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Dem Einfluss der Darmbakterien auf der Spur

Ein Baby saugt an einem Finger
Ein Kaiserschnittbaby erhält Bakterien der Mutter. | Bild: BR

Erst seit wenigen Jahren untersucht die Wissenschaft die vielen Billionen Einzeller, Pilze und Bakterien, die in unserem Darm leben genauer. Inzwischen weiß man, dass diese Lebewesen Einfluss auf unser Körpergewicht und unser Immunsystem haben. Über die Darm-Hirn-Achse beeinflussen sie wohl auch unsere Stimmung. Wie das zusammenhängt ist noch nicht wirklich geklärt, doch die Erforschung des Darmmikrobioms bringt jedes Jahr neue Erkenntnisse.

Wichtige Erstbesiedelung mit Bakterien

Bei einer natürlichen Geburt schluckt ein Kind eine Vielzahl von Bakterien im Geburtskanal. Studien haben gezeigt, dass diese Erstbesiedelung wichtig ist für die weitere Gesundheit eines Kindes. Weil diese Aufnahme von Bakterien bei einer Geburt durch einen Kaiserschnitt nicht möglich ist, streichen Ärzte auf Wunsch der Eltern den Mund eines Kaiserschnittkindes mit dem Vaginalsekret der Mutter ein. Doch um das Kind nicht zu gefährden, darf das nur geschehen, wenn die Mutter ganz gesund ist.

Für eine gute Darmgesundheit eines Neugeborenen spielt auch vor allem die Muttermilch eine entscheidende Rolle. So versorgt die Muttermilch das Baby nicht nur mit Nährstoffen, sondern auch mit den nötigen Bakterien, um die Nahrung zu verarbeiten. Doch die Darmbakterien verdauen nicht nur das, was wir essen. Sie nehmen auch indirekt Einfluss auf unser Verhalten.

Depressiv durch falsche Darmbakterien?

Wissenschaftler der Universität Graz wollen herausfinden, auf welchem Weg eine falsche Ernährung das Verhalten von Mäusen beeinflusst. Sind es die Darmbakterien? Dazu füttern sie ihre Versuchsmäuse entweder mit gesunden Körnern und getrockneten Gräsern. Oder mit einem Spezialfutter, das 60 Prozent der Kalorien in Form von Fett enthält – ähnlich wie Fastfood. Nach acht Wochen untersuchen die Wissenschaftler das Verhalten der Mäuse. Wenn eine Körner-Maus in einen neuen Käfig kommt, den die noch nicht kennt erkundet das Tier lebhaft die neue Umgebung. Die "Fastfood-Maus", die ziemlich dick geworden ist, zeigt dagegen wenig Lust auf Bewegung. Ein Hinweis auf Depressionen. Diese Mäuse sind auch wenig gesellig. Anders als die Körnermäuse bleiben sie lieber alleine, ohne Kontakt zu ihren Artgenossen.

Unterdrückung der Darmbakterien gibt Hinweise

Versuchsmaus auf einer Testfläche
Wissenschaftler überprüfen, wie schnell sich eine Maus daran erinnert, wo sich der schützende Unterschlupf befindet. | Bild: SWR

Die Untersuchung des Mäusekots zeigt, dass die Darmbakterien der "Fastfood-Mäuse" stark verändert sind. Kann das der Auslöser für ihr Verhalten sein? In einem weiteren Versuch unterdrücken die Forscher die offenbar schädlichen Darmbakterien durch Antibiotika. Wenn die Mäuse ihr depressives Verhalten dann wieder verändern, beweist das, dass die Darmbakterien für die Depressionen verantwortlich sind.
Die Untersuchungen dauern noch an, doch die Vermutung erhärtet sich: Die falschen Darmbakterien können bei Mäusen depressives Verhalten auslösen. 

Krank und dick durch Süßstoffe?

Eine Forschergruppe in Israel geht der Frage nach, warum die Menschen in der westlichen Welt immer dicker werden, obwohl sie versuchen, den Zuckerkonsum zu reduzieren. So steigt der Umsatz von Softdrinks mit künstlichen Süßstoffen kontinuierlich an. Sind Süßstoffe womöglich kontraproduktiv und wenn ja – warum?

Oberarm mit Sensor
Ein Sensor im Oberarm misst den Blutzuckerspiegel kontinuierlich während der Testphase, | Bild: BR

Daher bitten die Forscher des Weizmann-Institut in Rechovot ihre Testpersonen, eine Woche lang täglich 12 Beutelchen mit dem Süßstoff Saccharin zu trinken. Das ist zu dem Testzeitpunkt die empfohlene tägliche Höchstmenge. Mit diesem Test wollen die israelischen Forscher herausfinden, ob Süßstoff einen Einfluss auf die Darmbakterien und damit auf die Gesundheit hat. Im Weizmann-Institut werden die beiden Frauen untersucht. Wie verändert sich ihr Gesundheitszustand in den nächsten Tagen – und hat der Süßstoff auch einen Einfluss auf den Blutzuckerspiegel?

Um die Ergebnisse nicht zu verfälschen, sollen die beiden sich so wie gewohnt ernähren. Da die Wissenschaftler vermuten, dass der Süßstoff die Darmbakterien beeinflusst, bitten sie die Studienteilnehmer um ihre Stuhlproben. Im Labor werden die verschiedenen Darmbakterien-Arten bestimmt. Und es zeigt sich: Die Vielfalt der Bakterien geht bei den meisten Testpersonen durch den Süßstoff zurück. Durch den Süßstoff verändert sich die Zusammensetzung der Darmbakterien, einige Bakterienarten sterben ab, andere werden mehr. Vermutlich profitieren diese vom Süßstoff. Bei der Auswertung der Ergebnisse zeigt sich, dass nur ein Teil der Testpersonen veränderte Darmbakterien hat. Aber die haben dann auch einen verschlechterten  Blutzuckerspiegel.

Autorin: Jutta Henkel (BR)

Stand: 18.01.2020 11:08 Uhr

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