Gespräch mit Regisseur und Hauptdarsteller Bjarne Mädel

Sörensen (Bjarne Mädel) hat Angst.
Sörensen hat Angst. | Bild: NDR / Michael Ihle

Ihr Film beginnt wie eine leichte Krimikomödie. Aber dann bricht im fiktiven Ort Katenbüll die Hölle los. Spielen Sie mit der Erwartungshaltung der Zuschauer?

Der Film "Sörensen hat Angst" fängt humorvoll an, sodass der Zuschauer denkt, da kommt ein lockerer Fernsehabend auf ihn zu. Man fährt raus aufs Land, man geht ans Meer und alles wird gut. Genau diese Hoffnung hegt auch Hauptkommissar Sörensen, der sich von Hamburg nach Katenbüll versetzen lässt, weil er in einem stressfreien Ambiente seine Angststörung loswerden will. Er merkt dann ziemlich schnell, dass sich dieser Wunsch nicht erfüllen wird. Ich wollte, dass die Zuschauer diesen Weg mitgehen.

Der Romanautor Sven Stricker hat seine Sörensen-Krimis für Sie geschrieben. Kennt er Sie so gut?

Wir kennen uns durch die Arbeit an verschiedenen Hörspielen und sind seit Jahren befreundet. Sven hat beim Schreiben eine sehr genaue Vorstellung davon gehabt, wie ich die Rolle spielen könnte. Er kennt meinen Hang zum lakonischen norddeutschen Humor und schreibt mir diese trockenen Sätze gewissermaßen in den Mund. Gleichzeitig sieht er in mir als Schauspieler eine Tiefe und Melancholie. Mit der Figur des Kommissars hat er diese beiden Seiten toll bedient. Sörensen ist mir mit seinen inneren Zuständen und seiner Sehnsucht nach Ruhe auch persönlich sehr vertraut.

Sörensen sagt nach seiner Flucht aus Hamburg: "Irgendwo muss man ja sein." Ist das eher ein humorvoller oder ein trauriger Satz?

Die Herausforderung bei diesem Projekt bestand für mich unter anderem darin, Komik und Tragik in Balance zu halten. Auf der einen Seite dem Humor und der Angststörung gerecht zu werden, auf der anderen Seite diesen düsteren Ort einzufangen, an dem sich die schlimmsten Verbrechen abspielen, die man sich vorstellen kann. Es ist der sprichwörtliche Ritt auf der Rasierklinge gewesen. Bei missglückter Regie hätte der Film leicht entweder in ein schweres Drama oder in Richtung Schmunzelkrimi abrutschen können. Der Humor diente mir dazu, die Zuschauer in die Geschichte hineinzuziehen. Dann übernimmt aber die Härte des Kriminalfalls und der Zuschauer begreift, genau wie Sörensen selbst, wo er gelandet ist.

Sie haben zum ersten Mal Regie geführt. Wie kam es dazu?

Ich hatte nie den Wunsch, unbedingt Regie zu führen. Es ist mir so vor die Füße gefallen. Sven und ich saßen eines Tages mit unserem Produzenten Jakob Claussen zusammen, der auf einem Zettel acht, neun Regievorschläge notiert hatte, die er uns der Reihe nach vorstellte. Da habe ich bei einem Namen leichtsinnigerweise gesagt, entschuldige, aber bevor der das macht, mache ich es lieber selber. Es dann wirklich zu tun hatte mehrere Gründe. Sven und ich hatten Angst, dass der Film anders werden könnte, als wir ihn in unseren Köpfen oder zumindest in den Bäuchen hatten. Ich fand es außerdem verlockend, den Film besetzen und mir das Team aussuchen zu dürfen. Es waren alles nicht nur fachlich, sondern auch menschlich fantastische Leute, die ich größtenteils aus der "Tatortreiniger"-Arbeit kenne und denen ich komplett vertrauen konnte. Sie bildeten quasi meine Anker beim Drehen, ich konnte gar nicht groß wegtreiben.

Sie haben die Hauptrolle gespielt und mussten als Regisseur gleichzeitig bewerten, wie die Szenen gelaufen sind. Wie ging das zusammen?

