So., 15.05.22 | 23:20 Uhr
Das Erste
Tagebuch um Krise und Aufbruch
Marius Müller-Westernhagens neues Album "Das eine Leben"

Steile Karriere

Marius Müller-Westernhagen zählt zu den wenigen echten Superstars in Deutschland. Seit mehr als vier Jahrzehnten ist er im Showgeschäft. 1948 in Düsseldorf geboren, startete er seine Karriere in den 70ern als Schauspieler ("Theo gegen den Rest der Welt") und Musiker. "Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz" brachte ihm 1978 den Durchbruch. Das Album verkaufte sich über eine Million Mal und wurde Kult. Mittlerweile hat mehr als 20 Alben herausgebracht. Doch trotz seiner Popularität fühlt sich Westernhagen eher als Einzelgänger, der zwar auch zu gesellschaftlichen Fragen Stellung nimmt, sich aber nicht in den Vordergrund drängt.
Im Lockdown
Zu Beginn der Pandemie, im Frühjahr 2020, saß er mit seiner Frau in Südafrika fest. Eine lang geplante Tour musste er absagen. Angst und Unsicherheit hatten auch ihn im Griff. "Natürlich fängt man in so einer Isolation an, nachzudenken und zu reflektieren. Was passiert mit dir? Was passiert mit der Gesellschaft? Und irgendwann war der Drang einfach da und du musst diese Gedanken, die auch durcheinander waren, einfach jetzt zu Papier bringen."
"Heilsame Erfahrung"

Die Zeit des Lockdowns hat er genutzt, um sein 23. Studioalbum vorzubereiten – zunächst in Kapstadt, dann in Berlin. Es ist das erste nach dem 2014 erschienenen "Alphatier". "Ich war erschrocken, als ich hörte, ich habe seit acht oder neun Jahren keine neuen Songs mehr geschrieben. Das kam mir gar nicht so vor. Also in meinem Alter vergeht die Zeit so wahnsinnig schnell."
"Das eine Leben" umfasst elf Songs, in denen er persönlich Bilanz zieht, aber auch gesellschaftliche Probleme thematisiert. Sie handeln von Liebe und Vergänglichkeit, von Angst und Überforderung, von Größenwahn und Machtgefühlen. "Es wird dir klar, dass so vieles, dem du so eine Wichtigkeit gegeben hast, gar nicht so wichtig ist. Das war eine sehr, sehr heilsame Erfahrung."
Gegen die "Wischiwaschi-Gesellschaft"
Seinen kämpferischen Geist aber hat er nicht aufgegeben: "Ich finde, in der heutigen Zeit gehört da auch ein bisschen Wut dazu. Das haben wir lange vergessen, immer alles zuzulassen, sich nicht einzumischen. Wir haben so eine Wischiwaschi-Gesellschaft."
Den Song "Zeitgeist" hat er vorab als Musikvideo veröffentlicht. Er setzt sich darin auch mit dem Krieg in der Ukraine auseinander und mit der Rolle seines langjährigen Freundes Gerhard Schröder, der wegen seiner Nähe zu Putin und der Lobbyarbeit für Gazprom stark kritisiert wird. "Bei manchen Menschen, die ich sehr gut kannte und ganz anders erlebt und gesehen habe, wundert mich das natürlich. Und du bist zu einem gewissen Punkt auch enttäuscht. Aber ich möchte nicht richten über Menschen. Das steht mir einfach nicht zu, weil ich deren Motive nicht kenne. Auch bei Schröder. Der macht ja zu. Also man weiß ja gar nicht: Wo ist die Motivation? Was denkt er überhaupt? Ich finde, wenn man so angegriffen wird, dann müsste man sich auch äußern und seine Motive erklären."
Für den heute 73-Jährigen ist das neue Album auch ein Statement für mehr Offenheit und gegen Kalkül. "Du kannst die beste Arbeit leisten und du kommst am besten an dein Potenzial, wenn du dein Ego mehr und mehr hinten anstellst. Und das passiert einfach im Alter. Du bist nicht mehr so selbstbezogen."
Autor des TV-Beitrags: Peter Scharf
Die komplette Sendung steht am 15. Mai ab 18 Uhr zum Abruf in der Mediathek bereit.
Stand: 15.05.2022 17:13 Uhr
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