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Richtig gehen lernen mit Barfußschuhen

Markus Nöß ist Schuhmachermeister in der 4. Generation. Den Laden in Pfronten im Allgäu hat sein Ururgroßvater vor 150 Jahren gegründet. Die ersten Kunden waren Jäger, Förster und Bergbauern, die – wie damals üblich – barfuß oder mit Holzschuhen unterwegs waren und sich beim Bergauf- und Bergabgehen die Zehen wund stießen. Die ersten Bergschuhe waren natürlich maßgeschneidert und eine Investition fürs Leben.

Viele Schuhe geben dem Vorfuß zu wenig Freiheiten

Porträtaufnahme von einem Mann
Lieber weniger Schuhe, dafür aber hochwertige, lautet das Credo von Markus Nöß. | Bild: BR

Heute bietet Markus Nöß vor allem fertige Berg- und Wanderschuhe an, aber man kann sich bei ihm auch weiterhin Schuhe maßanfertigen lassen. Für Markus Nöß ist das Wichtigste, dass die Schuhe hochwertig sind und gut passen. Markus Nöß: "Heutzutage wird viel zu wenig Wert auf den Fuß gelegt, man kauft meistens billige Schuhe, die den Fuß nicht richtig führen und dem Vorfuß zu wenig Freiheiten geben. Es wird zu viel Wert auf Kosmetik und zu wenig auf Funktion gelegt."

Gehtraining kann bei Fußproblemen helfen

Nahaufnahme von einem Fuß, der auf einer Matte steht
Ursachenforschung: Markus Nöß untersucht die Füße seiner Kundin. | Bild: BR

Schäden durch schlechtes oder falsches Schuhwerk bekommt Markus Nöß, der auch Orthopädie-Schuhmachermeister ist, fast täglich zu sehen: vom verformten Großzeh (Hallux valgus) bis zu schmerzenden Knien und Hüften. Markus Nöß fertigt Einlagen, die helfen können. Aber er ist davon überzeugt, dass sich viele Probleme auch ohne Einlagen lösen lassen: mit Gehtraining und einem Training der Fußmuskulatur. Gabriele Mooser etwa ist zu ihm gekommen, weil sie nach einem Kreuzbandriss am linken Knie vor zwei Jahren immer noch nicht schmerzfrei bergsteigen kann. 

Barfußlaufen stärkt die Muskulatur am besten

Zwei Fußpaare mit Barfußschuhen laufen auf einem Sandweg
Mit Barfußschuhen kann man die Fußmuskulatur optimal trainieren. | Bild: BR

Als erstes lässt Markus Nöß sie barfuß über eine weiche Matte laufen, deren Unterseite blau abfärbt und so die Druckpunkte von Gabi Moosers Füßen auf Papier überträgt. An den Fußabdrücken erkennt Markus Nöß sofort, dass Gabi Mooser ihren linken Fuß falsch belastet. Sie knickt links zu stark nach innen ein und belastet die vier kleinen Zehen dabei stärker als den großen Zeh. Für Markus Nöß ein klarer Fall: Er empfiehlt Gabi Mooser ihre Fußmuskulatur zu trainieren. Das geht seiner Ansicht nach am besten mit Barfußlaufen. Und er zeigt ihr auch gleich, wie.

Die Barfußschuhe haben eine dünne, flexible Sohle, die dem Fuß keinerlei Dämpfung oder seitliche Stütze bieten. So muss der Fuß alle Unebenheiten im Gelände selbst ausgleichen. Das fordert die Muskulatur. Wichtig für den Trainingseffekt ist es laut Markus Nöß, das Training im unebenen Gelände durchzuführen. Auf glatten harten Fußböden oder auf der asphaltierten Straße würden dagegen Fehlstellungen eher noch verschlimmert, so Nöß.

Das Trainingsgelände liegt unterhalb der Burg Falkenstein bei Pfronten. Gabi Mooser zieht die Barfußschuhe an und geht voraus. Es geht leicht bergauf über eine Wiese, über Steine und Wurzeln. Markus Nöß folgt ihr und korrigiert sie: Die Füße sollten hüftbreit gesetzt werden, um im unwegsamen Gelände stabil zu gehen und die Hüfte zu entlasten. Im ebenen Gelände soll die Ferse zuerst aufgesetzt werden und dann der Fuß nach vorne abgerollt werden, von der Ferse zur Großzehe.  

Kinderfüße laufen auf Waldboden
Kinder laufen im Gegensatz zu Erwachsenen noch über den Ballen. | Bild: BR

Mit dabei sind auch die Kinder von Markus Nöß: Klara und Andreas, acht und zehn Jahre alt. Klara geht barfuß ganz ohne Schuhe, Andreas trägt Barfußschuhe. Beide setzen zuerst den Fußballen auf – nicht die Ferse wie die Erwachsenen. Markus Nöß erklärt, dass das bei Kindern ganz normal und richtig ist, weil sich das Fußgewölbe erst später, etwa ab 12 Jahren, zu stabilisieren und aufzurichten beginnt. Dann zeigt Markus Nöß noch ein paar Übungen, um die Fußmuskulatur zu trainieren: mit den Zehen kleine Steinchen und Tannenzapfen aufheben und wieder fallen lassen, auf einem Bein stehen und mit geschlossenen Augen balancieren. All das trainiert die Fußmuskulatur, um stabiles und sicheres Gehen zu ermöglichen.

Bei Wandertouren sollte man feste Bergschuhe tragen

Zwei Paar Wanderschuhe auf Waldboden
Bei einer richtigen Bergtour sollte man lieber Bergschuhe benutzen. | Bild: BR

Am nächsten Tag treffen sich Markus Nöß und Gabi Mooser zu einer kleinen Bergtour, damit Gabi das neu Erlernte ausprobieren kann. Sie wollen hinauf zur Burg Falkenstein. Der Weg führt durch steiles, teils ausgesetztes und abschüssiges Gelände, über Wurzeln, Felsen und loses Geröll. Dafür muss man trittsicher sein – eine trainierte Fußmuskulatur trägt zur Trittsicherheit bei.

Beide tragen feste Bergschuhe, die Halt und Stabilität geben, vor Verletzungen schützen und deren Sohlen dafür sorgen, dass die Füße nicht so schnell ermüden. Trotzdem bemüht sich Gabi, die Füße genauso abzurollen, wie sie es am Tag zuvor mit den Barfußschuhen geübt hat: Zuerst mit der Ferse aufsetzen und nach vorn zum Großzeh hin abrollen. Nur wenn es steil nach oben geht, setzen Markus Nöß und Gabi Mooser den Fuß mit dem Ballen auf. Dabei testen sie, ob der Tritt sicher und stabil ist und schieben dann mit gebeugten Knien das Gewicht des Körpers nach oben.

So kommen sie nach kurzer Zeit an der Burg Falkenstein an, der höchstgelegenen Burganlage Deutschlands auf 1268 Metern Höhe, und genießen die Aussicht nach Tirol und zur Zugspitze. Gabi Mooser wird weiter mit Barfußschuhen trainieren, weil sie glaubt, dass ihr das helfen wird, in Zukunft sicherer und schmerzfreier bergsteigen zu können.

Autorin: Susanne Delonge (BR)

Stand: 24.08.2019 11:36 Uhr

Sendetermin

Sa., 24.08.19 | 16:00 Uhr
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Produktion

Norddeutscher Rundfunk
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