Mi., 27.09.17 | 03:45 Uhr
Das Erste
Wertvoller Boden auf der Müllkippe
Überall in Deutschland wird ständig gebaut: Straßen, Wohnungen, Industriegebiete. Bauen ist ein Ausdruck von Wachstum, von Erfolg einer prosperierenden Region. Und weil neue Infrastruktur neue Möglichkeiten bietet, zieht sie weitere Menschen an, sodass scheinbar immer weiter gebaut werden muss. Wie eine Bremse für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung scheint da die Forderung von Bodenschützern, den Flächenverbrauch zu stoppen. Sie warnen schon lange vor der anhaltend starken Versieglung unserer Böden und kritisieren, dass bei den Bauentscheidungen, die zum Verlust von Böden führen, häufig nicht deren wichtige Funktionen bedacht werden.
Kampf um die Flächen
Da die Gesamtfläche von Deutschland nicht vergrößert werden kann, konkurrieren Wirtschaft, Verkehr, Wohngebiete, Forsten und Landwirtschaft ständig um die Flächen. Die Bautätigkeit ist am größten in und unmittelbar an bestehenden Ortschaften, wo deshalb oft unsere besten Bödenverloren gehen. Denn man hat sich in der Vergangenheit häufig dort niedergelassen, wo die Qualität der Bödenstimmte. In einer Zeit ohne Kunstdünger und künstliche Bewässerung, konnte man nur durch die Standortwahl für guten Boden und ausreichend Wassersorgen, die für das Wohl einer Gemeinschaft ausschlaggebend waren. Nach und nach sind die Orte dann gewachsen und immer mehr Äcker und Felder mussten weichen. Diese Entwicklung hält im Prinzip bis heute an. Nach wie vor haben vor allem die Landwirte das Nachsehen beim Kampf um die Flächen. Dabei verliert die Landwirtschaft in vielen Regionen meist doppelt an Boden, weil für jeden Acker der versiegelt wird, außerdem noch ein ökologischer Ausgleich geschaffen werden muss. Das bedeutet in der Regel, dass weitere landwirtschaftliche Nutzflächen stillgelegt werden, um sie der Natur wieder als Lebensraum zurückzugeben.
Verlust an Wasserspeicher

Neben dem Verlust an Äckern gehen uns bei der Versieglung des Bodens auch wichtige Wasserspeicher verloren, denn erstens kann das Wasser nicht mehr in versiegelten Boden eindringen und muss oberflächlich ablaufen und zweitens kann es nicht in den darunterliegenden Bodenschichten gespeichert werden. Gerade bei Starkniederschlägen geht es darum, dass die Wassermengen schnell in den Boden eindringen und dort gehalten werden, statt an der Oberfläche zu riesigen Mengen zusammenzufließen und so selbst zahme Bäche innerhalb kürzester Zeit in reißende Flüsse zu verwandeln. Diese Zusammenhänge sind offensichtlich, werden aber bei Bauprojekten immer wieder ignoriert.
Über 1.000 Quadratkilometer in zehn Jahren versiegelt
Die politischen Entscheider in Bund und Ländern haben die Gefahren erkannt und sich deshalb das Ziel gesetzt, die Fläche, die pro Tag zum Bauen freigegeben wird, bis 2020 auf 30 Hektar zu begrenzen. Ein Ziel, das im Moment unerreichbar scheint, denn noch ist der Flächenverbrauch mehr als doppelt so hoch. Jeden Tag wird in Deutschland eine Fläche zu Bauland erklärt, die mehr als 100 Fußballfelder beträgt. In den letzten zehn Jahren wurden so insgesamt 1.082 Quadratkilometer versiegelt. Das entspricht einer Fläche, die ungefähr halb so groß ist wie das Saarland oder zweimal so groß wie der Bodensee. Auch wenn der Verbrauch in den letzten zehn Jahren zurückgegangen ist, warnt das Umweltbundesamt eindringlich vor dieser Entwicklung.
Wie lebendiger Boden zu Abfall wird

Boden kann bei Bauprojekten zweimal verlieren: Das erste Mal, wenn er von oben versiegelt wird und das zweite Mal, wenn die Erde, die abgebaggert wurde, keiner neuen Verwendung zugeführt wird. Es ist nämlich häufig so, dass durch den großen Zeit- und Kostendruck bei Bauprojekten nicht ausreichend nach neuen Verwendungsmöglichkeiten für die Erde gesucht wird und man sie deshalb kurzerhand auf eine Deponie fährt. Dort wird ihre Hohlraumstruktur allerdings durch die Baufahrzeuge so stark verdichtet, dass die Erde ihre natürlichen Funktionen nicht mehr wahrnehmen kann und so quasi zu Abfall wird. Zwar gibt es ein Bodenschutzgesetz, aber in der täglichen Umsetzung auf der Baustelle fehlt es oft sowohl den Bauherren, als auch den Bauarbeitern an dem entsprechenden Bewusstsein und den Fachkenntnissen, um nützliche Erdschichten beim Ausbaggern zu erkennen, sie fachgerecht zwischenzulagern und anschließend einer geeigneten Verwendung zuzuführen.
Bodenkundler beraten

Hier können Bodenkundler helfen, die Auflagen des Bodenschutzgesetzes an Baustellen in der Planungs- und in der Bauphase umzusetzen, damit der Verlustan kostbarer Erde auf ein Minimum reduziert wird. So wird wichtige Wasserspeicherkapazität erhalten oder zum Beispie lfür einen mageren Acker gute, neue Erde gewonnen.

Für Landwirte und Bauherren ist dies häufig eine Win-Win-Situation. Da bei solchen Erdverschiebungen allerdings großes Gerät zum Einsatz kommt, solltend iese Maßnahmen unbedingt vom Bodenkundler geplant und überwacht werden, da es sonst ebenfalls zu Bodenverdichtungen kommen kann, die zum Beispiel einen Acker, auf den neue Erde aufgebracht wird, bei unsachgemäßer Ausführung ruinieren können.
Autor: Jörg Wolf (SWR)
Stand: 28.08.2020 16:54 Uhr