Sa., 28.09.19 | 16:00 Uhr
Das Erste
Wie gefährlich ist die eingewanderte Hyalomma-Zecke?
Sie ist dreimal so groß wie der Gemeine Holzbock, den wir hierzulande kennen, und viel schneller. Die Rede ist von der Hyalomma-Zecke. Eigentlich lebt sie in den Trocken- und Halbtrockengebieten Afrikas, Asiens und Südeuropas. Jetzt taucht sie auch bei uns auf. Für viele Menschen Grund zur Besorgnis, denn die Riesenzecke kann lebensgefährliche Krankheiten übertragen.
Hyalomma-Zecken schleppen fremde Krankheitserreger ein
Die Hyalomma-Zecke trägt andere Erreger in sich als der Holzbock, allen voran das Krim-Kongo-Fieber-Virus. Die Erkrankung kann bei Menschen massive Blutungen im ganzen Körper auslösen und ist schwer zu behandeln. Je nach Virusstamm beträgt die Sterblichkeitsrate zwischen zwei und 50 Prozent. Die exotischen Hyalomma-Zecken können aber noch weitere Krankheitserreger übertragen. So wurden in fast der Hälfte der in Deutschland gefundenen Zecken Rickettsien festgestellt – Bakterien, die das Zecken-Fleckfieber auslösen können. Dabei handelt es sich um einen fieberhaften Infekt mit Kopf- und Muskelschmerzen, extremen Gelenkschmerzen und Hautausschlag. In diesem Sommer gab es in Deutschland den ersten Verdachtsfall: Ein Mann soll sich durch den Biss einer Hyalomma-Zecke mit dem Erreger infiziert haben.
Hyalomma-Zecken haben erstmals in Deutschland überwintert
2015 wurde die Riesenzecke zum ersten Mal in Deutschland gesichtet. Bislang war es eigentlich zu kalt in Deutschland, die Hyalomma-Zecken überlebten den Winter nicht. Doch durch die steigenden Temperaturen und die milderen Winter könnten sich die Tiere hier etablieren. Zeckenforscher der Universität Hohenheim in Stuttgart und des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr sind davon überzeugt, dass die Tiere den letzten Winter erstmalig unbeschadet überstanden haben. Offiziell wurden in den letzten vier Jahren von dem Forscherteam um Prof. Ute Mackenstedt 120 Hyalomma-Zecken registriert, 50 davon allein in diesem Jahr.
Um die Tiere genauer untersuchen zu können und ihre Verbreitung zu erforschen, bitten die Wissenschaftler die Bevölkerung seit einigen Jahren um Mithilfe. Jeder, der eine ungewöhnliche Zecke entdeckt, soll sie den Forschern schicken. Kürzlich erhielt Mackenstedt auf diesem Weg zum Beispiel ein Exemplar von einem Mann aus Nordrhein-Westfalen. Er fand die Zecke saugend in seinem Bauchnabel. Möglichweise hatte er sie im Gepäck aus dem Bosnien-Urlaub mitgebracht. Ein eher unüblicher Weg. Denn vor allem gelangt Hyalomma durch Zugvögel nach Deutschland.
Hyalomma-Zecke verfolgt ihre Opfer
Die Hyalomma Zecke gehört zu den Jagdzecken. Auf der Suche nach einer Blutmahlzeit nimmt sie ihre Beute ins Visier. Sie hat Augen und kann bis zu zehn Meter weit sehen. Hat sie ein Opfer erspäht, verfolgt sie es aktiv, läuft also auf Pferde, Rinder oder auch Menschen zu oder sogar hinter ihnen her – bis zu 100 Meter weit.
Wie verbreitet sind FSME-infizierte Zecken?
Dr. Gerhard Dobler ist Infektionsforscher und gilt als einer der versiertesten Zeckenkenner Deutschlands. Er hat eine Vorhersageformel entwickelt, um bei einer hohen Zeckendichte rechtzeitig warnen zu können – vor allem vor FSME-infizierten Tieren. Entscheidend für die Vorhersage sind die Temperaturen des Vorjahres, die Anzahl der Bucheckern des vorletzten Jahres sowie die Anzahl der Mäuse. Denn: Je mehr Bucheckern, desto mehr Mäuse; und je mehr Mäuse es gibt, desto besser gedeihen Zecken.

Auch 2019 ist ein "starkes" Zeckenjahr und das hatte der Wissenschaftler bereits im Februar vorhergesagt. Doch Gerhard Dobler hat noch eine weitere Entdeckung gemacht. Es gibt FSME-Hotspots. Das sind räumlich extrem begrenzt Areale, in denen mit FSME infizierte Zecken leben. So kann zum Beispiel unter einer Baumgruppe ein Hotspot für das FSME-Virus sein, während nur 20 Meter weiter FSME-freie Zecken leben. Warum das so ist, wissen die Forscher noch nicht.
Wie Zecken bekämpfen?
Besonders in Gebieten mit vielen infizierten Zecken wäre es sinnvoll, Zecken zu bekämpfen, sagt Prof. Ute Mackenstedt von der Universität Hohenheim. Aber wie? Bisher dachten Wissenschaftler, Zecken hätten keine bedeutenden natürlichen Feinde. Vielleicht könnten ja Waldameisen im Kampf gegen die Zecken helfen. Das legt jedenfalls eine Untersuchung der Fachhochschule Bern nahe. Forscher haben herausgefunden, dass in Gegenden mit Waldameisen kaum Zecken vorkommen. In ihrer Untersuchung hat Studienleiterin Dr. Silvia Zingg dafür 26 Waldstellen mit Ameisen mit 26 Stellen ohne Waldameisen verglichen. Die Forschenden entdeckten dabei, dass Waldameisen die lokalen Zeckenvorkommen deutlich reduzieren können. Besonders wichtig für die Wirkung ist die Größe der Nester. Stieg beispielsweise das Volumen eines Ameisennestes von 0,1 auf 0,5 Kubikmeter an, sank die Anzahl Zecken um rund zwei Drittel. Doch woran es liegt, ob die Ameisen oder ihr Gift die Zecken töten oder ob die Zecken die Ameisen bewusst meiden, das weiß man noch nicht. Weitere Forschung ist nötig.
Suche nach Anti-Zecken-Mittel

Auf der Suche nach einem Mittel gegen die Spinnentiere ist auch Prof. Mackenstedt. Sie erforscht verschiedene Gifte. Am bislang erfolgreichsten erwies sich dabei ein Pilz, der für Zecken tödlich ist. Als Granulat kann der Pilz verstreut werden. Den Kügelchen ist außerdem als Zeckenlockstoff CO2 zugesetzt, das nach dem Ausbringen entweicht. Das Granulat müsste nun im Feldversuch getestet werden, doch dafür fehlen Forschungsgelder.
Dabei wäre es wichtig zu wissen, ob der Pilz zum Beispiel auch gegen die gefährliche Hyalomma-Zecke wirkt. Denn dass sich die Hyalomma-Zecken und auch andere Arten weiter bei uns ausbreiten werden, davon sind alle Experten überzeugt.
Autoren: Stephanie Krüger und Wolfgang Zündel (hr)
Stand: 28.09.2019 17:31 Uhr