Sa, 10.09.16 | 04:20 Uhr
Das Erste
Schmetterlinge in Gefahr
Wissenschaftler weltweit warnen vor einem dramatischen Schmetterlingssterben. Dabei sind Schmetterlinge nicht nur wunderschön zum Anschauen, sondern überaus wichtig für das gesamte Ökosystem: sie gehören zu den Fluginsekten, die sich von Nektar und Pollen ernähren und damit Blüten bestäuben. Fast 90 Prozent der Wildblumen sind von dieser Bestäubung abhängig. Weltweit könnten sich 75 Prozent unserer Nutzpflanzen, wie Obst und Gemüse, ohne Bestäubung durch Insekten nicht fortpflanzen. Und es gibt Pflanzen, die nur von Schmetterlingen mit ihrem langen Saugrüssel bestäubt werden können.
"Monitoring" von Schmetterlingen am Keilberg bei Regensburg

Andreas Segerer ist in Regensburg aufgewachsen. Schon als kleiner Junge kam er, so oft es die Witterung erlaubte, zum Keilberg, der mit seinem Magerrasen ein perfektes Habitat für Schmetterlinge ist. Später setzte er als Biologe seine regelmäßigen Beobachtungen fort. Seine Bilanz ist erschütternd: Noch nie hat er so wenig Schmetterlinge gezählt, wie im Sommer 2016. Das Wetter mag ein Grund sein, denn die Bestände schwanken witterungsbedingt von Jahr zu Jahr. Um wissenschaftlich relevante Aussagen zu machen, muss man die Arten und Populationen jedoch über lange Zeiträume beobachten. Das ist hier am Keilberg geschehen. Seit 1766 dokumentieren Forscher Schmetterlinge nach Art und Zahl.
Rückgang von Schmetterlingsarten im Naturschutzgebiet?

Der Keilberg ist mit seinem Kalkboden und den seltenen Gräsern und Blumen ein perfektes Habitat für Schmetterlinge. Deshalb kamen seit dem Jahr 1766 Experten hierher und zeichneten auf, welche Schmetterlingsarten sie entdecken – aufzeichnen im wahrsten Sinne des Wortes, denn es gab damals ja keine Fotografie. Daher fertigten die Schmetterlingsliebhaber naturgetreue handkolorierte Zeichnungen von jedem einzelnen Insekt. Heute kann man sie in den prachtvollen Bänden in der Zoologischen Staatssammlung München bestaunen.
Die Zusammensetzung der Schmetterlingsarten hat sich verändert

In den vergangenen Jahren fand Andreas Segerer beim Monitoring am Keilberg hauptsächlich "Allerweltsfalter" – Schmetterlinge, die als sogenannte Generalisten keine bestimmten Umweltbedingungen zum Überleben benötigen. Habitatspezialisten, wie z.B. das Beilfleckwidderchen brauchen bestimmte Futterpflanzen für ihre Raupen. Klimawandel und vermehrter Stickstoffeintrag über die Luft haben die Pflanzenwelt – sogar in Naturschutzgebieten – verändert. Damit fehlen oft die nötigen Futterpflanzen. Das ist eine der Ursachen, warum die Zahl der Spezialisten drastisch abgenommen hat.
Der Ökologe Jan Christian Habel hat die Aufzeichnungen, die über einen Zeitraum von über 200 Jahren am Keilberg gesammelt wurden, wissenschaftlich ausgewertet. Das Ergebnis: 30 Prozent der Arten sind innerhalb dieses Zeitraums am Keilberg verschwunden. Und das in einem Naturschutzgebiet. Wie ist das möglich? Um dieser Frage nachzugehen, forscht der Ökologe in einem Naturschutzgebiet bei Freising – wie der Keilberg ein Magerrasen-Gebiet. Luftaufnahmen geben dabei einen genauen Überblick über das Gebiet.
Kein Austausch zwischen Schmetterlingshabitaten

Bei schönem Wetter kommen Studenten von Jan Christian Habel in das Naturschutzgebiet. Sie fangen Schmetterlinge, markieren sie und setzen sie wieder frei. Später fangen sie sie an verschiedenen Orten wieder ein. Durch die Markierung können sie nachvollziehen, wohin die Schmetterlinge geflogen sind. Jan Christian Habel hat mit dieser Methode herausgefunden, dass Schmetterlinge ihr Habitat nicht verlassen – und das, obwohl sie weitere Strecken zurücklegen könnten. Seine Erklärung: Das Naturschutzgebiet ist von riesigen landwirtschaftlichen Flächen umgeben, die die Falter offensichtlich nicht überwinden können. Daher kommt es auch zwischen nahegelegenen Schmetterlingshabitaten zu keinem Austausch von Falterarten. Dieser Austausch wäre aber nötig, wenn zum Beispiel eine Population wegen einer Schlechtwetterperiode zusammenbricht.
Autorin: Angelika Lizius (BR)
Stand: 12.07.2019 17:38 Uhr