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Sternstunde ihres Lebens: Zitate zum Thema Frauenquote

Brigitte Huber, Chefredakteurin der Zeitschrift "Brigitte": "Als Berufsanfängerin dachte ich: Frauenquote? Ohne mich. Der Gedanke, über ein solches Hilfsmittel weiterzukommen, erschien mir fremd, peinlich, unsexy. Heute denke ich grundlegend anders darüber: Zwar ist die 'Stunde der Frauen' längst gekommen – dennoch sind wir in vielen Bereichen noch immer im Nachteil. Deshalb brauchen wir die Quote – und zwar solange, bis wir ebenso viele mittelmäßige Frauen an der Spitze haben wie es heute mittelmäßige Männer als Vorgesetzte gibt." | Bild: privat

Brigitte Huber, Chefredakteurin der Zeitschrift "Brigitte": "Als Berufsanfängerin dachte ich: Frauenquote? Ohne mich. Der Gedanke, über ein solches Hilfsmittel weiterzukommen, erschien mir fremd, peinlich, unsexy. Heute denke ich grundlegend anders darüber: Zwar ist die 'Stunde der Frauen' längst gekommen – dennoch sind wir in vielen Bereichen noch immer im Nachteil. Deshalb brauchen wir die Quote – und zwar solange, bis wir ebenso viele mittelmäßige Frauen an der Spitze haben wie es heute mittelmäßige Männer als Vorgesetzte gibt."

Axel Selbert, Jurist und Enkelsohn von Elisabeth Selbert: "Dass wir 65 Jahre nach Art. 3 GG noch über Frauenquoten debattieren müssen, ist eigentlich ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft. Nach wie vor ist in großen Bereichen der Wirtschaft wie des Staates Gleichheit nur eine Floskel. Offen dagegen zu reden, wäre politisch unkorrekt, das wagt man(n) sich nur noch in geschlossenen Herrenrunden. Faktisch unterlaufen patriarchalisch geprägte Strukturen ständig eine echte Gleichstellung der Geschlechter. Deshalb ist die Einrichtung von Frauenquoten durch gesetzliche Regelungen jetzt wirklich überfällig. Aber bitte Regelungen ohne Öffnungs-Falltüren, durch die Begünstigte gleich wieder abstürzen können!"

Angela Hornberg, selbständige Personalberaterin: "Wir brauchen eine Frauenquote, denn im internationalen Vergleich ist Deutschland nach wie vor Schlusslicht. Frauen in Deutschland haben in jeder Hinsicht schlechtere Karrierechancen als in allen anderen vergleichbaren Ländern: Sie verdienen weniger Geld, haben weniger Einfluss und genießen weniger Anerkennung. Deutschland ist das europäische Land, in dem es am meisten Wiederstand gegen eine Frauenquote gibt: Das beweist noch einmal wie konservativ-verschlossen hier manche (hoffentlich aussterbende) Wirtschaftsleute denken. Als Personalberaterin stelle ich immer wieder fest, wie unterschiedlich die professionelle Einstellung zur Karriere bei Männern und Frauen ist, auf allen Ebenen bis hin in die Vorstandsetagen: Frauen interessieren sich zuerst für Inhalte und Menschen. Männer für Geld und Prestige. Kurz: Macht ist männlich, Verantwortung ist weiblich. Leider gilt – entgegen allen idealen Wertvorstellungen – in der Praxis bislang die Regel: Macht sticht Inhalt. Auch um das zu ändern, brauchen wir eine Frauenquote."

Dr. Thomas Nöcker, Personalvorstand der K+S AG: "K+S bekennt sich ohne Wenn und Aber zur Chancengleichheit von Männern und Frauen. Allerdings wollen wir die Rahmenbedingungen im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter verbessern, hinzu kommt unser Bestreben, mehr Frauen für technisch-naturwissenschaftliche (MINT-) Berufe zu begeistern. Im Zuge unserer Teilnahme an der Arbeitsgruppe "Frauen in Führungspositionen" der DAX-Unternehmen haben wir uns zum Ziel gesetzt, den Anteil der Frauen in Führungspositionen bis 2020 um rund 30 Prozent zu steigern. Eine starre Quotenregelung erachten wir nicht für sinnvoll."

