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Falsche Lkw-Abgaswerte durch Manipulation

Lkw-Fahrer beim Abendessen zwischen Lkw auf einem Rastplatz.
Osteuropäische Lkw sind oft in Westeuropa stationiert, nur die Fahrer werden regelmäßig ausgetauscht. | Bild: BR

Täglich sind 1,3 Millionen Lkw auf deutschen Autobahnen unterwegs. Jetzt schon verstopfen sie die Straßen. Nach einer Studie des Verkehrsministeriums soll der Lkw-Verkehr bis 2025 noch um 84 Prozent zunehmen. Dabei zeigt die Mautstatistik, der Anteil an in Deutschland gemeldeten Fahrzeugen nimmt stetig ab, dafür sind immer Fahrzeuge aus Osteuropa unterwegs.

Billigpreise durch Sozialdumping

Die osteuropäischen Länder sind aber nicht zu Deutschlands wichtigsten Handelspartnern geworden, sondern sie bieten Frachtpreise, die um 10 bis 20 Prozent günstiger sind, als die hiesiger Unternehmen. Billigpreise, die auch durch Sozialdumping möglich werden. 

Osteuropäische Lkw sind oft in Westeuropa stationiert, nur die Fahrer werden regelmäßig ausgetauscht. Mit Minibussen werden sie aus ihrer Heimat zu den Lkws gebracht. Dabei sagen die Nummernschilder nur noch bedingt etwas darüber aus, in welchem Land die tatsächlichen Eigentümer sitzen. Auch die Schriftzüge auf den Planen verraten nicht immer, wer tatsächlich den Anhänger zieht.

Logistikfirmen wie DHL oder DB Schenker, die führenden Firmen im europäischen Landverkehr, vergeben viele Aufträge komplett an Subunternehmer, die sie in ihrem Namen ausführen. Auf dem Papier lässt man sich bescheinigen, dass gesetzliche Regelungen eingehalten werden, doch nicht nur Fahrer klagen, dass die Einhaltung der Sozialvorschriften vor allem in Deutschland viel zu wenig kontrolliert wird.

Monatelang im Lkw unterwegs

Raymond Lausberg bei einer Kontrolle
Hauptinspektor Raymond Lausberg kämpft seit Jahren gegen die schlechten Arbeitsbedingungen der Fernfahrer. | Bild: BR

Gezahlt wird den osteuropäischen Fahrern häufig der heimatliche Mindestlohn von wenigen Hundert Euro und dazu Spesen oder Zulagen, auch wenn sie oft wochen- oder gar monatelang nur durch Westeuropa fahren. Eigentlich ist es im EU-Recht nicht vorgesehen, dass Fahrer aus der Slowakei, Polen, Ungarn oder Rumänien monatelang am Stück auf westeuropäischen Straßen unterwegs sind und dabei permanent im Fahrerhaus übernachten. Statt dessen sollen sie maximal 14 Tage am Stück Fracht befördern und sich danach wieder in ihrer Heimat erholen. Doch viele Spediteure umgehen die Regelung. Inzwischen ist es die Regel, dass Fahrer aus Osteuropa drei Monate und länger unterwegs sind, ohne ein Hotel aufzusuchen.

In Belgien leitet Raymond Lausberg die Schwerlastkontrollgruppe der Autobahnpolizei in Battice. Der Hauptinspektor kämpft seit Jahren gegen die schlechten Arbeitsbedingungen der Fernfahrer. Für seinen besonderen Einsatz hat er sich in Fernfahrerkreisen mittlerweile einen Namen gemacht. Mit einer Kontrollsoftware auf dem Laptop liest er die digitalen Tachos der Lkw aus. Auf einen Blick kann er sehen, wie lange und wo die Fahrer unterwegs waren. Immer wieder stoppt Lausberg osteuropäische Fahrer, die zwei, drei Monate lang am Stück in Westeuropa unterwegs sind. Er ist davon überzeugt, dass nicht nur die Einhaltung der Ladungsvorschriften den Verkehr sicherer machen, sondern auch die Einhaltung sozialer Vorgaben.

Betrug mit AdBlue-Emulatoren

Andreas Mossyrsch versteckt einen Emulator
Ein Emulator ist zwischen den dicken Kabelsträngen praktisch nicht zu finden. | Bild: BR

Andreas Mossyrsch leitet den Transportverband Camion Pro, in dem kleine und mittelständische Speditionen organisiert sind. Da diese unter der Billigkonkurrenz extrem zu leiden haben, engagiert er sich besonders für die Aufklärung illegaler Machenschaften, die Dumpingpreise möglich machen. Bereits vor zwei Jahren hat er bei seinen Recherchen in Rumänien von der Möglichkeit erfahren, die AdBlue-Anlage moderner Lkw durch sogenannte Emulatoren lahmzulegen. Andreas Mossyrsch hatte umgehend das Bundesverkehrsministerium informiert, doch bis heute findet er, dass verantwortliche Stellen sich viel zu wenig für geeignete Kontrollmaßnahmen einsetzen.

AdBlue ist ein Zusatzstoff, den moderne Dieselmotoren zur Abgasreinigung in die Auspuffanlage einspritzen. Dadurch kann der Ausstoß schädlicher Stickstoffoxide um rund 80 Prozent reduziert werden. Emulatoren sind elektronische Bauteile, die dem Lkw vorgaukeln, mit AdBlue zu fahren. Tatsächlich aber wird die Anlage schlicht lahmgelegt. Damit werden vermeintlich saubere Fahrzeuge zu wahren Dreckschleudern.

Illegale Mehrgewinne und Betrug bei Mautzahlungen

Ältere Emulatoren, bei denen die Elektronik in einem gut sichtbaren Kästchen verbaut ist, sind von der Polizei noch einfach zu finden. Schwierig wird es bei neueren Modellen. Sie können leicht in Kabelsträngen versteckt werden. Aber sie sind nicht nur optisch schwer zu finden, sie enthalten auch Mogelsoftware, die die Diagnosegeräte der Polizei, des Bundesamts für Güterverkehr oder auch einer Fachwerkstatt schlicht austrickst. Sie kann sogar potenzielle Prüfsituationen erkennen und entsprechend darauf reagieren. Dann gibt es noch die allerneuste Generation die komplett unsichtbar ist. Es ist eine Emulatoren-Software, die aus dem Netz heruntergeladen und direkt in die Borelektronik des Lkw eingespielt wird.

Mit Emulatoren sparen sich die Betreiber der Lkw die Kosten für AdBlue und erzielen so illegale Mehrgewinne. Sie betrügen zudem bei Mautzahlungen, da sie vorgeblich mit schadstoffarmen Lkw fahren. Messungen des Instituts für Umweltphysik der Universität Heidelberg ergaben, dass 20 Prozent aller Lkw aus Osteuropa verdächtige Abgaswerte haben. Dies würde ein Mautbetrug in einer Höhe von 110 Millionen Euro bedeuten und etwa 14.000 Tonnen Stickoxide mehr im Jahr.

Autorin: Susanne Roser (BR)

Lesetipp
Die Spur der Laster. Am Dienstag bist Du tot!
Jan Bergrath
Kontrast-Verlag, Pfalzfeld 2017
ISBN  9783941200593
176 Seiten
9,90 Euro

Krimi des Fachjournalisten Jan Bergrath, um einen skrupellosen Geschäftsführer, der seine osteuropäischen Fernfahrer rücksichtslos ausbeutet.

Stand: 03.08.2019 04:50 Uhr