Sa., 24.09.16 | 16:00 Uhr
Das Erste
Gesundes Essen gegen Currywurst – wer macht das Rennen?
Gesund bleiben will jeder. Doch was tun wir eigentlich dafür? Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus Typ 2 oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie Bluthochdruck, Herzinfarkt oder Schlaganfall, sind auf dem Vormarsch. Dabei ließen sie sich zum großen Teil verhindern, wenn wir uns nur richtig verhalten würden – etwa wenn wir uns gesünder ernähren würden. Aber die meisten von uns tun das nicht. Trotz zahlreicher Informationskampagnen ist keine wirkliche Besserung in Sicht.
Woran liegt das? Mittags zum Beispiel: Der Magen knurrt, Berufstätigen bleibt nicht viel Zeit für ein ausgiebiges Essen und es darf in der Regel nicht allzu viel kosten. Ist gesundes Essen zu teuer? Oder sind wir einfach unbelehrbar? Schmeckt uns ungesundes einfach besser?

Wir machen ein Experiment – mitten in der belebten Fußgängerzone in der Frankfurter Innenstadt. Wir bieten zwei Mittagsgerichte an. Currywurst mit Pommes – der Renner unter den Mittagsgerichten, aber ziemlich ungesund und mit leichtem Sommergemüse und Putenbrust gefüllte Paprikaschote auf einem Couscousbett. Eine Rezeptempfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Der Clou: Das gesunde Essen kostet nur drei Euro. Die Wurst mit Pommes fünf Euro. Wir wollen wissen, ob der Preis ein Anreiz dafür sein kann, das gesündere Essen zu wählen! Schließlich funktionieren "Schnäppchenpreise" in vielen Bereichen.
Welches Gericht macht das Rennen?
Die Frankfurter Imbisswagen-Besitzerin Tilly’s Tante, alias Sibylle Rumpf, bietet in ihrem Oldtimer-Imbisswagen normalerweise Suppen und Eintöpfe aus Omas Rezeptkiste an. Sie glaubt, dass die überwiegende Anzahl der Kunden zur Wurst greift. Der Präventionsforscher Prof. Wolfgang Ahrens dagegen schätzt, es geht unentschieden aus. In seiner Forschung beschäftigt er sich damit, wie man Menschen überzeugen kann, gesünder zu leben.
Ein schwieriges Thema, denn wie sich bisher gezeigt hat, ist Wissen über eine gesündere Ernährung nicht alles. Der Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen (BIPS) sieht daher die bisherigen Präventionskampagnen für gesunde Ernährung sehr skeptisch: "Wir sind eigentlich ziemlich enttäuscht über die Präventionskampagnen, die wir bisher gemacht haben. Das liegt daran, dass sich die Präventionskampagnen darauf konzentrieren, Menschen zu informieren und glauben, damit sei es getan."
Beim Essen entscheiden wir häufig nicht mit dem Kopf. Jeder von uns weiß doch, dass zum Beispiel Currywurst mit Pommes eine fette Kalorienbombe ist. Sie enthält satte 1.000 Kilokarien und 75 Gramm Fett. Die gefüllte Paprikaschote dagegen nur 440 Kilokalorien und 15 Gramm Fett. Trotzdem wählen wir häufig solche Gerichte, die sehr fett, zuckerhaltig oder beides sind.
Die Deutschen werden immer dicker

