So., 10.10.21 | 23:45 Uhr
Das Erste
Porträt des Protestes
Die Doku "Dear Future Children"
Drei Länder, drei Konflikte und drei Frauen, die für eine bessere Zukunft kämpfen. Der 22-jährige Regisseur Franz Böhm begleitet in seinem Dokumentarfilm "Dear Future Children" die Aktivistinnen Hilda aus Uganda, Rayen aus Chile und Pepper aus Hongkong. Sie protestieren für den Klimaschutz, für Gerechtigkeit und Demokratie – zum Wohle unserer zukünftigen Kinder. Der Film wurde mehrfach ausgezeichnet und kommt am 14. Oktober in die Kinos. ttt hat Franz Böhm in Stuttgart getroffen.
Uganda: "Fridays for Future"
Sie leben auf drei Kontinenten und haben doch viel gemeinsam: Hilda, Rayen und Pepper. Alle drei wollen sich mit den Missständen der Welt nicht abfinden. Sie engagieren sich gegen enorme Widerstände und nehmen große Risiken auf sich.

Die Studentin Hilda lebt in Uganda. Das ostafrikanische Land ist wegen seiner geografischen Lage besonders stark vom Klimawandel getroffen. Extreme Trockenheit und wiederkehrende Überschwemmungen haben breite Landstriche unbewohnbar gemacht. Hinzu kommt die enorme Umweltverschmutzung. Vor allem der Plastikmüll – täglich fallen rund 600 Tonnen allein in Uganda an – bedroht die Lebensgrundlage der Menschen. Hilda war elf Jahre alt, als der Wassermangel ihre Familie zwang, aus ihrem Heimatdorf in die Hauptstadt Kampala zu fliehen. 2017 entschloss sie sich, gegen die Vermüllung und die Folgen des Klimawandels zu kämpfen. Sie gründete "Fridays for Future Uganda" und hat mittlerweile Zehntausende junge Menschen mobilisiert.
Hongkong: Leben unter falscher Identität
Pepper ist der Tarnname einer Aktivistin aus Hongkong. Wie viele andere junge Menschen wehrt sie sich gegen den wachsenden Einfluss Chinas. 2019 hat sie bei den Massenprotesten gegen die Peking-nahe Regierung von Carrie Lam die brutalen Auseinandersetzungen zwischen der Zivilbevölkerung und der schwerbewaffneten Polizei hautnah miterlebt. Die 25-Jährige betrachtet diesen Kampf für Demokratie und Unabhängigkeit als einen Kampf auch für ihre eigene Zukunft. Monatelang hat sie unter falscher Identität gelebt, um einer Verhaftung zu entgehen und ihre Familie zu schützen. "Ich habe Angst, dass sie meinen Namen und den meiner Familie herausfinden." Mittlerweile ist sie ins Ausland geflohen.
Chile: Tränengas und Gummigeschosse

In Chile herrscht extreme soziale Ungleichheit als Folge des jahrzehntelangen Machtmissbrauchs durch die Wirtschaftseliten. In keinem anderen südamerikanischen Land wird das Einkommen so ungleich verteilt wie hier. Ein Prozent der Bevölkerung besitzt zwei Drittel des Vermögens. Fast die Hälfte der Bevölkerung verdient umgerechnet nicht einmal 500 Euro im Monat – viel zu wenig, um die ständig steigenden Lebenshaltungskosten zu tragen. Im Herbst 2019 trieb die soziale Ungleichheit Hunderttausende Menschen auf die Straße. Präsident Sebastián Piñera ließ die Proteste von der Polizei gewaltsam niederschlagen. Bei den Demonstrationen ganz vorne mit dabei, zwischen Gummigeschossen und Tränengas, war Rayen, eine 24-jährige Studentin.
Dem Protest ein Gesicht geben

Regisseur Franz Böhm ist erst 22 Jahre alt und hat schon mehrere Kurzfilme gedreht. "Dear Future Children" ist sein bisher aufwändigstes Projekt. Nach den großen Friedens- und Antiatomkraftdemonstrationen in den 70er Jahren hatte man "den Eindruck, die Jugend hätte sich von der Politik abgewendet", sagt er. "Das ist aber falsch, denn es kommt auf das Thema an, wie zum Beispiel die 'Fridays for Future'-Bewegung zeigt. So waren die letzten Jahre weltweit von kraftvollen Straßenprotesten geprägt". Als Vertreter der jungen Generation wollte er dem Protest ein Gesicht geben.
Die Gewalt hat Franz Böhm schockiert, die Unbeugsamkeit seiner Protagonistinnen beeindruckt. Mit "Dear Future Children" will er ein Zeichen setzen, "dass viele der Themen, die wir im Film behandeln, Demokratie, Gerechtigkeit, Klima uns alle betreffen. Und wenn wir sie nicht gemeinsam lösen, können diese Probleme, diese Themenfelder zu so einem Konfliktbereich werden, dass wir darunter leiden werden. Ich finde es umso beeindruckender, dass es weltweit vor allem junge Aktivist*innen gibt, die sich so sehr für eine bessere Zukunft einsetzen - übrigens auch für uns."
Autorin des TV-Beitrags: Uta Angenvoort
Die komplette Sendung steht am 10. Oktober ab 20 Uhr zum Abruf in der Mediathek bereit.
Stand: 10.10.2021 17:51 Uhr
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