Gespräch mit Katrin Sass
Sie spielt Karin Lossow im Film "Schandfleck – Der Usedom-Krimi"

"Schandfleck" ist Ihre zweite Begegnung mit Karin Lossow. Haben Sie eine Art Ritual, womit Sie sich auf die Dreharbeiten und auf Ihre Figur einstimmen?
Da gibt es eigentlich nicht viel. Jedes Mal, wenn ich nach Usedom komme, tut das einfach gut. Das ist wie Heimat für mich, auch wenn es ja nicht ganz dasselbe ist wie Schwerin. Aber das ist irgendwie "Meckpomm", und ich bin zu Hause. Insofern stimmt da sehr vieles überein: die Art und Weise, wie Karin Lossow mit ihren ziemlich heftigen Problemen umgeht, und Heimat. Das alles entspricht mir einfach sehr.
Das erste Bild, das wir hier von Karin Lossow sehen, abseits der Eisbahn, still beobachtend, erzählt viel über ihre Einsamkeit. Zweifelt sie manchmal, ob es richtig war zurückzukommen?
Solche Momente gibt es wahrscheinlich immer wieder. Aber um ernsthaft zu zweifeln, ist sie einfach zu verbunden mit ihrer Heimat, mit diesem Haus und mit all dem. Sie hat den Wunsch, die Familie wieder zusammenzukriegen, sie will versuchen, wieder mit der Familie zusammenzuleben. Sie ist nicht geboren für eine Zweiraum-Plattenwohnung; das geht mit dieser Frau gar nicht. Und es ist nicht ihre Art zu flüchten, also aus Angst abzuhauen, um keine Probleme zu haben. Im Gegenteil: Sie geht rein in die Angst und sieht, was daraus wird.
Im zweiten Fall geht es um betrügerische Spekulationsgeschäfte. Plötzlich werden tiefe Gräben in dieser kleinen Inselgemeinschaft sichtbar. Wie gefiel Ihnen die Geschichte?
Das gefällt mir generell an diesem Krimi, dass es um einfache Figuren geht, um Menschen, denen ich jeden Tag begegne und die im Film sonst kaum noch vorkommen. Es ist ja heute alles so geglättet, und alles wird schön und auf jung gemacht. Hier trifft man durchweg noch den einfachen, den "normalen" Menschen. Gerade in diesem zweiten Fall wird das ganz sichtbar und spürbar durch die Rita Mahlow und ihren Vater. Schade, dass die weiteren Entwicklungen in diesem Fall es mit sich bringen, dass die beiden nicht wieder auftauchen werden. Na ja, vielleicht irgendwann mal. Das würde ich mir nämlich wünschen, dass Figuren auch wieder auftauchen und es so einen Wiedererkennungseffekt gibt, dass man sagt, der und der ist einfach immer da.
Als die Kassiererin des örtlichen Supermarkts Karin Lossow bittet, ihren Vater zu beraten, lehnt sie zunächst kategorisch ab, schwenkt dann aber doch um. Was ist ihre Motivation dabei?
Das sagt sie eigentlich. Sie sagt in einer Szene: "Ich hab im Gefängnis Menschen geholfen. Das hilft auch beim eigenen Überleben." Sie denkt dann nicht mehr so weit, dass ihr das im Weiterkommen mit ihrer Tochter schadet. Sie hilft dieser Frau sogar, obwohl sie diejenige ist, die immer gegen sie stichelt, wenn sie einkaufen geht. Das macht Karin Lossow eben nicht, weil sie eine andere Größe hat. Da kommt tatsächlich das durch, was sie ausmacht. Sie macht das, was ihrs ist. Sie ist schon ziemlich stark.
Sucht sie dadurch, dass sie sich in den Fall einschaltet, vielleicht auch die Nähe zu ihrer Tochter?
Nein. Sie weiß ja, dass ihre Tochter das überhaupt nicht mag, und sie macht es trotzdem. Das ist genau das, was ich spannend finde. Sie sagt, so, jetzt mach ich das aber trotzdem. Die Tochter will ja nicht, dass sie sich irgendwo einmischt, aber sie macht es dennoch immer wieder. Das ist ihr dann tatsächlich auch egal, weil diese Dinge ihr wichtiger sind. Da kommt sie ihrer Tochter gar nicht näher. Im Gegenteil. Katrin Lossow hätte es leichter, wenn sie sich zurückziehen würde, aber das tut sie nicht.
Karin Lossow arbeitet nun in einem Wisentgehege. Eine ganz schön handfeste Tätigkeit für eine Ex-Staatsanwältin. Braucht sie das, um den Kopf freizukriegen?
Vielleicht auch, aber sie will in erster Linie was tun. Erst mal geht ja auch gar nichts anderes. Der Bewährungshelfer hat ihr was in Rostock angeboten, aber weil sie auf Usedom bleiben will, bietet sich erstmal nur das an. So macht sie eben Dinge, die sie in ihrem Leben noch nicht gemacht hat. Und auch das kann sie. Aber natürlich ist es auch ein kleiner Ausgleich für sie, solche praktischen Aufgaben zu erledigen. Außerdem saß sie acht Jahre im Knast und hat ganz andere Dinge machen müssen.
Die Ex-Staatsanwältin reagiert stets schlagfertig, wenn jemand direkt oder indirekt auf ihre Tat zu sprechen kommt. Geht sie offensiv mit ihrem Stigma um, um dem Provinzmief die Stirn zu bieten?
Nicht nur dem Provinzmief, sondern generell dem Umgang mit solchen Dingen. Ich bin ich sehr ähnlich im Umgang mit solchen Sachen. Ich sage: "Nee, sprecht’s doch aus! Du willst wissen, woher du mich kennst? Ja, aus der Zeitung." Das kenne ich von mir privat auch. Viele andere würden das wahrscheinlich nicht machen. Die ziehen sich lieber zurück und sagen: "Nein, das muss wohl eine Verwechslung sein." Diese Direktheit und Offensivität ist etwas, das ich großartig an dieser Frau finde.
Julia erzählt ihr von den Korruptionsvorwürfen gegen den Vater, und Karin bringt daraufhin die Geldtasche an, die sie zuhause gefunden hat. Ist sie von diesen Hintergründen überrascht?
Nein, ich glaube, das weiß sie. Sie weiß, dass da noch einiges auf sie zukommt. Aber auch das hält sie aus. Denn es wird irgendwann aufgeklärt, woher dieses Geld nun wirklich kommt. Aber sie ist nicht überrascht von diesen Vorwürfen. Katrin Lossow und ihr Mann haben ja lange zusammengelebt. Sie weiß schon, was für einen Mann sie an ihrer Seite hatte.
Sie erzählt an einer Stelle davon, wie es war, als sie selbst zur Mörderin wurde. Hat sie sich ihre Tat eigentlich selbst verziehen?
Ich glaube nicht, dass man sich so etwas verzeihen kann. Sie wird mit dieser Schuld leben.
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