So., 30.08.20 | 23:35 Uhr
Das Erste
Trump first?
Der Politologe Stephan Bierling zieht Bilanz
Am Donnerstag ist der Nominierungsparteitag der Republikaner zu Ende gegangen. Der Parteitag der Republikaner? Für Stephan Bierling, Politikwissenschaftler an der Universität Regensburg, war es ein Parteitag der Trumpisten. Und der strahlende Mittelpunkt des Parteitages, Donald Trump, 45. Präsident der Vereinigten Staaten, hat am Donnerstagabend die Nominierung mit Feuerwerk und großem Tamtam vor 1.500 Gästen im Weißen Haus angenommen. "Let's make America great again!", hat er zu Beginn seiner ersten Amtszeit versprochen. Jetzt kandidiert er erneut. Und um ihn herum ist das Land in Aufruhr.
Stephan Bierling hat gerade ein Buch veröffentlicht und Trumps Regierungsjahre bilanziert. Es ist die schonungslose Analyse einer Ära, die das "mächtigste Land der Welt" an die Grenzen seiner Belastbarkeit führt. ttt hat Stephan Bierling in München getroffen.
Der Brandstifter als Präsident

"Insgesamt war die Präsidentschaft von Donald Trump für seine eigene Wählerschaft gar nicht so schlecht. 90 Prozent derer, die ihn 2016 gewählt haben, würden ihn heute wiederwählen. Was jetzt anders ist, was immer anders ist, wenn ein Präsident schon einmal gewählt wurde und wieder antritt, ist, dass es ein Referendum über seine Amtszeit wird. Und seine Bilanz fällt insgesamt für Amerika katastrophal aus."
Seit am 25. Mai der Afroamerikaner George Floyd von Polizisten getötet wurde, ist Amerika nicht mehr zur Ruhe gekommen. Immer mehr Menschen haben sich mit der "Black Lives Matter"-Bewegung solidarisiert und gegen Rassismus protestiert. Es kam zu Krawallen, Plünderungen und Gewalt. Erst vor wenigen Tagen sind Demonstrationen in Kenosha im Bundesstaat Wisconsin eskaliert. Nach Polizeischüssen auf einen Schwarzen hat ein 17-Jähriger zwei Demonstranten mit einem halbautomatischen Gewehr getötet. Mittlerweile ist es wieder ruhig in Kenosha. Aber die Nationalgarde patrouilliert, und niemand weiß, ob es erneut zu einem Gewaltausbruch kommt.
Amerika ist ein gespaltenes Land. Republikaner und Demokraten leben in Parallelwelten. Schwarze und Weiße, Arme und Reiche, religiöse Fundamentalisten und Liberale – sie alle trennt eine tiefe Kluft. Berührungen gibt es nur im Konfliktfall.
Der große Polarisierer

"Donald Trump hat die Spaltung noch vertieft", sagt Stephan Bierling. "Er bringt ja nicht nur bei seinen Anhängern die rohe Emotion heraus, sondern auch bei den Gegnern. Das ist natürlich immer eine Gefahr. Da geht man ihm auf den Leim, wenn man auf der gleichen emotionalen Ebene sich mit ihm auseinandersetzt."
Die "Black Lives Matter"-Bewegung hat Trump dämonisiert, die Wut auf Fremde geschürt, Zwietracht gesät und Hass geerntet. Dabei steht Amerika vor großen Problemen. Trotz des präsidialen Versprechens, die Wirtschaft anzukurbeln, ist der "Trump-Boom" ein Märchen geblieben. Auch wenn die Arbeitslosenquote zunächst sank, war Trumps Beitrag dazu gering. Nun hat Corona sie in die Höhe getrieben. Mit fast 5,9 Millionen bestätigten Infizierten sind die USA eines der am stärksten von der Pandemie betroffenen Länder. Rund 180.000 Menschen sind dem Virus zum Opfer gefallen. Doch anstelle eines klaren Krisenmanagements hat der Präsident abgewiegelt und fantastisch anmutende Vorschläge gemacht. Trump ist seinem Konzept treu geblieben: polarisieren, provozieren und diffamieren – wohl wissend, dass das Polarisieren dem Polarisierer am meisten nutzt. Gerade Corona, so Stephan Bierling, hat deutlich gemacht, "dass der Mann weder die Charakterstärke noch die Führungsfähigkeiten hat, um Amerika in dieser schwierigsten Herausforderung seiner Geschichte seit 1945 wirklich solide und kompetent zu führen."
"Weckruf für die Demokratie"
Die aktuellen Umfragewerte spiegeln, wie viel Vertrauen er tatsächlich verspielt hat. Nach heutigem Stand kann sich Trump kaum Hoffnungen auf eine zweite Amtszeit machen. Umso mehr, so Bierling, wird er darauf setzen, die Wut seiner Stammwähler auf die etablierten Eliten anzuheizen, seinen Konkurrenten Joe Biden zu attackieren und die Wahl selbst zu diskreditieren. "Trump ist nicht an Demokratie interessiert. Er akzeptiert die Wahl nur, wenn er selbst ins Weiße Haus einzieht", sagt der USA-Kenner. "Und vielleicht ist Trump trotzdem, wenn wir dann zurückblicken nach dem 3. November oder dem 20. Januar, wenn wir einen neuen Präsidenten haben, auch so etwas wie ein Weckruf für die Demokratie."
Autor des TV-Beitrags: Andreas Ammer
Buchtipp
Stephan Bierling: America First.-
Donald Trump im Weißen Haus.
C.H.Beck 2020, Preis: 16,95 Euro
Stand: 31.08.2020 08:59 Uhr
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