Tom Schilling als Bertolt Brecht (1916-1933)

Heinrich Breloer wendet im Film bewusst den Blick auch auf die Privatperson Bertolt Brecht. Was haben Sie durch die Arbeit an dem Film über Brecht erfahren?
Bert Brecht gab sich gerne betont stark und unverwundbar. Kühl und analytisch im Denken, martialisch und kompromisslos im Auftritt. Doch hinter diesem Schutzpanzer steckte ein sehr ängstlicher Mensch. Er war zutiefst besorgt um seine Gesundheit, um sein Herz, und er war besorgt, man könne sich von ihm abwenden. Mit diesem Wissen verstehen wir, warum er die Menschen um sich herum so stark an sich band und sie wie Schachfiguren in seinem Leben bewegte. Ich glaube nicht, dass er über diese Ängste jemals mit seinen Vertrauten, Freunden oder Frauen gesprochen hat, denn er wollte es schlichtweg nicht wahrhaben, dass sie Teil von ihm sind.
Was ist für Sie das Widersprüchliche in der Person des jungen Brecht?
Brecht ist für mich ein einziger Widerspruch. So verlangte er absolute Treue und Hingabe von seinen Partnerinnen, hatte aber selber teils drei Beziehungen gleichzeitig. Er verschrieb sich komplett der Kunst, scheute sich aber nicht, Reklame zu texten. Er war überzeugter Kommunist und liebte teure Autos. Grundsätzlich haftet ihm ja ein wenig das Etikett des Moralisten an – ob er sich selbst gegenüber auch so moralisch war, kann bezweifelt werden.
Wie aktuell ist Brecht als Künstler in seinem politischen Anspruch?
Als großer politischer Dramatiker, der sich immer auf die Seite der Schwachen und Unterdrückten gestellt hat, kommt man wahrscheinlich nie aus der Mode. Die Welt ist 70 Jahre nach Brecht nicht wirklich gerechter geworden. Würde er heute leben, würde er eine reichhaltige Themenvielfalt für seine Werke vorfinden. Ich wäre neugierig, was er zur politischen Debatte in Zeiten von Globalisierung, Flüchtlingskrise und Klimawandel beitragen würde.