Interview mit den "jungen Eltern"
Amelie Kiefer und Reza Brojerdi

Bis zur Geburt des gemeinsamen Sohnes scheinen Viola und Faraz keinerlei Probleme mit ihrer Religionszugehörigkeit gehabt zu haben. War die gegenseitige Toleranz nur vorgetäuscht?
Amelie Kiefer: Die Religionszugehörigkeit spielte im Rahmen der Beziehung der Beiden keine Rolle. Sie wird erst durch äußere Einflüsse zum Verhandlungsthema. Mit der Einflussnahme der Familien beginnt die Reflexion über die eigene Religionszugehörigkeit, über die Herkunft und die Abnabelung von festgefahrenen Traditionen und ein Stück weit auch von den Eltern.
Reza Brojerdi: Ich denke auch, dass die Religion bis zu diesem Zeitpunkt keine große Rolle gespielt hat. Ohne die Eltern würde die Religion auch nach der Geburt keine Rolle spielen. Es würde weder eine Taufe noch eine Beschneidung geben. Vielleicht macht diese Geschichte jedoch eines deutlich: Das Fundament einer gesunden Beziehung sollte nicht in Abhängigkeit zu religiösen Ansichten liegen oder in emotionalen Abhängigkeiten zu anderen, z.B. den Schwiegereltern.
Sowohl Familie Mandipur als auch Familie Helmrich sind im weitesten Sinne säkular. Warum wird die Tauffrage des Enkelsohns plötzlich doch zu einem Grundsatzproblem?
Reza Brojerdi: Alle guten Eltern möchten ihre Kinder beschützen, ein wesentliches Schutzinstrument ist dabei die „Kontrolle“. Ich denke, jeder versucht hier, seine Kultur als Mittel zum Zweck für den größeren Gesamteinfluss einzusetzen. Ich halte das für keine gute Idee, aber das zeigt uns dieser Film auch so wunderbar.
Amelie Kiefer: Ich denke, es ist die irrationale Angst, das eigene Kind und Enkelkind zu verlieren. Man greift auf das zurück, was man kennt und was sich bewährt hat.
Wie wichtig ist es Ihrer Ansicht nach, dass man sich selbst die Frage nach der eigenen Identität stellt und diese auch mit dem Partner bespricht?
Amelie Kiefer: Ich finde es sehr wichtig, mit sich selbst in Kontakt zu sein und empfinde es als eine große Bereicherung, sich darüber mit seinem Partner auszutauschen.
Reza Brojerdi: Wir brauchen unsere eigenen Wurzeln, Ideen und Ansichten, um sein zu können, wer wir sind. Nur, wenn wir tief in unsere eigenen Herzen schauen, können wir rausfinden WAS wir eigentlich wollen und infolgedessen diese Wünsche auch verfolgen und glücklich werden. Natürlich ist es für jede Partnerschaft wichtig, die Identität des Partners gut zu kennen. Das hilft uns z.B. auch, die andere Seite in Konfliktsituationen besser zu verstehen.
Warum lassen sich Viola und Faraz so von ihren Eltern unter Druck setzen?
Reza Brojerdi: Wir möchten uns absichern, sicherstellen, dass wir unseren Nachwuchs gut versorgen können. Die Option, ein Eigenheim durch Violas Vater zu bekommen, setzt dort einiges in Bewegung. Zeitgleich ist Viola und Faraz auch klar, dass sie ihre Eltern auch zu stolzen Großeltern machen.
Amelie Kiefer: Hinzu kommt, dass die beiden relativ flexibel und gleichzeitig sehr wohlwollende, harmoniebedürftige Wesen sind, die selber noch keine konkreten Antworten auf die Frage nach der Religionszugehörigkeit ihres Sohnes haben. Das macht sie zu idealen Spielbällen im Interessenskonflikt ihrer Eltern.
Spielen Religion und Herkunft eine Rolle in Ihrem persönlichen Leben?
Amelie Kiefer: Ja, natürlich spielt Herkunft eine Rolle in meinem Leben. Ich bin, wie jeder, mit bestimmten Werten, Traditionen, Glaubenssätzen aufgewachsen, die ich im Laufe meines Lebens hinterfrage und peu à peu ablege, verändere oder beibehalte. Eigene Kinder können diesen Prozess beschleunigen, da sie einen vor die Herausforderung stellen, Position zu beziehen. Ich finde Religion und Glaube ein sehr spannendes Thema und kann persönlich in vielen Religionen etwas für mich finden.
Reza Brojerdi: Religion und Herkunft spielen in jedem Leben eine Rolle, gewollt oder ungewollt. Ich bin als muslimischer Junge geboren und aufgewachsen und habe mich später bewusst für ein Leben ohne Religion entschieden. Das hat vieles für mich einfacher gemacht. Ich bin in Melle bei Osnabrück (Niedersachsen) aufgewachsen, dort gab es wenige Nicht-Deutsche. Allein mein äußeres Erscheinungsbild hat schon für reichlich Probleme in meiner Kindheit gesorgt, da war dann irgendwann klar, dass ich mich zumindest mit allem anderen anpassen muss, wenn ich akzeptiert werden will. Das Image als Moslem ist in Deutschland kein gutes. Ich musste den Islam damals aufgeben, bevor ich ihn überhaupt richtig verstanden hatte. Das heißt nicht, dass ich irgendetwas vermisse.
Was ist für Sie die „Moral aus der Geschichte“?
Reza Brojerdi: Familie ist sehr wichtig, dennoch muss man im Leben seine eigenen Entscheidungen in einer Partnerschaft treffen. In einer Beziehung sollte man sich aus freien Stücken immer wieder füreinander entscheiden dürfen, auch ohne Fremdeinwirkungen. Eltern und Großeltern sollten hier vor allem die Augen und Ohren spitzen.
Amelie Kiefer: Ich wünsche mir, dass jeder Zuschauer, jede Zuschauerin, eine ganz eigene „Moral“ darin entdeckt. Jungen Eltern kann ich nur raten, die Ruhe zu bewahren und sich nicht von den Eltern und Schwiegereltern beirren zu lassen. Es gibt kein Richtig oder Falsch.
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