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Chronische Heiserkeit: Ursachen und Therapie

Eine Frau macht eine Übung mit einer Stimmtherapeutin
Stimmübungen sollen helfen, den "Eigenton" zu finden.  | Bild: hr

Heiserkeit, Räusperzwang, Stimmversagen: Fast jeder hat das wohl schon einmal erlebt. In den meisten Fällen verschwinden die Symptome wieder, wenn man seine Stimme ein paar Tage schont. Bei einigen Menschen entwickelt sich daraus allerdings eine chronische Stimmerkrankung. Ärzte und Logopäden sprechen dann von einer "Dysphonie". Besonders häufig trifft es berufliche Vielredner, etwa Lehrer. Was vielen nicht bewusst ist: Die Ursache für das Problem ist oft eine falsche Tonlage.

Chronische Heiserkeit durch zu lautes Sprechen

Eine Frau stützt ihren Kopf ab und atmet aus.
Entspannung ist ein Schlüssel zum Erfolg. | Bild: hr

Menschen, denen ein Totalausfall der Stimme droht, kann eine Stimmtherapie helfen. In der Klinik am Osterbach in Bad Oeynhausen gibt es für Menschen mit chronischen Stimmproblemen eine eigene Fachabteilung. In einer mehrwöchigen, stationären Reha bringen Logopäden den Patienten bei, ihre Stimme wieder auf eine gesunde Weise zu benutzen. Denn die meisten leiden an chronischer Heiserkeit, weil sie sich unbewusst eine falsche Tonlage angewöhnt haben. Frauen zum Beispiel sprechen oft dauerhaft zu laut und zu hoch. So versuchen sie sich Gehör zu verschaffen und durchzusetzen. Auf Dauer schadet das der Stimme.

"Wohlfühlton": Die Stimmlippen richtig zum "Schwingen" bringen

Grundlage für einen "guten" Ton ist viel Resonanz in der Stimme: Wenn Luft aus der Lunge durch die Stimmritze im Kehlkopf fließt, geraten die Stimmlippen ins Schwingen. Wenn wir hoch und laut sprechen, schwingen sie schnell und sind sehr stark gespannt. Das belastet sie. Bei tiefen Tönen bleiben die Stimmlippen dagegen überwiegend entspannt, sie schwingen langsam. Tiefe Töne haben mehr Resonanz.

Die ideale Stimmlage ist oft eine mittlere Tonlage. Logopäden sprechen vom "Wohlfühlton" oder "Eigenton", damit meinen sie die Tonlage, in der man natürlicherweise sprechen würde. Man erreicht den "Eigenton" zum Beispiel, wenn man ein "mhm, mhm" summt – so, als würde man jemandem beim Telefonieren zustimmen. Bei diesem Laut können die Stimmlippen auf natürliche Weise schwingen. Sie sind weder zu schlaff, wie es bei müden Stimmen der Fall ist, noch zu angespannt.

"Eigenton" vom "falschen" Ton unterscheiden lernen

Eine Frau lässt eine Stimmprobe aufzeichnen
Angehende Lehrer können ihre Stimme auf mögliche Probleme untersuchen lassen. | Bild: hr

Das heißt nicht, dass wir immer in dieser Tonlage sprechen sollten, denn dann würde unsere Stimme monoton klingen. Der "Eigenton" ist aber am gesündesten für die Stimme und lässt uns außerdem vertrauenswürdig und sympathisch erscheinen. In der Reha sollen die Betroffenen lernen, den "Eigenton" vom "falschen" Ton zu unterscheiden und ihn im Alltag anzuwenden. Es gibt verschiedene Übungen, die dabei helfen. Eine davon: einen Pezziball mit der Körpermitte fest an eine Wand drücken, und ihn mit einem langem "Uh"-Laut an der Wand entlang rollen. Bei dieser Bewegung wird automatisch der Beckenboden aktiviert – und der spielt eine große Rolle bei der Entstehung einer entspannten Stimmlage.

Heisere Stimmen werden schlechter akzeptiert

Von Stimmproblemen besonders betroffen sind Lehrer. Sie müssen jeden Tag über mehrere Stunden gegen einen hohen Geräuschpegel ansprechen. Chronische Heiserkeit oder Stimmausfall können die Folge sein. Jeder vierte Lehrer muss sich wegen starker Stimmprobleme immer wieder krankschreiben lassen. Manche können ihrem Beruf nicht mehr nachgehen.

Damit es so weit gar nicht erst kommt, bietet der Sprechforscher Bernd Christmann an der Technischen Uni Aachen eine Art Präventionsprogramm an: ein Stimmscreening für Lehramtsstudenten. Mithilfe einer Software überprüft er ihre Stimmen auf Heiserkeit und Stimmfestigkeit. Denn eine raue Stimme ist nicht nur unangenehm für die Betroffenen, sie wirkt sich auch negativ darauf aus, wie Lehrer wahrgenommen werden. Studien belegen, dass Pädagogen mit heiseren Stimmen von Schülern weniger akzeptiert werden – zum einen, weil sie schlechter zu verstehen sind, zum anderen weil sie weniger Autorität vermitteln. Dadurch lernen die Schüler weniger.

Stimmlippenknötchen durch Überlastung

HNO-Ärztin Petra Scheer untersucht den Kehlkopf einer Patientin.
HNO-Ärztin Petra Scheer untersucht den Kehlkopf einer Patientin.  | Bild: hr

Wer zu Stimmproblemen neigt, sollte so früh wie möglich ein Stimmtraining absolvieren, damit keine chronische Heiserkeit entsteht. Denn sonst drohen Schäden an den Stimmlippen. Wenn die Stimmlippen durch lautes oder zu hohes Sprechen permanent zu straff gehalten werden, können sie irgendwann nicht mehr richtig schließen. An den Stellen der größten mechanischen Belastung entstehen dann Stimmlippenknötchen. Die können sich bei rechtzeitiger Behandlung durch eine Stimmtherapie noch zurückbilden. Wer aber zu lange wartet, kommt um eine Operation an den Stimmlippen oft nicht mehr herum.

Autorin: Aleksandra van de Pol (hr)

Stand: 19.05.2019 19:02 Uhr