Fr., 21.12.18 | 05:00 Uhr
Das Erste
Wann ist die richtige Zeit für Sport?

Joggen im Morgengrauen, in der Mittagspause Kajakfahren und nach der Arbeit schnell noch ins Fitnessstudio, das 24 Stunden geöffnet hat: Wir Deutschen sind sportverrückt und haben die Möglichkeit rund um die Uhr zu trainieren. Doch ist Sport zu jeder Tageszeit gleich effektiv? Oder gibt es eine ideale Zeit fürs Training?
Die Suche nach der besten Trainingszeit

An der Uni Basel sind Prof. Arno Schmidt-Trucksäss und sein Team diesem Rätsel auf der Spur. Dabei haben sie den Biorhythmus – unsere innere Uhr – im Blick. Rund 60 Prozent der Deutschen zählen zu den sogenannten Chrono-Normaltypen: Die geistige Leistungsfähigkeit ist bei ihnen zwischen 10 bis 12 Uhr und 16 bis 18 Uhr am höchsten. Doch gilt dieses Leistungshoch auch für unsere Ausdauerfähigkeit? Machen dann auch die Muskeln weniger schnell schlapp? Genau das möchte Arno Schmidt-Trucksäss mit seiner Ausdauerstudie herausfinden. Dafür testet er seine Studienteilnehmer zu sechs unterschiedlichen Uhrzeiten bei einem Zeitrennen auf dem Fahrrad-Ergometer. Dabei erfasst der Forscher unter anderem Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung und den Laktatwert im Blut.
Haben Muskeln zu einer bestimmten Tageszeit mehr Kraft?

Ob bestimmte Muskelgruppen zu einer speziellen Tageszeit mehr Kraft haben, erforscht sein Kollege Ralf Roth. Bisher gehen Forscher davon aus, dass Chrono-Normaltypen zwischen 16 und 19 Uhr die beste Leistung beim Sport erzielen. Das ist die Zeit, in der unsere Körpertemperatur leicht erhöht ist und unser Stoffwechsel auf Maximalleistung läuft. Das ist so, als ob der Körper schon automatisch aufgewärmt ist und sofort 100 Prozent geben kann, wenn das Training beginnt. Doch bei der Kraftstudie trifft das nicht zu. Die Sportler haben zu ganz unterschiedlichen Uhrzeiten ihre Leistungshoch – obwohl alle Chrono-Normaltypen sind. Das bedeutet, dass jeder seinen eigenen Trainingszeitpunkt am Tag hat, bei dem er optimaler Weise trainieren sollte und sich auch am besten fühlt.
Mittags und abends kommt das Leistungstief

Ganz ähnlich sieht es mit der Ausdauerleistung aus. Aber es gibt eine Tageszeit, bei der tatsächlich alle Probanden schwach abschneiden – und zwar um 13 Uhr. Das liegt vermutlich am Mittagstief. Der Körper wird müde und braucht Energie. Nach dem Essen muss der Körper dann verdauen. Auch ab 22 Uhr geht es in puncto Leistungsfähigkeit bei vielen bergab. Das Herz-Kreislauf-System wird runtergefahren, der Körper bereitet sich auf den Schlaf vor. Gerade für Spitzensportler ist das ein Problem, denn Sportveranstaltungen und Wettkämpfe finden meist spätabends zur Primetime im Fernsehen statt. Doch Arno Schmid-Trucksäß und Raphael Knaier haben ein Mittel gefunden, um die sportliche Leistung am Abend anzukurbeln: Licht-Duschen.
Mehr Leistung durch Licht-Duschen?

Das blaue, sogenannte melanopische Licht, hat einen Effekt auf die Ganglienzellen auf der Netzhaut. Diese aktivieren einen bestimmten Teil im Gehirn, der den Wachheitsgrad beeinflusst und die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin unterdrückt. Arno Schmidt-Trucksäß und Raphael Knaier vermuten, dass durch Licht mit einem hohen Blauanteil auch die Ausdauerleistung beim Sport erhöht wird. In ihrer Studie teilten sie 74 Probanden zufällig in drei Gruppen ein. Eine Gruppe wurde eine Stunde Licht mit hohem Weißanteil, die zweite Gruppe Licht mit hohem Blauanteil und die dritte normalem Raumlicht ausgesetzt. Unmittelbar nach der Belichtung folgte der Leistungstest, ein Zeitrennen auf dem Fahrrad-Ergometer. Das Ergebnis: Die Sportler sind nach der Blaulichtbestrahlung tatsächlich leistungsstärker – allerdings nur im Endspurt, wenn sie nochmal richtig Gas geben müssen. Bei dem Zeitfahren über zehn Kilometer waren vereinzelte Probanden sogar um 8,5 Sekunden schneller. Gerade für Spitzensportler, die ihre Wettkämpfe am Abend haben, ist dieses Forschungsergebnis wichtig. Sie können mit Licht ihre sportliche Leistung optimieren.
LED-Lichtbrille für Spitzensportler

Für Leistungssportler hat daher Dr. Andreas Wojtysiak beim Lampenhersteller Osram eine LED-Lichtbrille entwickelt. Die tragen bereits Athleten des deutschen Skiverbandes wie Stefan Luitz, Fritz Dopfer oder Eric Frenzel. Die Sportler nutzen die Lichtbrille beispielsweise 15 Minuten vor einem Nachtrennen. Das blaue Licht ermöglicht ihnen, neue Leistungsreserven zu mobilisieren sowie aktivierter und konzentrierter zu sein. Betrug ist die Licht-Dusche aber nicht. Die Sportler sind bei Nachtrennen in einer Umgebung, in der viele nach ihrem Biorhythmus keine Topleistung bringen können. Die Lichtbrille kann auch bei Flugreisen in andere Zeitzonen helfen, den Jetlag schneller zu überwinden. Im kommenden Jahr soll es die Lichtbrille im Handel geben.
Doch Achtung! Zu viel blaues Licht kann unsere innere Uhr durcheinander bringen. Es soll ähnliche Nebenwirkungen haben wie Koffein. Die Folge können Schlafstörungen sein. Forscher suchen daher nach besseren Lösungen, um Sport und den Biorhythmus miteinander in Einklang zu bringen. Das Rätsel nach der perfekten Trainingszeit geht also weiter.
Autorin: Isabelle Weber (hr)
Stand: 11.09.2019 23:02 Uhr