So., 04.12.22 | 23:35 Uhr
Das Erste
"She Said" – Maria Schraders Film über den Weinstein-Skandal
Wie der Missbrauchsskandal um Hollywood-Boss aufgedeckt wurde
Ein mächtiger, bewunderter Filmproduzent, einst eng befreundet mit den Clintons und Obamas und nun bis zur Lächerlichkeit geschrumpft. Durch Anwälte, Schweigeverträge, Beziehungen waren Jahrzehnte lang Belästigungsklagen unterdrückt worden, dann wurden die Stimmen betroffener Frauen plötzlich laut und lauter – und lösten einen weltweiten Orkan aus.
Beginn der MeToo-Bewegung: "Atmosphäre einer Revolution"

Mit Harvey Weinsteins Sturz sprach man plötzlich offen über Einschüchterung, Machtmissbrauch, sexuelle Belästigung in der Filmindustrie – weil Hollywood-Schauspielerinnen wie Rose McGowan an die Öffentlichkeit gegangen waren:
"Man hatte wirklich das Gefühl, es bricht sich etwas mit Wucht Bahn, was zu lange zurückgehalten wurde. Das hatte die Atmosphäre einer Revolution", sagt Regisseurin Maria Schrader über die Weinstein-Enthüllungen in der New York Times, die auch der Beginn der "Metoo"-Bewegung waren.
Hartnäckige Recherchen gegen viele Widerstände
Schrader erzählt in ihrem jüngsten Film "She Said" nun die Geschichte der beiden New York Times-Journalistinnen, Megan Twohey und Jodi Kantor, die die Weinstein-Story trotz aller Behinderungen hartnäckig recherchierten und die düstere Seite des einflussreichen Hollywood-Produzenten ans Tageslicht holten. In einem dichten, spannenden Krimi, in dem erschreckender Weise nichts Fiktion ist.
Die Journalistinnen erfahren von obszönsten Forderungen, von Erpressungen, Vergewaltigungen – doch öffentlich zugeben, will das zunächst keine der betroffenen Frauen. Der Film zeigt, wie die Journalistinnen dann doch eine gesprächsbereite ehemalige Mitarbeiterin von Miramax ausfindig machen, die 25 Jahre zuvor ihren Traumjob beim Film gefunden hatte. Bis sie Weinstein zu einem "Arbeitsessen einlud. Aus großen Hoffnungen wurden für die betroffenen Frauen Traumata, wie Regisseurin Maria Schrader erklärt: "Lebenswege wurden aus der Bahn geworfen, zerstört, und das ist schrecklich."
Investigativ-Thriller als Vorlage des Films

Wie die beiden Journalistinnen versuchen, den Frauen ihre Stimme zurückzugeben, trotz massiver Drohungen und angesichts von Knebelverträgen, hatten Kantor und Twohey 2019 selbst aufgeschrieben. Ihr Investigativ-Thriller wurde zur Vorlage des Films, den Jodi Kantor so gesehen hat:
"Der Film zeigt unsere Arbeit als echte Detektivgeschichte, weil Megan und ich jedwede Art von Beweisen suchten, um die Geschichten der Frauen zu belegen. Wir mussten einen Berg an Beweisen für Frauen wie Ashley Judd und Laura Madden anhäufen, damit das nicht nur eine 'Sie hat gesagt – Er hat gesagt'-Story wird – und sie von Anfang an wasserdicht ist."
2020 wurde Weinstein in New York zu 23 Jahren Haft verurteilt – ohne die Arbeit der Journalistinnen wäre es zu diesem Prozess nicht gekommen. Sie sehen es als Sieg – als Sieg für die Wahrheit.
Spannende Detektivgeschichte ohne Voyeurismus
Auch Deutschland hat sich seitdem verändert. Seit 2018 gibt es die anonyme Vertrauensstelle "Themis", die Mitarbeitende der Film- und Bühnenbranche berät und Schulungen anbietet. Maria Schraders Verfilmung der Geburtsstunde dieser Zeitenwende ist bis zur letzten Minute spannend – ganz ohne jeden Voyeurismus und obwohl man den Ausgang der Geschichte bereits kennt.
"Kein Film über Weinstein"

"She Said" ist eine inhaltsstarke, fesselnde Ode an allein beweisbaren Fakten verpflichtetem Journalismus. Schrader zeigt darin Heldinnen, die eigentlich ganz unheldenhaft sind – mit ihrem Alltag zu ringen haben, und trotzdem den Fokus nicht verlieren.
Schrader möchte ihr Werk so verstanden wissen: "Dies ist kein Film über Weinstein. Dies ist ein Film auch über eine, sagen wir mal, Kraftgewinnung. Wenn Sie sagen, Frauen erzählen von ihrem Martyrium, so erleben wir ja in dem Film trotzdem Momente mit, in denen sie vielleicht das erste Mal vertrauen und diese Geschichte teilen und einen Entschluss fassen."
Autor: Dennis Wagner
Stand: 05.12.2022 11:27 Uhr
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