Gespräch mit Lisa Maria Potthoff

Julia Thiel wirkt angespannt, unausgeglichen – und teilweise sogar aggressiv, beispielsweise gegenüber ihrem Kollegen Holm Brendel. Was ist los mit ihr?
Julia hat nach ihrem Unfall chronische Schmerzen. Ohne die Tabletten geht es nicht mehr. Sie verheimlicht allen ihre Schmerzen im Körper und im Herzen. Eigentlich fühlt sie sich verloren, denke ich. Julia hat sich einen Menschen aus dem Herzen gerissen – ihren polnischen Liebhaber Marek –, von dem sie nicht ahnte, wie viel er ihr bedeutet hat. Danach bleibt eine Leere.
Im Zentrum der Geschichten steht ein Fall von Brandstiftung. Eine junge Frau ist verdächtig. Julia Thiel klammert sich an diesen Verdacht. Wieso?
Wenn sie sich nicht an dieser Theorie orientieren würde, müsste sie dahin gucken, wo die Wahrheit liegt: Dass ihre Tochter in den Fall verwickelt ist und sich eventuell strafbar gemacht hat. Julia versucht, ihre Tochter zu schützen.
Julia Thiel hat ein angespanntes Verhältnis zu ihrer Mutter. Doch gibt es in beiden Filmen zarte Momente der Annäherung – wie entwickelt sich die Beziehung?
Das Verhältnis wird sicher nie völlig unbeschwert sein, dazu ist zu viel passiert. Aber Zeit hilft, sich wieder an die Anwesenheit des anderen zu gewöhnen, und die Liebe, die ja trotz aller Traumata da ist, kann wieder mehr Raum finden.
Wieso schafft Julia es nicht, zu ihrer eigenen Tochter Sophie einen besseren Draht aufzubauen?
Ich denke, beide tun sich schwer, Nähe zuzulassen. Das hat zum einen vielleicht schlicht und ergreifend mit der Pubertät zu tun, die oft eine schwierige, konfliktreiche Phase zwischen Mutter und Tochter ist. Zum anderen ist Julia als Mutter oft überfordert.
Wie verändert die problematische Zeit mit Sophie das Verhältnis zwischen Julia und ihrem Mann?
Es ist auch eine Belastungsprobe für ihre Ehe. Wie viel Mutter darf ich sein? Wie viel Kommissarin muss ich sein? Wie geht man mit seiner Schuld um und übernimmt Verantwortung dafür? Da haben Stefan und Julia unterschiedliche Ansichten.
In einer Szene fragt Julia ihre Tochter: "Wofür bestrafst du dich?" Doch auch Julia fühlt sich schuldig – wofür?
Ach Gott, oft sind Schuldgefühle und Frauen doch die besten Freunde, besonders dann, wenn man Mutter ist (lacht). Julia weiß, dass sie ihrer Tochter oft nicht die warmherzige, liebevolle Mutter sein kann, die sie verdient hätte – und fühlt sich schuldig. Julia verheimlicht, wie schlecht es ihr geht, versucht stark zu sein, sie kann ein normales Drei-Generationen-Familienleben nicht zulassen – und fühlt sich trotzdem deswegen schuldig. Weil sie merkt, dass sie für manchen Schmerz ihrer Liebsten mit verantwortlich ist.
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