So., 26.09.21 | 23:10 Uhr
Das Erste
Frauen und Corona
Eine Fotoausstellung in Berlin
Ob Alleinerziehende, Pflegende oder Sexarbeiterinnen – die Pandemie hat das Leben von Frauen in besonderer Weise beeinträchtigt. Auch die häusliche Gewalt soll in der Corona-Krise angestiegen sein. Die Ausstellung "IN WAVES – #womenincovid" will mit ganz unterschiedlichen Fotos den Fokus auf die Auswirkungen auf Frauen richten.
Sophie Kirchner ist eine der Fotografinnen, sie hat vier alleinerziehende Mütter mit der Kamera begleitet. 90 Prozent aller Alleinerziehenden sind Frauen. "Es war ein freier Fall," so Kirchner. "Es ist ein Thema, was sich in den nächsten Jahren zeigen wird. Was das eigentlich mit den Menschen gemacht hat, die jetzt noch zu der Gruppe gehören. Die noch gar nicht den Atem und die Zeit hatten überhaupt etwas zu sagen, weil die versuchen jetzt noch über die Runden zu kommen."
"Noch nie so verlassen und einsam gefühlt"

Frauen leisten im Schnitt dreimal so viel unbezahlte Sorgearbeit wie Männer. Die Pandemie hat das verschärft: Kaum Betreuungsangebote für Kinder, keine sozialen Kontakte. "Die Unterstützung fehlt einfach," sagt Mutter Franziska Lind. "Es war ja gar nicht mehr so einfach zu sagen, 'du, ich brauch dich gerade, kommst du mal bitte vorbei'. Alleine die Schwangerschaft, die Geburt – ich glaube, ich habe mich noch nie so verlassen und einsam gefühlt wie zu dem Zeitpunkt. Also alleinerziehend oder allein ein Kind zur Welt zu bringen, ist eine sehr große Herausforderung. Die Pandemie hat es einfach noch mal einsamer gemacht."
Viele Frauen sprechen von Erschöpfungssymptomen und der Sorge, von traditionellen Rollen wieder eingeholt zu werden. Auch die Gewalt gegen Frauen ist in der Corona-Krise deutlich angestiegen. Sina Niemeyer sucht als Fotografin Motive für ein oft verdrängtes Thema: "Femizide" – Morde an Frauen. Während der Pandemie stieg die Zahl der Gewalttaten dramatisch an.
Zahl der Femizide stieg während der Pandemie an

"Das ist auf über 200 für das Jahr 2020 gestiegen, also jetzt schon an jedem zweiten Tag," so Niemeyer. "An zwei Drittel der Tage wird eine Frau ermordet von jemandem, der ihr nahesteht." Nach dem brutalen Mord an einer 15-Jährigen im August 2020 begleitet Sina Niemeyer die Familie mit der Kamera. Fotos, damit das Opfer nicht vergessen wird."Meiner Meinung nach wird es noch immer viel zu wenig ernst genommen und auch politisch viel zu wenig dagegen getan," so Niemeyer. "Dass in der Pandemie Hilfsanlaufstellen und Hilfstelefone irgendwie gesagt haben, wir sind am Limit. Das sind ganz oft alles Organisationen, die von Spenden leben oder vielleicht eine halbe bezahlte Stelle haben. Da fehlt es letztendlich auch an Geld, an politischer Unterstützung und Wille."
Die Krise hat existierende Ungleichheiten verstärkt. Kathrin Tschirner hat Sexarbeiterinnen portraitiert. Die meisten sind aus Osteuropa nach Berlin gekommen. Sie hatten keine Wahl, mussten sich dem Corona-Risiko aussetzen.
Sexarbeiterinnen werden in die Kriminalität gedrängt
"Das Geld musste da sein, die Frauen hatten einfach wirklich keine Ressourcen. Und wenn sie essen wollten oder ihren Konsum finanzieren wollten, mussten sie schon weiterarbeiten", sagt Tschirner. "Das war dann nicht offen auf der Straße, das war natürlich im Verborgenen, was auch gefährlich ist. So eine Ahnung hat man schon, wenn jetzt vielleicht auch wieder Sexarbeit kriminalisiert wird. Was macht das mit den Frauen?"
"In Waves – #womenincovid": ein beeindruckendes Projekt von engagierten Fotografinnen, die sich für die Rechte und Chancengleichheit von Frauen einsetzen – auch in Krisenzeiten. Gezeigt wird sie auf einer 90 Meter langen Plakatwand in Berlin. Bilder von 24 Fotografinnen, u. a. von Verena Brüning, Sophie Kirchner und Sina Niemeyer – ein breites Spektrum mit ganz unterschiedlichen Arbeiten.
Stand: 26.09.2021 20:43 Uhr
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