"Kein Kaffee, kein Kuchen und kein Theater"

Altersarmut in Deutschland

Rentner bei einem Spaziergang auf der Insel Mainau
Immer mehr Renter müssen mit weniger als 917 Euro im Monat auskommen. | Bild: pa

Wer in Deutschland arm ist, hat weniger als 917 Euro im Monat. So hoch ist derzeit die so genannte Armutsgefährdungsschwelle. Unter dieser Schwelle findet man besonders häufig Arbeitslose und Alleinerziehende. Aber auch eine dritte Gruppe ist immer öfter betroffen: Viele Rentner leben in Deutschland an der Armutsgrenze, das zeigen aktuelle Zahlen.

Ein kaputter Kühlschrank wäre ein wahres Drama

Tasse Cappuccino
Eine Cappuccino im Café – unerschwinglich... | Bild: dpa

Laut Statistischem Bundesamt waren im vergangenen Jahr 14,4 Prozent der über 65-Jährigen arm. Bei den Rentnern sind es sogar 15,6 Prozent. Und das ist ein Problem, sagt Johannes Geyer, Sozialexperte vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): "Wer am Ende des Lebens arm ist, kann selbst an seiner Situation nicht mehr viel ändern. Und selbst wenn die Quote bei den Älteren im Vergleich zu Alleinerziehenden nicht mal halb so hoch ist, bedeutet es trotzdem, dass da jemand nicht mehr um die Runden kommt."
Das sieht auch Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes so: "Da braucht nur mal ein Kühlschrank kaputt gehen. Aber auch für Vergnügen reicht das Geld nicht. Kein Kaffee und Kuchen, kein Theater, keine Weihnachtsgeschenke für die Enkelkinder."

Immer mehr arme Rentner

Ein weiteres Problem bei den armen Alten: Sie werden immer mehr. 2006 waren 10,3 Prozent der Rentner von Armut betroffen, heute sind es schon 15,6 Prozent. Das ist eine Steigerung von 51 Prozent. "Die Quote der altersarmen Rentnerinnen und Rentner hat so stark zugelegt wie in keiner anderen Bevölkerungsgruppe”, sagt Schneider. Die Gründe dafür sind komplex: Die große Arbeitslosigkeit nach der Wende und die Entwicklung der Renten in den letzten Jahren sind dabei sicher nur zwei Beispiele.

Risikogruppe Frau

Baby im Kinderwagen
Eine Babypause ist Gift für das Rentenkonto.  | Bild: SWR

Besonders betroffen von Altersarmut sind Frauen und Witwen. Die Gründe dafür sind laut Ulrich Schneider eindeutig: "Frauen sind schlechter abgesichert, die Witwenrente ist nicht die volle Rente, die der Ehemann bekommen hätte und Frauen werden älter als Männer." Aber auch lange Baby- und Erziehungspausen schlagen später auf dem Rentnerkonto zu Buche. Das ist unter anderem ein Grund dafür, dass die Armutsquote bei Rentnerinnen in Westdeutschland höher ist (16,9 Prozent) als bei Rentnerinnen in Ostdeutschland (13,4 Prozent), wo Frauen nach der Geburt für gewöhnlich früher wieder ins Arbeitsleben zurückgekehrt sind.

Arbeitslose sind gefährdet, auch im Alter arm zu sein

Symbolbild Hartz VI (Rechte: WDR)
Langzeitarbeitlose haben auch im Alter schlechte Chancen. | Bild: WDR

Langzeitarbeitslose sind ebenfalls eine Risikogruppe für Altersarmut. Denn grundsätzlich gilt: Wer weniger Jahre arbeitet, zahlt weniger in die Rentenversicherung ein und bekommt am Ende weniger Rente raus. "Um später nicht in Armut zu enden, sollte man am Ende seines Arbeitslebens etwa 35 Versicherungsjahre zusammen haben", sagt Ulrich Schneider.

Stundenlöhne unter 13 Euro reichen nicht!

Tricks beim Mindestlohn
Der derzeitige Mindestlohn reicht bei weitem nicht, um Altersarmut zu vermeiden.  | Bild: pa

Aber was, wenn man in seinem Leben zwar viele Jahre gearbeitet, dabei aber wenig verdient hat? Laut Ulrich Schneider ist das ein Problem: "Bei einer Vollzeittätigkeit wäre ein Lohn von 13 bis 14 Euro in der Stunde notwendig, damit man am Ende des Lebens über den Grundsicherungssatz von aktuell 399 Euro kommt. Aber ein Drittel der Bevölkerung hat das momentan nicht." Da hilft auch der Mindestlohn nicht: "So viele Versicherungsjahre kann man gar nicht schaffen, damit man bei 8,50 Euro in der Stunde am Ende nicht in Armut landet."

Keine Besserung in Sicht

Die Prognosen für die Zukunft sind schlecht. Das liegt aber nicht nur an den Niedriglöhnen jetzt, sondern auch an der Massenarbeitslosigkeit in den 90er Jahren und um die Jahrtausendwende. Die Menschen, die damals keine Arbeit hatten, kommen bald in das Rentenalter. Generell werden Gruppen, die heute schon gefährdet sind, wohl auch in Zukunft noch von Armut im Alter bedroht sein. Nur bei den Frauen könnte sich laut Johannes Geyer ein kleiner Gegentrend abzeichnen, weil die sich immer besser im Arbeitsmarkt integrieren.

Rentner auf Jobsuche
Wie werden Rentner in Zukunft über die Runden kommen? | Bild: grafik-hr

Die Politik hat keine Lösung

Symbolbild Frauen und Rente
Von der Politik kam bislang kein tragfähiges Konzept gegen Altersarmut.  | Bild: pa

Ein politisches Konzept, um diesen Trend zu stoppen, gibt es bislang nicht. Wer später in der Rente nicht arm sein will, sollte deswegen selbst aktiv werden und so viele Versicherungsjahre wie möglich sammeln. Ein Ratschlag, den leider gerade die Betroffenen in den Risikogruppen kaum befolgen werden können.

"Seien Sie nett zu Ihren Kindern"

Zusätzlich wird eine private Altersvorsorge immer wichtiger und die kann auch über eine normale Zusatzversicherung hinausgehen: "Wer kann, sollte Eigentum erwerben", sagt Ulrich Schneider. "Und nett zu seinen Kindern sein. Denn wer keine Kinder, Familie oder ein anderes soziales Netz hat, das ihn im Notfall auffängt, hat später ein Problem."

Autorin: Nicole Ficociello

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