Juliane Thevissen, Produzentin von "Sternstunde ihres Lebens": "Zetern, jammern und lautstarker Protest aus Wirtschaftskreisen hilft nichts: Die Zahlen von Führungspositionen in Unternehmen, Männerbünde in allen Bereichen und der Aufschrei im Netz von tausenden Frauen, zeigen auf, was die Gesellschaft braucht: Chancengleichheit, Lohngleichheit und nicht zuletzt ein respektvoller Umgang zwischen den Geschlechtern. Ich bin für die Quote – nicht nur bei börsennotierten Unternehmen."

Manuela Schwesig, Bundesfamilienministerin: "Ich kämpfe für eine starke Gleichstellungspolitik, damit die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern, die unser Grundgesetz längst verankert hat, Lebenswirklichkeit wird. Frauen bekommen weniger Gehalt als Männer, Frauen sind nach wie vor kaum in Führungspositionen vertreten, und sie arbeiten oft im Niedriglohnbereich. Das will ich ändern: Mit einem Entgeltgleichheitsgesetz und vor allem durch das Gesetz zur Förderung von Frauen in Führungspositionen. Nicht die Frauenquote ist ein Problem für Deutschland, sondern die 90-prozentige Männerquote in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Die gehört abgeschafft, indem wir mehr Frauen in Führungspositionen bringen."

Prof. Dr. Günter Buchholz, emeritierter Professor der BWL: "Der Artikel 3 des Grundgesetzes spricht von Gleichberechtigung oder sinngemäß von Chancengleichheit, also von der Gleichheit der Startchancen, und nicht von der Gleichheit der Ergebnisse des Wettbewerbs. Das aber ist das Ziel der Frauenquoten. Einen sogenannten Gleichstellungsauftrag, der auf staatlich hergestellte Gleichheit im Ergebnis abzielt, kennt das GG nicht. Denn Art. 3 (2) Satz 2 spricht ebenso wie Art. 3 (2) Satz 1 von Gleichberechtigung und nicht von Gleichstellung durch Frauenquoten. Es ist ein Denkfehler, statistische Ungleichheiten erst wertend als "Unterrepräsentanz" zu bezeichnen und dann zu behaupten, diese Ungleichheiten seien Folge einer Diskriminierung. Statistische Ungleichheiten sind keine "bestehenden Nachteile" im Sinne des Art. 3 (2) Satz 2! Statistische Ungleichheiten sind vielmehr, das belegen mittlerweile viele wissenschaftliche Studien, eine Folge von individuellen Neigungen und Abwägungen, Kompromissbildungen und Entscheidungen im Hinblick auf Beruf, Karriere und Familie, und sie sind somit kein Ausdruck von Diskriminierung. Daher können statistische Ungleichheiten keinerlei staatliches Handeln legitimieren, insbesondere nicht die Frauenquoten, durch die Frauen bevorzugt und Männer benachteiligt werden. Frauenquoten sind deshalb nicht verfassungsgemäß. Sie stehen im Widerspruch zum Art. 3 (3) GG."

Friederike Knüpling, Mitautorin des Buches "Tussikratie": "Um Gottes Willen: Wollen wir uns wirklich damit abfinden, dass man die Frage der Gerechtigkeit mit einer solchen Pseudolösung abhaken will? Wir wollen anders leben, anders Geld verdienen und anders konsumieren, wir wollen eine demokratischere und für die Anderen offenere Gesellschaft. Hier aber wird über eine sehr kleine Elite diskutiert, die – ganz egal, welchen Geschlechts ihre Mitglieder sind – ausschließlich ihre eigenen ökonomischen und politischen Interessen vertritt: Diese Unternehmer schaden der Gesellschaft, der Umwelt und der Demokratie – und das übrigens nicht nur in Deutschland sondern weltweit –, und jetzt sollen wir ihre Taten legitimieren, indem wir uns dazu beglückwünschen, dass wir in ihren Zirkeln "repräsentiert" seien? Es ist illusionär zu glauben, dass diese Handvoll Frauen einen echten Unterschied machen werden: das neoliberale System und die mit ihm einhergehenden Arten des Handelns und Misshandelns lassen sich nicht von innen korrigieren. Das schaffen weder Frauen noch Männer, und es ist gleichgültig, wie gutmütig oder gut ausgebildet sie sind. Ja, vielleicht brauchen wir tatsächlich eine Frauenquote – aber nur, damit wir endlich sehen, dass die Probleme, an denen sich die Geschlechterdebatte ursprünglich entzündete, davon unberührt bleiben."