen.
"Notes from the Desert"
Gauri Gill bereist seit 1999 die karge Region im Westen Rajasthans, weit abseits der indischen Metropolen. Dabei entstand ihr Langzeitprojekt "Notes from the Desert", ein Fotoarchiv mit Tausenden Aufnahmen, die meisten in Schwarz-Weiß. Sie zeigen sehr private Momente: Geburt, Krankheit und Tod, Dürre und Not, Freundschaft, Feste und familiäre Konflikte. Die Fotos bilden einen starken Kontrast zu den massenhaft zirkulierenden folkloristischen Aufnahmen, die Rajasthan als touristischen Sehnsuchtsort verklären. Gauri Gill arbeitet anders: Ausgangspunkt ihrer Porträts ist ein enges freundschaftliches Verhältnis, das sie zu den Menschen pflegt.
Widerständigkeit und Kreativität

Aus den "Notes from the Desert" sind verschiedene Serien hervorgegangen, in denen Mädchen und junge Frauen im Mittelpunkt stehen. So hat Gauri Gill für den Zyklus "Jannat" ein muslimisches Mädchen acht Jahre lang begleitet, das in einer vom Vater verlassenen Familie aufwuchs. Einen Gegenpol zu den Aufnahmen im ländlichen Indien bildet die Serie "The Americans". Von 2000 bis 2007 ist Gauri Gill durch die USA gereist, um die indische Diaspora kennenzulernen. Ihre Farbfotos dokumentieren ein Leben in der Fremde, das geprägt ist von der Suche nach Heimat und Identität.
Charakteristisch für ihre jüngeren Werke ist die Zusammenarbeit mit zum Teil unbekannten Künstlerinnen und Künstlern. So ist auch die Werkgruppe "Acts of Appearance" entstanden, für die sie Pappmaché-Masken aus der Region verwendet hat. Dadurch wirken die Alltagszenen seltsam verfremdet und eindringlich zugleich: ein Ausdruck von Widerständigkeit und Kreativität unter prekären Lebensbedingungen.
Gauri Gill

Gauri Gill, 1970 in Chandigarh geboren, studierte Kunst und Fotografie in New Delhi, New York und Stanford. Mit ihrem Werken war sie u.a. auf der 58. Biennale von Venedig, der documenta 14 in Athen und Kassel, der 7th Moscow Biennale und der Kochi-Muziris Biennale 2016 zu sehen. Zuletzt hatte sie Einzelausstellungen im Columbus Museum of Art, Ohio, dem MoMA PS1, New York, dem Museum Tinguely in Basel und der Smithsonian Institution in Washington.
Buchtipp
Gauri Gill: Acts of Resistance and Repair
Herausgegeben von Esther Schlicht
Katalog zur Ausstellung in der Schirn Kunsthalle Frankfurt
Kehrer Verlag 2022, Preis: 45 Euro
Autorin des TV-Beitrags: Hilka Sinning
Die komplette Sendung steht am 9. Oktober ab 20 Uhr zum Abruf in der Mediathek bereit.
Stand: 21.10.2022 20:21 Uhr
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