In Deutschland sind rund zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen übergewichtig, ein Viertel davon fettleibig – mit dramatischen Folgen für die Gesundheit. Übergewichtige haben ein hohes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes Typ 2, Gelenkerkrankungen und bestimmte Krebsarten. Das belastet auch unser Gesundheitssystem: Allein die Folgen der Herz-Kreislauferkrankungen kosten das deutsche Gesundheitssystem jährlich rund 37 Milliarden Euro.
Billig als Anreiz?
Würden wir häufiger zu gesunden Lebensmitteln greifen, wenn sie günstiger wären? Es gibt dafür deutliche Hinweise. In manchen Ländern werden zum Beispiel ungesunde, zuckerhaltige Getränke stärker besteuert. Der Konsum ist dort zurückgegangen. Weitere Studien und Modellrechnungen zeigen: Werden Obst und Gemüse gleichzeitig günstiger angeboten, werden sie vermehrt gekauft. Zahlreiche Erkrankungen und Todesfälle könnten so verhindert werden. In Deutschland plädieren für solche Maßnahmen allerdings "nur" Ärzte und Wissenschaftler, die Politik ist zögerlich.
Experiment: Currywurst gegen gefüllte Paprika
Wie ist unser Experiment ausgegangen? Die gefüllte Paprikaschote ist der klare Sieger! Über 80 Prozent unserer Kunden haben sie gewählt und der Hauptgrund scheint ein anderer zu sein als gedacht. Unsere Kunden waren dankbar, endlich überhaupt ein gesundes Essen als Angebot vorzufinden. Es fehlt also offenbar an gesunden Alternativen, vor allem, wenn man es in der Mittagspause eilig hat. Angeboten werden schnelle kalorienreiche Gerichte, die auch oft noch als gesund beworben werden. An jeder Ecke, appetitlich angerichtet, fallen sie uns ins Auge und verführen uns. Unter Fachleuten gibt es dafür einen eigenen Ausdruck, so Wolfgang Ahrens: "Wir sprechen von einer obesogenen Umwelt. Also von einer dickmachenden Umwelt."
Die Präsentation der Lebensmittel beeinflusst uns

Die Präsentation der Lebensmittel spielt eine entscheidende Rolle. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung bietet beispielsweise eine Zertifizierung für Kantinen an, die von ihnen entwickelte, ausgewogene Gerichte anbieten und sie müssen diese besonders ansprechend und augenfällig präsentieren. In der Kantine der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ist das beispielsweise der Fall. Der verantwortliche Caterer ist zudem angehalten, das zertifizierte "Job- und Fit-Menü" den Mitarbeitern im Intranet vorzustellen, neue Zutaten zu erklären und Aktionen zu gesundem Essen anzubieten.
Eine Salatbar gehört ebenso zum Konzept, wie frisches Obst und selbstgemachte Desserts. Der Weg zur Kasse führt an ihnen vorbei, Schokoriegel und Süßigkeiten wurden dagegen aus dem Blickfeld verbannt. Dadurch werden sie fast gar nicht mehr nachgefragt. Das Konzept funktioniert und kommt an. Aber bisher sind solche Kantinen die Ausnahme, die Zertifizierung freiwillig. Obwohl man damit die Chance hätte, Millionen Berufstätige und Schüler täglich mit gesundem Essen zu versorgen. Bedauerlich, findet Präventionsforscher Wolfgang Ahrens. Die Politik würde immer noch auf Selbstregulation setzen, aber die würde nicht funktionieren. Wichtig wäre es darüber hinaus, auch Supermärkte und Lebensmittelkonzerne stärker in die Pflicht zu nehmen, sagt der Forscher. Derzeit werden ausgerechnet ungesunde Nahrungsmittel besonders angepriesen, die gesunden Alternativen eher nicht.
Autorin: Anja Galonska (HR)
Nährstoffe | Menge | |
---|---|---|
Fett | 14,6 g | |
Kohlenhydrate | 40,1 g | |
Eiweiß | 31,6 g | |
Vitamin E (Tocopherol) | 7,9 mg | |
Vitamin B1 (Thiamin) | 0,3 mg | |
Gesamte Folsäure | 90 µg | |
Vitamin C (Ascorbinsäure) | 161 mg | |
Calcium | 158 mg | |
Magnesium | 98 mg | |
Eisen | 3,7 mg | |
Ballaststoffe | 7,8 mg | |
Energie | 438 kcal, 1831 kJ |
Stand: 27.09.2016 09:10 Uhr