Gespräch mit Michael Vershinin, Scarlett Kleint & Alfred Roesler-Kleint und Tim Gehrke
Die drei Autoren und der Produzent von "Schandfleck – Der Usedom-Krimi"

Die Usedom-Krimis um die Ex-Staatsanwältin Karin Lossow und ihre Tochter Julia Thiel werden im Team entwickelt und geschrieben. Folgt dieses Prinzip einem bestimmten Vorbild?
Michael Vershinin: Was das Schreiben angeht, sind wir ziemlich prinzipienlos …
Scarlett Kleint: … aber effektiv …
Alfred Roesler-Kleint: … und absolut pünktlich.
Scarlett Kleint: Vorbilder insofern: die Dürener Kreisbahn …
Michael Vershinin: … Buster & Keaton …
Scarlett Kleint: … und die Tagesschau.
Tim Gehrke: Mal ernsthaft: Die drei sind das, was wir uns zurzeit im deutschen Fernsehgeschäft wünschen, so was wie ein "writing room". Drei unterschiedliche Stimmen für ein Drehbuch.
Was ist in Ihren Augen der Vorteil dieser Arbeitsweise, und wie hat man sich das konkret vorzustellen?
Scarlett Kleint: Die Streitphasen verkürzen sich, wenn man zu dritt arbeitet.
Alfred Roesler-Kleint: Meistens steht es 2:1. Wer nicht mitspielt, ist raus.
Michael Vershinin: Die perfekte Demokratie. Bis der Produzent eingreift.
Tim Gehrke: Die drei haben in meiner Wahrnehmung sehr unterschiedliche Qualitäten. Es gibt eine sehr reife emotionale Stimme, einen, der fabuliert wie kein zweiter Autor, den ich kenne, und einen sehr klugen Kopf, der das alles ordnet. Bei so viel Harmonie ist es dann meine Aufgabe, wieder für naive Unordnung zu sorgen.
Der von Beginn an etablierte familiäre Grundkonflikt wird horizontal weiterentwickelt und jeweils mit Kriminalfällen kombiniert. Gibt es unter Ihnen einen Headwriter, der das große Ganze im Blick behält, oder bewerkstelligen Sie auch dies im Team?
Scarlett Kleint: Unsere drei Köpfe sind Head genug.
Alfred Roesler-Kleint: Bei uns darf jeder Mal die große Klappe haben.
Michael Vershinin: Oder die besseren Argumente.
Tim Gehrke: Als gelernte Ossis misstrauen die drei jeglicher zentralistischen Horizontalführung. Sie wollen sich sozusagen immer eine neue Wende offenhalten und wehren sich gegen jede Form von Zwangsläufigkeit. Mal ernsthaft: Das große Ganze im Blick zu haben ist gar nicht so schwer, wenn man kontinuierlich als Team an jeder Episode arbeitet. Probleme gibt es im Fernsehen vor allem dann, wenn jede Folge von unterschiedlichen Autoren geschrieben wird.
In diesem zweiten Film geht es neben dem innerfamiliären Schuldkonflikt um betrügerische Spekulationsgeschäfte. Worauf kam es Ihnen hierbei besonders an, und wie kamen Sie auf dieses Thema?
Michael Vershinin: Wir haben unsere verlässlichen Quellen vor Ort.
Scarlett Kleint: Ansonsten sind Habgier, Missgunst, Arroganz und Existenzangst leider nichts, wonach man suchen müsste.
Alfred Roesler-Kleint: Ganz zu schweigen von Jähzorn, Korruption, Intoleranz und gnadenloser Beschränktheit.
Tim Gehrke: Usedom bietet eine Vielzahl von lohnenswerten Geschichten schon durch die Nähe zu Polen! Einkommens- und Lebensverhältnisse sind auf beiden Seiten immer noch spürbar verschieden. Das bereitet einen Boden, der uns für glaubwürdige Kriminalgeschichten oft hilft. Im ersten Teil hatten wir einen polnischen Krankenpfleger, in „Schandfleck“ spielen wir Immobilienwerte diesseits und jenseits der Grenze gegeneinander aus und im dritten Teil wird es junge Polinnen geben, die für eine Abtreibung auf die deutsche Seite der Insel kommen.
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