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Problem Mikroplastik: Kunststoff in unserer Nahrung?

Mikroplastik
Mikroplastik | Bild: dpa picture alliance / Alexander Stein

Mikroplastik, also kleinste Kunststoffteilchen, finden Forscher schon jetzt in deutschen Gewässern. Fische fressen diese Teilchen und die Wissenschaftler fragen sich: wann landet das Mikroplastik in unserer Nahrungskette?

Auf der Suche nach Plastikspuren

Forscherteam
Die Wissenschaftler wollen herausfinden, ob und wie sich die Belastung hinweg verändert hat. | Bild: NDR

Es ist Montagmorgen: Das Schubboot Nashorn startet zu einer Forschungsfahrt auf dem Rhein bei Koblenz. An Bord sind Wissenschaftler der Bundesanstalt für Gewässerkunde. Sie sind auf der Suche nach Mikroplastik im Rhein. Noch wissen deutsche Forscher wenig darüber, wie stark die Kunststoffpartikel unsere Flüsse und Seen belasten. Immerhin: Der Rhein gilt als einer der am stärksten mit Mikroplastik verschmutzten Flüsse weltweit, das zeigte eine Studie der Universität Basel. Die Wissenschaftler wollen jetzt unter anderem herausfinden, ob und wie sich die Belastung über die Jahre hinweg verändert hat. Denn Kunststoffe treten erst seit den 1950er-Jahren als Massenware auf. Das müsste sich auch in den Ablagerungen, in den Sedimenten des Rheins widerspiegeln, so Friederike Stock. Gemeinsam mit der Nicole Brennholt und Christian Kochleus arbeitet sie an den Projekt.

Bohrkerne aus der Vergangenheit

An der Nordspitze der Rheininsel Graswerth fließt das Wasser des Rheins langsam. Gute Bedingungen dafür, dass sich hier feinkörnige Sedimente ablagern. Zwei Meter tief treiben Friederike Stock und Christian Kochleus das Bohrgerät in die Rheinsedimente. Wenn sie Glück haben, erreichen sie so Schichten, die sich vor Jahrzehnten abgelagert haben. Eine Zeitreihe der Mikroplastikverschmutzung im Rhein wäre mit so einem Bohrkern möglich. Doch noch wissen die Wissenschaftler nicht einmal sicher, ob überhaupt Mikroplastik in den Sedimenten ist, so Friederike Stock: "Grundsätzlich kann man schon davon ausgehen, dass wir in den oberen Schichten Plastik finden werden. Ein paar Plastikpartikel – so ist die Hoffnung."

Mikroplastik im Sediment

Bohrkern
Die Wissenschaftler finden Mikroplastikpartikel im Bohrkern. | Bild: NDR

Drei Woche später sind die Proben aufbereitet und ein Teil ist bereits untersucht. Der Versuch, mithilfe des Sedimentbohrung bis in die 1950er-Jahre vorzudringen ist gescheitert, da eine Datierung nicht möglich war. Doch die Koblenzer finden Mikroplastikpartikel im Bohrkern. Für den Biologen Georg Reifferscheid ist das kein großes Wunder: "Wir finden in allen Bereichen der Fließgewässer Plastikpartikel."

400 Kilometer weiter östlich: Der Oberlauf des Main bei Bayreuth, unterhalb einer Kläranlage. Auch hier sucht ein Forscherteam nach den winzigen Kunststoffteilchen. Am Gardasee entdeckten die Wissenschaftler genauso viele Plastikteilchen wie an Meeresstränden. Das hatten sie nicht erwartet. Auch im Main werden sie fündig. Vermutlich direkt oder über Abwässer kommt der Kunststoff in den Fluss, und alles ist dabei, so Umweltingenieur Martin Löder: "Am allerhäufigsten finden wir Polypropylen, dann Polystyrol, dann Polyethylen". Kunststoffe, die auch Schadstoffe enthalten können. Und sind die Partikel einmal im Wasser, hilft auch keine Kläranlage: "So eine Kläranlage ist nicht dazu ausgelegt, Mikroplastik herauszufiltern, sondern die klärt das Abwasser von organischen Resten oder Waschmittel."

Risiko Mikroplastik

Rhein aus der Vogelperspektive
Ob und wie gefährlich die Plastikpartikel für Organismen sind, ist noch kaum erforscht. | Bild: NDR

Wasserflöhe sind eine wichtige Nahrungsquelle für Fische. Die Flöhe ernähren sich normalerweise von Algen. Der Tierökologe Christian Laforsch füttert sie damit – und mit winzigen Kunststoffpartikeln. Die Flöhe machen keinen Unterschied zwischen Algen und Plastik, und fressen beides. Ein Test mit Praxisbezug: Laforsch wies Mikroplastik schon in Würmern, Schnecken und Muscheln nach, und eben Wasserflöhen.

Auch Christian Laforsch ist erst am Anfang einer spannenden Forschung: "Mit der Aufnahme von Mikroplastik bei verschiedenen Organismen werden momentan verschiedene Risiken diskutiert." Zum einen könnten scharfkantige Fragmente den Verdauungstrakt beschädigen. Aber auch Additive könnten möglicherweise in den Körper gelangen und negative Folgen haben. Das bedeutet: Giftstoffe aus dem Plastik könnten sich auch in Fischen anreichern, die die Flöhe fressen – und so in die menschliche Nahrungskette gelangen. "Momentan weiß man noch gar nicht, wie weit Mikroplastikpartikel in der Umwelt abgebaut werden, wie diese in der Umwelt zerfallen", sagt Laforsch." Möglicherweise befindet sich nicht nur Mikroplastik, sondern auch Nano-Plastik in der Umwelt. Je kleiner die Partikel sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Partikel vom Verdauungstrakt ins Gewebe übergehen können." Ob und wie gefährlich die Plastikpartikel allerdings für Organismen sind, ist bislang noch kaum erforscht.

Autor: Hilmar Liebsch (SWR)

Stand: 04.09.2018 21:54 Uhr