»Gladbeck ist ein nationales Trauma. Unverarbeitet, unfassbar. Eine grauenvolle Sensation. Gladbeck tut weh. Auch heute noch. Im Zentrum dieses 54-stündigen, nicht enden wollenden Alptraums steht für mich die Begegnung mit dem Animalischen, dem Asozialen, dem Monströsen. Mitten in der bundesdeutschen Welt der Einkaufspassagen und Fußgängerzonen darf es ungehemmt seine anarchische Gewalt entfalten: Polizei und Staat stehen ihm gelähmt gegenüber. Die Presse lässt sich von ihm rauschhaft verführen und multipliziert seine Wirkung. Und die Geiseln sind seiner Willkür schutzlos ausgeliefert.
Ein Film über dieses einzigartige Schwerverbrechen muss tiefer ansetzen, als die bekannte und berechtigte Kritik an Presse und Polizei reflexhaft zu wiederholen. Denn Kritik bedeutet immer auch den Aufbau emotionaler Distanz zu dem eigentlichen Erleben und Durchleben des Geschehenen. Doch genau darum muss es in einer Fiktionalisierung gehen – um die Erfahrung kollektiver Ohnmacht. Eine Tragödie solchen Ausmaßes zu erzählen, bedeutet, dramaturgische und ästhetische Fernsehkrimikonventionen zu vermeiden. Eine Geiselnahme kann nicht beamtisch erzählt werden. Es gibt keine Sicherheit in ihr. Dieser Film musste radikal, elliptisch, fragmentarisch, instabil werden, um die Unberechenbarkeit dieser Geiselnahme und die damit verbundene ständige Gefahr und Überforderung von Opfern und Polizei für den Zuschauer körperlich erlebbar zu machen. Das Geiseldrama von Gladbeck löst in mir einen tiefen Horror aus. Ich spürte diesen Horror in den bizarren Aufnahmen aus der Kölner Innenstadt. Ich spürte ihn umso mehr, als wir am Original-Tatort in der Gladbecker Bank zu drehen begannen. Auf frappierende Weise lebte dieser Horror von 1988 in unserer Reinszenierung wieder auf. Sich auf den dunklen Sog dieses Verbrechens einzulassen und ihn in den Film zu tragen, war die große Herausforderung für die Schauspieler, das kreative Team und die gesamte Produktion.
"Gladbeck" ist kein Dokudrama, sondern ein dramatisch verdichtender Spielfilm. Er legt Wert auf größtmögliche Faktentreue, bis hin zu Bewegungsabläufen und Körpersprache von Tätern und Opfern in den dokumentierten Parts. Doch gerade bei einem derart öffentlichen Verbrechen, von dem es zahlreiche Bilddokumente gibt, reicht es nicht, in naturalistischer Nachahmung zu verharren. Uns ging es vielmehr darum, die innere, psychische Realität dieses Verbrechens in seiner düsteren Sakralität zu fassen. Vielleicht, um es so letztendlich zu verarbeiten.«
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