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Qualle knusprig! – Das "Urlaubsärgernis" als leckerer Snack

Qualle im Meer
Quallen haben immer weniger Konkurrenz bei der Nahrungssuche. | Bild: Stock Bild

Für Quallen sind es prächtige Zeiten: Die Winter werden wärmer, die Meere auch, und weil der Mensch die Fische verspeist, haben Quallen immer weniger Konkurrenz bei der Nahrungssuche. Doch jetzt wollen dänische Forscher auch die Qualle auf den Speiseplan setzen. Kein Fett, kein Zucker, kaum Kalorien – ist Qualle der Snack der Zukunft?

Die Physik der Qualle

Quallen im Wasser
Quallen bestehen zu etwa 98 Prozent aus Wasser.  | Bild: NDR

Dass Quallen in Europa nicht schon längst gegessen werden, liege vor allem an ihrer Konsistenz, erklärt Dr. Mathias Clausen, während er in aller Ruhe eine Ohrenqualle nach der nächsten aus dem flachen Wasser der Ostsee keschert. "Wabbelig-weiches" hat es in der europäischen Küche eher schwer. "Aber genau das ist spannend!", sagt seine Kollegin Mie Pedersen, in deren Eimer schon jede Menge Quallen schwimmen. Die beiden dänischen Forscher sind Gastrophysiker – immer auf der Suche nach neuartigen Lebensmitteln. "Unsere Aufgabe ist es zu überlegen, was Leute gerne essen. Und was wir tun können, um aus Quallen etwas zu machen, das ihnen schmeckt," erklärt Pedersen.

In ihrem Labor an der Universität von Süddänemark in Odense arbeiten die beiden an der perfekten Zubereitungsart für Qualle. Die Meeresbewohner bestehen zu etwa 98 Prozent aus Wasser und haben kaum feste Strukturen. Kochen ist deshalb keine Option, die Quallen würden sich im heißen Wasser einfach auflösen. Und getrocknet zerfallen sie zu Staub. Das Rezept für Qualle steht noch in keinem Kochbuch. Aber Mie Pedersen hat die Formel dafür in der theoretischen Physik gefunden: "Aus physikalischer Sicht macht es Sinn, eine Qualle als Gel zu betrachten. Sie besteht zu einem großen Teil aus Wasser, ist aber nicht selbst wasserlöslich. Und aus der Physik wissen wir, dass Gele im Wasser aufquellen, aber in sich zusammenfallen und feste Strukturen bilden, wenn sie in Alkohol gelegt werden."

Qualle statt Kartoffelchip

Eine getrocknete Qualle
Als knuspriger Chip könnte Qualle auch europäischen Gaumen schmecken. | Bild: NDR

Mie Pedersen legt die Ohrenquallen in hochprozentigem Alkohol ein. Zwei Tage reichen, um den gewünschten physikalischen Effekt zu erzielen: Die Quallen sind nicht mehr durchsichtig und weich wie Gelatine, sondern gelblich und ziehen sich wie Gummi. Wirklich appetitlich sehen sie allerdings immer noch nicht aus. Das ändert sich erst, nachdem Mie Pedersen die Quallen weitere Tage in die Trocknung legt. Der Alkohol verdampft und die Qualle erhält die Konsistenz, die nahezu jeder europäische Gaumen als angenehm empfindet: knusprig.   

Als knackige Chips hat Mie Pedersen die Ohrenquallen schon mal an Weihnachten der ganzen nichtsahnenden Familie serviert – kam gut an. Und frittiert schmecken die Quallenchips sogar den Kindern der Forscher. "So zubereitet sind Quallen wirklich keine Herausforderung beim Essen", erklärt Mathias Clausen. "Knusprig und salzig – das kennt man."  Ihn erinnert der Geschmack an eine traditionelle dänische Spezialität: kross gebratene Schweinehaut. Was als Lebensmittel akzeptiert wird und was ungewöhnlich erscheint, ist oft recht willkürlich. "Wir hoffen, dass wir dazu beitragen können, dass Menschen hinterfragen, was wir als Nahrung betrachten. Dass wir unsere Sinne damit befeuern und unsere Neugierde", sagt Mathias Clausen. Einige Sterneköche haben bei den Gastrophysikern bereits Interesse an den Quallenchips angemeldet.

Qualle satt

Quallenteppich am Ufer
Quallenblüte in der Ostsee. | Bild: NDR

Genügend Quallen wären jedenfalls da, um zahlreiche Sterneküchen zu versorgen. Wegen der veränderten Bedingungen in den Meeren durch Klimawandel und Überfischung könnte es in den nächsten Jahren immer häufiger zu sogenannten Quallenblüten kommen, bei denen sich die Tiere explosionsartig vermehren und dichte Teppiche bilden. Und bisher gibt es in Europa noch niemanden, der sie kommerziell fischt.

Eines allerdings wird man von Quallenchips eher nicht: satt. Mie Pedersen und Mathias Clausen haben eine drei Kilogramm schwere Riesenqualle gefischt. Der prächtige Knusperchip, der nach dem Trocknen aus ihr wurde, wiegt grade mal drei Gramm. "Aber wir essen ja nicht nur, um satt zu werden", schmunzelt Mie Pedersen.

Autorin: Christine Seidemann (NDR)

Stand: 07.09.2019 12:42 Uhr

Sendetermin

Sa., 07.09.19 | 16:00 Uhr
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Norddeutscher Rundfunk
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