SENDETERMIN Sa., 28.05.22 | 23:35 Uhr | Das Erste

Leben teilen

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Benedikt Welter: Leben teilen | Video verfügbar bis 28.05.2027 | Bild: Ben Knabe

"Einen guten späten Abend, verehrte Damen und Herren.

Seit kurzem lebe ich jetzt in einer WG. Mit meiner Mutter. Gut. Nichts Spektakuläres. Für sie – nach dem Tod ihres Mannes und meines Vaters – mit zweiundachtzig Jahren ein mehrfacher Neubeginn: von wegen Alte Bäume, die nicht zu verpflanzen sind; und für mich ist das nach dreißig Jahren freiwilligem und überzeugtem Alleinleben auch was Neues. Leben teilen. Cut.

Eine werdende Mutter. Sehr, sehr intensiv hat sie darüber nachgedacht und in sich hereingefühlt und beschlossen: Ich werde nach der hoffentlich glücklichen Geburt mein Kind zur Adoption freigeben. Ganz und gar keine „Rabenmutter“. Ein Paar wird die langersehnte Nachricht bekommen, dass sie endlich ein Kind adoptieren können. Mittendrin: der Adoptionsdienst des Sozialdienstes der katholischen Frauen in der Caritas. Die Frauen dort werden über den Adoptions-Moment hinaus die Mutter begleiten, das Kind, die neuen Eltern. Leben teilen. Cut.

Ein Mann aus meiner ehemaligen Pfarrei. Wenig älter als ich. Über neun lange Jahre hat er seine an Demenz erkrankte Mutter in deren Haus gepflegt. Berufs-Chancen und Karriere-Möglichkeiten aufgegeben. Er hat ausgeharrt, hat Freundschaften verloren. „Es war die kostbarste Zeit meines Lebens“, sagt er mir. Leben teilen. Cut.

„leben teilen“. Das ist seit Mittwoch das Leitwort des 102. Deutschen Katholikentags. Anders als früher ist das Motto kein wörtliches Zitat aus der Bibel. Aber ganz viel Bibel steckt drin in diesem Treffen von katholischen und anderen Christenmenschen – Bibel gelesen, ausgelegt und praktiziert: das heißt auch „leben teilen“. Das letzte vatikanische Konzil hat es ein wenig anders gesagt, aber auch so auf den Punkt gebracht: Christus homini hominem revelavit – Christus offenbart DEM Menschen DEN Menschen. Das passiert im hochsensiblen, mehrfach berührten Leben rings um eine Adoption. Es zeigt sich, wo Söhne und Töchter sich um ihre alten oder kranken Eltern sorgen. Leben teilen Christinnen und Christen weltweit, die sich engagieren für und mit Menschen im Wahnsinn eines Krieges – nicht nur, aber jetzt gerade besonders deutlich in der Ukraine. Und es findet auch statt, wo Menschen diskutieren, ob Kirche Leben teilt – oder ob sie Leben und Teilen verhindert.

leben teilen - das heißt auch: Leben TEILEN ist nicht Verlust, sondern Gewinn. „Wer sein Leben zu bewahren sucht, wird es verlieren; wer es dagegen verliert, wird es erhalten“, sagt Jesus im Evangelium. Bewahren, also für sich behalten statt zu teilen, zerstört das Leben. Und im gleichen Evangelium sagt Jesus es noch stärker: „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt (egoistisch für sich) gewinnt, dabei aber sich selbst verliert und Schaden nimmt?“

Ich wünsche allen auf dem Katholikentag, dass sie in ihren Begegnungen und Diskussionen und in ihrem Beten „leben teilen“ und immer besser verstehen, dass sie dabei Gott begegnen. Und vielleicht probieren auch Sie weiter,  wie kostbar es ist, Leben zu teilen – auch wo es sich vielleicht erstmal wie ein Verlust anfühlt.

leben teilen, weil Gott da mittendrin sein will.

Einen gesegneten Sonntag – den vielen in Stuttgart und Ihnen zu Hause."

Sendetermin

Sa., 28.05.22 | 23:35 Uhr
Das Erste

Produktion

Saarländischer Rundfunk
für
DasErste