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Grubenwasser im Ruhrgebiet – eine Ewigkeitsaufgabe

Ruhrgebiet aus der Vogelperspektive
Ruhrgebiet - Das Ende der Steinkohle bedeutet nicht das Ende aller Probleme. | Bild: WDR

Seit Ende 2018 ist Schluss mit dem Steinkohlebergbau in Deutschland. Doch geblieben sind Probleme, wie zum Beispiel das Grubenwasser: Regenwasser sickert durch verschiedene Bodenschichten nach unten und sammelt sich in den alten Stollen. Damit die Kumpel tief unter der Erde Steinkohle abbauen konnten, wurden die Stollen mit gigantischen Anlagen leergepumpt. Und die Pumpen laufen weiter. Sie einfach abzustellen, geht nicht, denn das Grubenwasser ist eine Gefahr für das Trinkwasser.

Das Problem: Grubenwasser – eine Gefahr fürs Trinkwasser

Pumpen unter Tage
Gigantische Pumpenanlagen wie hier in Zeche Zollverein halten Stollen und Schächte frei von Grubenwasser. | Bild: WDR

Das Grubenwasser ist eine Herausforderung, mit der sich auch nachfolgende Generationen noch beschäftigen werden, wenn unter Tage schon längst die Lichter aus sind. Es ist eine der sogenannten Ewigkeitsaufgaben, um die sich die RAG Stiftung mit Unterstützung von Wissenschaftlern wie Prof. Christian Melchers kümmern müssen. Jetzt, nach dem Ende des Bergbaus, könnte man eigentlich alle Pumpen abstellen, die das Grubenwasser aus Hunderten Kilometern von Schächten und Stollen in Flüsse wie Emscher, Lippe und Ruhr in den Rhein leiten. Denn untertage müssen keine Menschen mehr vor dem Wasser geschützt werden. Die Hohlräume würden dann mit Grubenwasser volllaufen.

Doch so einfach geht das nicht, weiß der Hydrologe Prof. Christian Melchers von der Technischen Hochschule Georg Agricola Bochum: "Auf seinem oft Hunderte Meter langen Weg in die Tiefe wäscht das Grubenwasser Salze und Mineralien aus dem Gestein. Da dieser Salzgehalt durchaus sehr hoch sein kann, soll es sich auf keinen Fall mit dem Trinkwasser vermischen. Außerdem sind in den 200 Jahren Bergbau auch andere Stoffe in die Gruben gekommen, die im Trinkwasser ebenfalls nichts zu suchen haben. Dazu gehören Hydrauliköle, die in bis in die 1980er-Jahre mit PCB (Polychlorierte Biphenyle) versetzt waren. Das war nötig, damit sich die Treibstoffe nicht entzünden und in den Steinkohlebergwerken Explosionen auslösen."

Die Herausforderung: Trinkwasser schützen

Grafik: Abstand Grubenwasser zum Trinkwasser unter der Erdoberfläche
Moderne Tauchpumpen halten künftig das Grubenwasser auf einem Sicherheitsabstand zum Trinkwasser . | Bild: WDR

Rund 9.000 Liter Grubenwasser fördert allein die Pumpenanlage in der Zeche Zollverein in Essen – pro Minute! Noch gibt es im Ruhrgebiet 13 Pumpen-Standorte. Sie zu betreiben, kostet viel Geld. Doch eines ist klar: Es muss in jedem Fall verhindert werden, dass das Grubenwasser mit dem Trinkwasser in Berührung gerät. Die Idee der Wissenschaftler: Das Grubenwasser darf zunächst ansteigen. Moderne Tauchpumpen halten es dann auf einem Sicherheitsabstand von mindestens 150 Metern zu den Trinkwasser führenden Gesteinsschichten. Weil in Zukunft also nicht mehr so viel abgepumpt werden muss, sind dann auch weniger Pumpenstandorte notwendig. Man könnte sich auf sechs Pumpen-Standorte beschränken. Aber selbst diese reduzierte Form der Grubenwasserhaltung wird pro Jahr rund 150 Millionen Euro verschlingen.

Die Ewigkeitsaufgabe: Beobachten für immer

Eine Person sitzt vor zwei Bildschirmen
Die Leitwarte in Herne – Sammelpunkt aller Messdaten. | Bild: WDR

Die Experten müssen das Grubenwasser aber auch dann noch im Auge behalten, wenn Stollen und Schächte bereits unter Wasser stehen werden und hier niemand mehr hinkommt. Deshalb haben die Wissenschaftler um Prof. Christian Melchers Tiefseesonden installiert. Sie sind aus Titan, rosten nicht und laden sich auch nicht elektrostatisch auf. Weil sich oft leicht entzündliches Methan ansammelt, herrscht Explosionsgefahr. Die Sensoren halten einem Wasserdruck von bis zu 100 bar stand. Ausgestattet mit zahlreichen Sonden messen sie Daten wie Temperatur, Fließgeschwindigkeit oder Leitfähigkeit des Grubenwassers.

Diese Informationen werden künftig in der Leitwarte in Herne erfasst. Spezialisten haben hier alle Zechen im Blick. Aus den Daten lesen sie ab, was in den Stollen und Schächten unter dem gesamten Ruhrgebiet passiert. So können sie den Weg des Grubenwassers bis zu den Einleitstellen in die Flüsse kontrollieren.

Die Zukunft: Energiegewinnung durch Grubenwasser

Grafik: Wärme fließt aus einem Schacht in ein Wohnhaus
Wärme aus dem Grubenwasser als Energiequelle für Häuser. | Bild: WDR

Doch das Grubenwasser einfach nur zu entsorgen wäre schade. Denn es bringt etwas Kostbares mit an die Oberfläche: Wärme. Einer der Ewigkeitsstandorte, an denen auch in Zukunft Grubenwasser abgepumpt werden muss, ist die Zeche Robert Müser in Bochum. Christin Bücker, Versorgungsingenieurin bei den Stadtwerken, und Prof. Hermann-Josef Wagner von der Ruhr-Universität sind überzeugt, dass sich das Grubenwasser als Energiequelle nutzen lässt.

In einem Pilotprojekt haben sie gezeigt, dass es schon heute dazu beitragen kann, zwei Schulen und eine Feuerwehrwache zu beheizen. Prof. Wagner plant bereits weiter. Zwei künftige Gewerbegebiete in der Nähe der Förderanlage von Robert Müser könnten ebenfalls von den geothermischen Eigenschaften des Grubenwassers profitieren. Denn Grubenwasser ist seiner Ansicht nach eine umweltfreundliche, weil CO2-arme Energiequelle. Und da Grubenwasser eine echte Ewigkeitsaufgabe ist und bleibt, ließe sich diesem Problemfaktor im Ruhrgebiet so wenigstens etwas Positives abgewinnen.

Autorin: Iris Rietdorf (WDR)

Stand: 24.06.2019 22:01 Uhr

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Norddeutscher Rundfunk
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