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Grabsteine der Zukunft mit QR-Codes?

Steinmetz Andreas Rosenkranz scannt einen QR-Code
Steinmetz Andreas Rosenkranz scannt einen QR-Code. | Bild: SWR

Mit 19 Jahren hat sich Andreas Rosenkranz entschieden, Steinmetz zu werden. Er wollte selbst gestalten, mochte es, über Tage an einem Stein zu klopfen und individuelle Gedenken in den Stein zu meißeln, sagt er: "Es ist schon auch immer eine Herausforderung über den Angehörigen Dinge zu erfahren und zu versuchen, das gestalterisch umzusetzen." Doch für dieses Gestalten hat er oft keinen Platz mehr. Denn durch die vielen Feuerbestattungen sind große Grabsteine selten geworden, Die meisten wollen für die kleine Urne keinen großen Stein mehr.

Auf kleinen Grabsteinen ist kein Platz für individuelle Gedenken

Kalkstein mit Schablone
Andreas Rosenkranz bemalt die Schablone des QR-Codes. | Bild: SWR

Um weiterhin persönlichen Geschichten in Stein arbeiten zu können, musste Andreas Rosenkranz innovativ werden. 2008 hört er, dass in Japan Metallplaketten mit QR-Codes an Grabsteinen befestigt werden. Codes also, die mit dem Handy gescannt werden und dann auf eine Internetseite führen. "Ich fand die Meldung sehr skurril. Damals gab es ja mobiles Internet in Deutschland in der Form nicht und das Auslesen von QR-Codes war mehr als exotisch." Doch dann kam mit dem Smartphone die Initialzündung für die Entwicklung des mobilen Internets. "Das war der eigentliche Auslöser, diese Idee aufzugreifen", erzählt Rosenkranz.

Stichwort QR-Code:
Vom Englischen: "Quick-Response" – schnelle Antwort. Ein Code, der mit dem Handy ausgelesen werden kann und dann auf eine Website führt.

Computer statt Meißel

QR-Code am Grab
QR-Code am Grab von Yannick. | Bild: SWR

Andreas Rosenkranz tauscht – zumindest kurzfristig – die Werkstatt mit dem Bürostuhl. Am Computer entwirft er einen QR-Code, kopiert ihn auf eine Folie, die er auf einen Kalkstein klebt. Mit Sandstrahlen vertieft er die Bereiche, die dann zum QR-Code werden. Für ihn sind QR-Codes eine zeitgemäße Möglichkeit der Trauer: "Die QR-Codes ermöglichen es den Angehörigen erstmals, eigenständig ihr Gedenken an den verstorbenen am Ort der Bestattung zu generieren." Denn die Website, zu der der Code führt, wird von den Angehörigen individuell gestaltet. Jeder, der das Grab besucht, kann über den Code dann in eine ganz besondere Welt eintauchen.

Mithilfe des Smartphones kann jeder den Verstorbenen kennenlernen

QR-Codes für Grabsteine
Vielfältige Möglichkeiten: Die QR-Codes von Andreas Rosenkranz. | Bild: SWR

Zum Beispiel in die von Yannick aus Bad-Ems: 2011 ertrank der damals 20-Jährige bei einem Surfurlaub im Atlantik. Besucht man sein Grab, liegt darauf ein Stein mit QR-Code – hergestellt in der Werkstatt von Andreas Rosenkranz. Jeder, der Yannicks Grab besucht, kann den Code scannen und gelangt so auf eine Website, die von Yannicks Leben erzählt: Bilder, Videos, Lebenslauf. Für Yannicks Vater, Torsten Wohlkittel, war der QR-Code wichtig, um sich mit dem frühen Tod seines Sohns auseinanderzusetzen: "Ich denke er wäre mit uns sauer gewesen, wenn wir Stiefmütterchen drauf gepflanzt hätten. Und so denke ich mal, ist er stolz auf uns."

Veränderte Trauerkultur im digitalen Zeitalter

Über 70,000 Besuche hatte Yannicks Trauerseite allein im ersten Jahr. Für Andreas Rosenkranz ein Zeichen, dass er mit seinem QR-Angebot richtig liegt. "Eine solche Trauerseite aufzurufen ist etwas, das selbstverständlich ist. Nichts das skurril ist. Insofern kann man sagen, dass sich Trauer oder Trauerkultur in unserer digitalen Zeit eben auch verändert." Andreas Rosenkranz hat einen Weg gefunden, verborgene Geschichten hinter Grabsteinen sichtbar werden zu lassen – egal, wie groß die Steine sind. Und zeigt damit, wie Trauerkultur im 21. Jahrhundert aussehen kann.

Autorin: Helena Offenborn (SWR)

Stand: 24.11.2018 15:38 Uhr

Sendetermin

Sa., 24.11.18 | 16:00 Uhr
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Bayerischer Rundfunk
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