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Wie Holzfirmen im Kongo Gorillas schützen

Gorillajunges
Wildtiere unterscheiden nicht zwischen einem Nationalpark und dem Wald einer Holzfirma. | Bild: Colourbox

Der Norden der Republik Kongo in Zentralafrika ist bedeckt von uralten Regenwäldern. Doch die Region ist kein unberührtes Paradies mehr. Straßen führen in einst unzugängliche Gebiete. Immer tiefer dringen Menschen in die Wälder vor, auf der Suche nach wertvollen Tropenhölzern. Doch bedeutet die Bewirtschaftung des Waldes nicht unweigerlich seine Zerstörung – und das Ende bedrohter Tierarten wie der seltenen Flachlandgorillas?

Im Norden der Republik Kongo ist eine Holzfirma aktiv, die das Gegenteil beweisen will. Sie behauptet, sie produziere kostbares Tropenholz, ohne den Regenwald zu zerstören. Und nicht nur das: Die riesigen Forste des Unternehmens seien darüber hinaus eine sichere Heimat für vom Aussterben bedrohte Menschenaffen – die westlichen Flachlandgorillas. Schätzungsweise 316.000 dieser großen Affen leben noch in den Wäldern Zentralafrikas, die meisten in der Republik Kongo. Viele von ihnen streifen durch den ältesten Nationalpark Afrikas, den Park Odzala-Kokoua. Doch das arme Land kann es sich nicht leisten, seine riesigen Waldgebiete komplett unter Schutz zu stellen. Es ist auf den Verkauf von Forstkonzessionen an Holzunternehmen angewiesen, die damit das Recht erhalten, das Holz in diesen Waldgebieten zu nutzen.

Holzfirma und Nationalpark als Nachbarn

Waldarbeiter sägt mit Kettensäge in riesigen Baumstamm
Holzarbeiter im Wald der IFO. | Bild: WDR

Der Nationalpark Odzala-Kokoua grenzt direkt an eine solche Forstkonzession. Nur eine Nationalstraße trennt ihn vom Wald der IFO, der "Industrie forestière d’ Ouesso". Mit 11.600 Quadratkilometern ist es die größte Forstkonzession im Land, halb so groß wie Mecklenburg-Vorpommern. Und natürlich will die IFO mit der Konzession Geld verdienen. Doch Wildtiere unterscheiden nicht zwischen einem Nationalpark und dem Wald einer Holzfirma, beide Gebiete sind Heimat der Gorillas. Viele Tiere wandern zwischen Nationalpark und Forstkonzession hin- und her. Im Wald der IFO begegnen sie regelmäßig Arbeitern, die Bäume fällen. Allerdings müssen sich die Holzfirmen dabei an Regeln halten, die der Staat ihnen vorgibt.

Arbeiten nach Forstmanagementplan

Zwei Männer schauen auf eine Karte.
Die IFO arbeitet nach einem strengen Forstmanagementplan. | Bild: WDR

Die Auflagen, nach denen die IFO arbeiten muss, sind streng: Sie muss nach einem Forstmanagementplan vorgehen und die Konzession in 30 verschiedene Zonen einteilen. Jedes Jahr darf sie nur in einer der Zonen arbeiten, der Wald hat dann 30 Jahre Zeit zu regenerieren, bevor die Arbeiter in diese Zone zurückkommen. Auch darf die IFO den Regenwald nicht kahl schlagen. Nur einen Baum auf einer Fläche von zwei Fußballfeldern dürfen die Arbeiter dem Wald entnehmen. Zonen, in denen besonders viele Gorillas leben, muss die Firma komplett in Ruhe lassen.

"Ein gefällter Baum bedeutet nicht automatisch, dass der Wald zerstört wird", gibt Jean-Paul Belinga, Forstingenieur bei der IFO, zu bedenken. "Denn wir fällen längst nicht alle Bäume. Wir dürfen nur Bäume mit einem bestimmten Mindestdurchmesser entnehmen, die wir in unserem Forstmanagementplan berücksichtigt haben. Das ist also keine Zerstörung, das ist eine Form von Ernte und absolut verantwortlich. Mit den geringstmöglichen Schäden."