Natürlich besteht die Gefahr, dass man sich selber nicht richtig beurteilen kann. Aber ich weiß meistens ganz gut um meine Wirkung. Ich habe in Potsdam meine Theaterausbildung gemacht, da habe ich gelernt, dass es nicht darum geht, wie ich mich auf der Bühne fühle, sondern was unten beim Zuschauer ankommt. Wirkung war die oberste Prämisse. Ich habe das so verinnerlicht, dass ich sie fast immer automatisch mitdenke, wenn ich spiele. Bei "Sörensen hat Angst" habe ich ja in jeder Szene mitgespielt, dadurch hatte ich auch das Gefühl, schon von innen heraus Regie zu führen. Ich konnte beim Spielen den Rhythmus mitbestimmen. Insofern war das Spielen für die Regiearbeit keine Erschwernis, sondern eine Hilfe. Es gab zum Glück auch keine Beschwerden von den Kollegen, dass ich nicht mit ihnen gespielt, sondern ihnen nur zugeschaut hätte.

Sie haben schon mit vielen Regisseuren gedreht. Von wem haben Sie sich etwas abgeschaut?

Am häufigsten habe ich mit Arne Feldhusen zusammengearbeitet. An ihm bewundere ich sehr, dass er den Druck, unter dem er als Regisseur stand, nie weitergegeben hat, weder an die Schauspieler noch an die Teammitglieder. Was ich auch an ihm als Regisseur schätze, ist sein Verständnis von Zusammenarbeit. Wenn die Garderobiere eine gute Idee für eine Szene hatte, dann war er uneitel genug, sie zu nutzen. Die beste Idee gewinnt, und jeder soll sich mitgenommen fühlen. Das hatte ich mir auch für meinen eigenen Dreh vorgenommen.

Haben Ihnen Regiekollegen ein paar Tipps gegeben?

Ich habe vorher außer mit Arne noch kurz mit Matti Geschonnek und Andreas Dresen gesprochen. Geschonnek hat mir gesagt, wenn dein Traummotiv plötzlich von einem Tag auf den anderen hinter einem Baugerüst verschwunden ist, dann sei nicht verzweifelt, sondern begreife die Baustelle als Chance und nutze sie für deine Geschichte. Man muss seine Lockerheit und Offenheit bewahren, es passieren immer Katastrophen beim Dreh. Und Andreas Dresen hat gesagt, wenn man als Regisseur 70 Prozent von dem umsetzen kann, was man sich vorher gewünscht hat, dann ist man ein glücklicher Mensch. Ich selber liege nach meinem Gefühl bei 93 Prozent! Ich habe eine Vorstellung davon gehabt, wie der Film aussehen sollte, und so sieht er jetzt auch aus.

Was wollten Sie als Regisseur unbedingt anders machen?

Ich wollte schon bestimmte Dinge anders machen, aber nicht den Film neu erfinden. Es macht ja keinen Sinn, alles aus einer Pfütze heraus zu filmen, nur damit es irgendwie anders aussieht. Aber wenn sich inhaltlich besondere Kameraeinstellungen ergeben haben, haben mein Kameramann Kristian Leschner und ich diese Möglichkeiten genutzt. Bei der Auflösung haben wir uns dann auch zwei Dogmen auferlegt: Wir sind oft nah dran an Sörensen und verzichten am Anfang einer Szene auf die klassische Eröffnungseinstellung. Anstatt mit einem üblichen "Establisher" den Ort des Geschehens zu zeigen, geraten die Zuschauer mit Sörensen in die Szene hinein, ohne sich vorher in der Umgebung orientieren zu können. Wir wollten außerdem einen komplett drohnenfreien Film machen. Bei uns gibt es keine von oben aufgenommenen Autofahrten durch einen Wald, wie man sie neuerdings in der Hälfte aller deutschen Filme sieht.

In der Krimihandlung geht es um einen brutalen Fall. Haben Sie lange überlegt: Was müssen wir zeigen, was lassen wir weg?

Nein. Wir wollten die schrecklichen Verbrechen, die in Katenbüll geschehen, nie bebildern. Der Fall ist Teil der Geschichte des Kommissars, der seine Angst überwinden muss, um das Leben eines Jungen zu retten, und es ist wichtig für unsere Geschichte, dass es sich um genau diesen Fall handelt. Je größer der Druck auf ihn als Ermittler wird, umso weniger Platz hat die Angst in ihm.

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