Interview mit Mehdi Moinzadeh zum Tatort: Sternenkinder

Das Erste: Alim Zainalow hatte es von Anfang an nicht leicht mit Kommissar Borowski. Ist das Verhältnis der beiden am Ende dieses Filmes so zerrüttet, dass Alim quasi aussteigen musste?
Mehdi Moinzadeh: Theoretisch nicht, praktisch aber war es so, dass das Potenzial der Figur nie richtig ausgeschöpft werden konnte. Im Laufe der sechs Filme hat sich heraus kristallisiert, dass Borowski ein Einzelgänger ist und kein Teamplayer. So konnte Alim Zainalow nie ein fester Platz zugewiesen werden – er war weder der Freund, noch der Depp oder der zu schlaue Kollege. Als Quotenausländer dabei zu stehen, wenn Borowski seinen Alleingang antritt, bringt wenig. Und nur der Botengänger zu sein, wie am Theater üblich, bietet auf Dauer zu wenig schauspielerische Herausforderungen.

Ist die Versetzung von Alim Zainalow ein endgültiger Abschied vom "Tatort"?
Die Zwangsehe ist erst mal aufgehoben. Ich bin darüber einerseits sehr traurig, andererseits aber gespannt auf die Zukunft. Denn es gibt die Option, Alim Zainalow erneut gezielt einzusetzen – ob das in Kiel sein wird oder an einem anderen Ort, ist noch Zukunftsmusik.

Was für eine Erfahrung waren die drei Jahre "Tatort" für Sie?
Eine sehr gute Erfahrung. Ich habe enorm viel gelernt, auch durch die tolle Zusammenarbeit mit dem Produktionsteam. Sechs Tatorte, sechs sehr unterschiedliche Regisseure und Regisseurinnen, verschiedene Autoren und Kameramänner – es war beinahe wie eine Fortführung der Schauspielausbildung.

Sie kannten den Hauptdarsteller Axel Milberg von der Schauspielschule, haben ihn mal als Ihren Mentor bezeichnet. Alim Zainalow emanzipiert sich am Schluss des Films von Kommissar Klaus Borowski, trifft das auch auf Axel Milberg und Sie zu?
Zwangsläufig. Ich habe mich weiterentwickelt und habe nun das Gefühl, auf Augenhöhe zu sein. Das hängt auch damit zusammen, dass sich hinter der Kamera neue Möglichkeiten für mich aufgetan haben. Ich habe erste Kurzfilme gedreht, ich habe Kurzfilme produziert, ich arbeite mit meiner Lebenspartnerin an einem Drehbuch für eine abendfüllende Kinokoproduktion, das auch vom NDR und Doris J. Heinze unterstützt wird.

Es ist aber nicht so, dass Sie sich von der Schauspielerei verabschieden wollen?
Nein, das nicht. Aber je mehr ich auf anderen Ebenen kreativ tätig bin, umso freier fühle ich mich in der Schauspielerei.

Alim Zainalow wird sehr lange in Untersuchungshaft festgehalten. Wie haben Sie sich in die emotionsgeladenen Verhör- und Zellenszenen hineingefunden?
Die Situation, dass man als Mensch arabischer oder südländischer Herkunft immer seine Unschuld beteuern muss, ist mir nicht fremd, obwohl ich nie gegen Gesetze verstoßen habe. Viele Menschen, die, wie meine Eltern, aus politischen Gründen vor dem islamischen Regime geflohen sind, müssen hier ständig beweisen, dass sie keine Islamisten sind. Das ist ein total schizophrener Zustand. Mittlerweile würde ich jedem nicht-deutschen Schauspielschüler empfehlen, als Nebenfach Islamistik zu belegen, denn seit dem 11. September hat sich dieser Beruf für uns grundlegend verändert. Das lässt sich auch an den Rollen ablesen, die mir zuletzt angeboten wurden, bei denen es immer um Terroristen, Terror-Gönner oder sogenannte Schläfer ging.

Im Drehbuch wird der Generalverdacht gegen Ausländer arabischer Herkunft mit den Dialogen "Ich geh' in die Moschee, ich fresse keine Kinder" oder "Wer weiß denn schon, was von ihrer Kirchensteuer finanziert wird" auf den Punkt gebracht.
Es gibt viele tolle Texte, die in der Schlacht des Drehtags wie kleine Soldaten aus Zeitgründen zur Strecke gebracht werden. Um diese beiden Sätze habe ich sehr gekämpft.

Wie war die Zusammenarbeit mit Regisseur Hannu Salonen?
Wunderbar. Sehr intensiv. Ich habe mich sehr gut bei ihm aufgehoben gefühlt, denn er ist auch kein Inländer und hat die Szenen aus einer völlig anderen Sicht mit seinen Erfahrungen bereichert. Er konnte sich sehr mit Alim identifizieren, was natürlich für die Arbeit und für mich von Vorteil war.

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