Holz mit Öko-Siegel

Patric Darcis, der Leiter Nationalparks des Odzala-Kokoua steht vor seinem Quartier.
Patric Darcis, der Leiter des Nationalparks Odzala-Kokoua. | Bild: WDR

Die IFO ist eine von zwei Firmen, die in der Republik Kongo nach den Regeln des FSC arbeitet. Der Forest Stewardship Council ist eine Nichtregierungsorganisation, die verantwortungsbewusst wirtschaftende Holzfirmen mit einem Siegel für ökologische und soziale Waldnutzung auszeichnet. Unabhängige Kontrolleure prüfen einmal pro Jahr, ob sich die Firma auch wirklich an alle Auflagen hält. Wenn das der Fall ist, darf das Unternehmen seine Tropenholzprodukte mit dem Siegel des FSC weltweit verkaufen.

Doch warum folgt die IFO überhaupt solchen Regeln? Sie reagiert damit zum einen auf den Druck von Naturschützern. Zum anderen zahlt sich das nachhaltige Wirtschaften auf lange Sicht aus. Denn durch den selektiven Einschlag kann sich der Wald erholen und die IFO auch noch in Jahrzehnten den Wald nutzen.

Ein Wald als Arbeitgeber

Die IFO ist mit 1.000 Beschäftigten der größte Arbeitgeber der Region. Für Patric Darcis, den Leiter des Nationalparks Odzala-Kokoua, funktioniert die Nachbarschaft mit der Holzfirma sehr gut. Auch weil die Holzfirma dem Wald einen Wert gibt, und es sich damit lohnt, ihn zu erhalten. "Die Republik Kongo ist ein Land, das sich rasend schnell entwickelt und dafür seine natürlichen Ressourcen braucht", erklärt Darcis. "Wir müssen den staatlichen Behörden daher einen Weg vorschlagen, um diese Ressourcen nachhaltig zu nutzen. Die Alternative wäre: Goldminen und totale Zerstörung. Holzfirmen können hingegen perfekt mit einem Nationalpark zusammenarbeiten, um den Naturschutz voranzutreiben."

Problem Buschfleisch

Uniformierte Wildhüter kontrollieren Autos auf Buschfleisch.
Eco-Guardes kontrollieren, ob die Jagdgesetze eingehalten werden. | Bild: WDR

Doch ist wirklich alles ein großer Gewinn, für Wald, Tiere und Menschen gleichermaßen? Natürlich gibt es auch Probleme. Immer mehr Menschen leben in den einst wenig besiedelten Gebieten. Wo die Bevölkerung wächst, wird mehr gejagt. Daher kontrollieren Wildhüter des Nationalparks die Nationalstraße. Die "Eco-Gardes" sehen Hunderte getötete Meerkatzen und kleine Antilopen Tag für Tag. Die Jagd auf diese nicht geschützten Tierarten ist außerhalb des Nationalparks legal – solange sich die Leute an die Jagdgesetze halten. Streng geschützte Arten wie Gorillas dagegen dürfen nicht getötet werden – und die Eco-Gardes stellen mit ihren Kontrollen sicher, dass sich die Bevölkerung auch daran hält. Auch die IFO hat sich verpflichtet, Eco-Gardes zu bezahlen. Doch reicht das aus, um den Gorillabestand im Wald zu erhalten?

Bestände bleiben stabil

Unabhängige Wissenschaftler der US-amerikanischen "Wildlife Conservation Society" haben die Tiere in der IFO-Konzession zweimal gezählt. Bei der ersten Zählung im Jahr 2007 lebten 70.000 Gorillas im Wald der IFO. Bei der zweiten Zählung sieben Jahre später hat sich ihre Zahl kaum verändert. Es ist die größte Population der Westlichen Flachlandgorillas überhaupt. Im Wald des Holzunternehmens leben damit mehr Gorillas als in jedem Nationalpark und jeder anderen Forstkonzession. "Die Zusammenarbeit scheint zu funktionieren", freut sich Anthony Agbor, der Primatologe des Nationalparks Odzala-Kokoua. "Die Tiere überleben in den zertifizierten Forsten. Die Holzfirmen unterstützen den Naturschutz. Und sie steigern die Aufmerksamkeit, dass etwas für den Erhalt der bedrohten Tiere getan werden muss. Das geht alles Hand in Hand."

Autoren: Thomas Weidenbach/Frank Nischk (WDR)

Programm-Tipp:
Die ausführliche Dokumentation zeigt Arte am 24. Juni um 18:35 Uhr. Paradiese mit Zukunft: Kongo – Schutz für den Gorillawald.

Buch-Tipp
Central African Forests Forever (engl. und franz.)
www.centralafricanforests.org/

Stand: 31.05.2019 10:48 Uhr

Sendetermin

Sa., 01.06.19 | 16:00 Uhr
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Norddeutscher Rundfunk
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