So., 23.01.22 | 23:05 Uhr
Das Erste
"Monobloc" – verachtet und geliebt
Dokumentarfilm über den meistverkauften Stuhl der Welt
Vermutlich hat sich schon jeder einmal auf ihm niedergelassen: Monobloc, der Plastikstuhl aus einem Guss, ist das meistverkaufte Möbelstück der Welt. Über eine Milliarde Exemplare soll es von ihm geben – auf Balkonen, vor Imbissbuden, in Hinterhöfen und gestapelt in Baumärkten. Für die einen ist er ein hässliches Ungetüm aus umweltschädlichem Plastik. Für die anderen die einzig bezahlbare Sitzgelegenheit. Regisseur Hauke Wendler hat dem Monobloc und seiner Geschichte einen Dokumentarfilm gewidmet. Es geht um Funktionalität und Schönheit, um Kapitalismus und Teilhabe. ttt hat den Filmemacher in Hamburg getroffen. Am 27. Januar kommt "Monobloc" in die Kinos.
Vom Designobjekt zum Plastikding
Seit den 70er Jahren gibt es den Monobloc. Erfunden hat ihn der Franzose Henri Massonnet. Das Geheimnis seines Erfolgs liegt nicht im Design, sondern in den niedrigen Herstellungskosten. Der Stuhl besteht fast ausschließlich aus Polypropylen, einem Kunststoff, aus dem auch Joghurtbecher, Flaschendeckel oder Fahrradhelme gemacht werden. Gefertigt wird er mit einer Spritzgusstechnik, die in kürzester Zeit hohe Stückzahlen ermöglicht. In robotergestützten Produktionshallen dauert die Herstellung eines Stuhls nicht mal 60 Sekunden.

Auch wenn der Monobloc heute bei vielen als "hässliches Plastikding" verschrien ist, war er zunächst als Designobjekt für gehobenere Ansprüche konzipiert. Doch bei einem Preis von damals 300 Franc (heute ca. 50 Euro) blieb er ein Ladenhüter. Erst als Massenware trat er seinen Siegeszug um die Welt an.
Dem Monobloc auf der Spur

"2013 sah ich ein Foto in der Zeitung: Da standen Dutzende dieser einfachen, weißen Plastikstühle in einer Wüste aufgereiht, inmitten der untergehenden Sonne", erinnert sich Hauke Wendler. "Ich dachte mir: Was für ein großartiges Bild – und was für eine unglaubliche Ansammlung von Plastikschrott!" Für den Film sind er und sein Team durch fünf Kontinente gereist. "Für mich war der Monobloc hässlich, für mich war der lächerlich. Ich habe darüber Witze gemacht. Das war der Ausgangspunkt des Films. Und ich habe dann erst im Ausland, in Uganda, Indien, Brasilien realisiert: Nee, das ist ein zutiefst eurozentristischer Ansatz."
Das Maximum an Effizienz

"Über die Jahre und die vielen Begegnungen mit Menschen, deren Leben eng mit diesem billigen Stuhl verknüpft ist, sind bei mir ganz andere Fragen entstanden." Zum Beispiel, warum der Monobloc für viele Menschen die einzige Sitzgelegenheit ist, die sie sich leisten können. "In vielen Ländern haben die Leute keine Alternative. Es gibt diesen Stuhl oder es gibt gar keinen Stuhl." Sogar als Basis für einen kostengünstigen Rollstuhl kommt der Monobloc in Entwicklungsländern zum Einsatz.
In seinem Film erzählt Hauke Wendler eine Geschichte von Wirtschaft und Globalisierung, von Ungleichheit und Teilhabe, von Ansprüchen und Bedürfnissen. Es ist eine Geschichte mit vielen Grautönen. "Natürlich sagen die allermeisten Menschen in unserem Land: Hey, ein Stuhl aus Holz ist doch viel schöner! Aber man muss dann einfach realisieren: Das Material Plastik ist für den Einsatz von Hunderten Millionen Menschen auf der Welt viel besser geeignet." Und er zitiert einen indischen Monobloc-Produzenten: "Wenn wir hier ungefähr 50 bis 60 Prozent unserer Stühle aus Holz herstellen würden, dann wäre die komplette Vegetation des Subkontinentes Indien vernichtet." Hauke Wendlers Fazit: "Tatsächlich ist der Monobloc, wenn man seine Effizienz betrachtet, das Maximum, was man in Sachen Sitzmöbel erreichen kann."
Buchtipp
Rutger Fuchs, Hauke Wendler: Monobloc.
Hatje Cantz Verlag 2022, Preis: 22 Euro
(erscheint am 2. März 2022)
Podcast-Tipp
NDR-Podcast-Serie zum Film "Monobloc" in sechs Teilen. Details und alle Folgen finden Sie unter "Links in der ARD".
Autor des TV-Beitrags: Peter Scharf
Die komplette Sendung steht am 23. Januar ab 20 Uhr zum Abruf in der Mediathek bereit.
Stand: 24.01.2022 12:30 Uhr
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