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Augmented reality im OP

Studentin mit einer VR-Brille
VR-Brillen werden in absehbarer Zeit wohl Standard im OP sein. | Bild: NDR

Künstliche Intelligenz und virtuelle Realität bahnen sich ihren Weg in den Lebensalltag von immer mehr Menschen. Viele Entscheidungen werden längst von Algorithmen getroffen, ohne dass ein Mensch sie noch nachvollziehen könnte. Computerspieler bewegten sich in virtuellen Scheinwelten (second life), die lange Zeit weit von der Realität entfernt schienen. Doch analoge Wirklichkeit und digitale Virtualität verschmelzen längst miteinander – oder besser gesagt: sie ergänzen sich. In der augmented reality, übersetzt bedeutet das so viel wie "erweiterte Realität". Populäres Beispiel war vor ein paar Jahren der Hype um das Spiel Pokemon Go!, als eine ganze Generation sich mit dem Smartphone vor Augen auf Geisterjagd machte.

Verschiedene Einsatzgebiete von Augmented Reality

Nassir Navab
Pionier der neuen Technik ist der Informatik-Professor Nassir Navab. | Bild: NDR

Das Potenzial von Augmented Reality wurde aber auch für verschiedenste "ernsthafte" Einsatzgebiete entdeckt. Beispiel Autoindustrie: Längst im Alltag angekommen sind die Parkhilfen, die über Videospiegel und akustische Warnhinweise unsere real begrenzte Wahrnehmung erweitern, sodass es uns leichter fällt, ohne Schaden auch enge Parklücken zu meistern. Noch etwas Zukunftsmusik, aber sehr beeindruckend sind die Anwendungen, die derzeit für die Medizin entwickelt werden. So wird es voraussichtlich bald Operateure geben, die im wahrsten Sinne des Wortes in den menschlichen Körper blicken ohne ihn vorher aufschneiden zu müssen. Ausgestattet mit "VR-Brillen" (head mounted displays), ultraschnellen Rechnern und entsprechender Software werden Ärzte künftig Details direkt im OP-Gebiet "sehen", für die sie vorher Ultraschall- Röntgen oder MRT-Bilder betrachten, sich deren Information einprägen und gedanklich aufs OP-Gebiet übertragen mussten.

Der Operateur mit Röntgenblick

Virtueller menschlicher Körper
Medizinstudenten können an einem virtuellen Körper forschen. | Bild: NDR

Pionier der neuen Technik ist der Informatik-Professor Nassir Navab. Er entwickelt für die Technische Universität München immer neue Methoden, Operationsmethoden mithilfe der Augmented Reality zu verbessern. Im Moment geht es vor allem um Knieoperationen. Der Arzt kann sich mithilfe seiner VR-Brille exakt im OP-Gebiet orientieren und millimetergenaue Eingriffe planen und durchführen. Dabei scheint er jeden Knochen, jede Sehne, jeden Schaden real vor sich zu sehen, obwohl der Patient noch nicht einmal einen Skalpell-Schnitt hinter sich hat. Dazu muss die Software Daten von zuvor erstellten Röntgen-, CT- oder MRT-Aufnahmen optisch millimetergenau in das dreidimensionale Bild des Körpers einrechnen. Dadurch sieht der Arzt scheinbar die echten Knochen im Bein und kann zum Beispiel ein künstliches Kniegelenk viel präziser einsetzen. Noch ist das Zukunftsmusik.

Nahziel: digital gesteuerte Assistenten

Viel näher an der realen Umsetzung sind derzeit Programme, die auf Sprachbefehl reagieren und in der VR-Brille Informationen anzeigen. Zum Beispiel Anleitungen dazu, wie verschiedene OP-Instrumente vorbereitet und eingesetzt werden. Die Software erläutert das Schritt für Schritt und zeigt auf Kommando Erklärvideos, Grafiken oder Fotos. Durch so ein Infosystem weiß jeder im OP genau, was, wann und wie er es zu tun hat. Im modernen OP werden oft Instrumente eingesetzt, mit denen das Team noch keine Routine hat. Dank Datensichtbrille könnte künftig das zeitraubende Lesen der Gebrauchsanweisung entfallen.

Unblutige Sektion am digitalen Präparat

Studenten sehen ihren eigenen Körper.
Studenten werden bereits an Augmented reality herangeführt. | Bild: NDR

Hochkomplexe technische Entwicklungen müssen gerade in der Medizin viele Tests und Prüfungen bestehen, bevor sie am Menschen angewandt werden dürfen. Deshalb wird es wohl noch ein paar Jahre dauern, bevor Chirurgen mit Augmented Reality Kniegelenke austauschen. Aber schon jetzt nutzen sie die Technik, um Studenten auszubilden. In der Münchener Uni-Klinik wird bereits ein Software-Programm eingesetzt, dass die Forscher um Professor Navab entwickelt haben. Am sogenannten "magic mirror" liefert der Anatomie-Unterricht ganz neue Einblicke. Sowohl dreidimensional, als auch scheibchenweise im Querschnitt. Statt nur an Leichen können die Studenten jetzt auch an ihrem eigenen Körper das Innere des Menschen erforschen. Als Präparat eignen sich besonders Kommilitonen, denn sie sind schnell zur Hand und stehen nach der digitalen Sektion direkt wieder auf.

Autor: Tom Ockers (NDR)

Stand: 15.06.2019 16:58 Uhr

Sendetermin

Sa., 15.06.19 | 16:00 Uhr
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Produktion

Norddeutscher Rundfunk
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