Gespräch mit Almila Bagriacik (spielt Mila Sahin)

Mila Sahin (Almila Bagriacik) sichert die Tatwaffe.
Mila Sahin sichert die Tatwaffe. | Bild: NDR/ARD / Thorsten Jander

Wut ist das Leitmotiv des „Tatorts“. Was macht Sie wütend?

Ich habe auf jeden Fall sehr viel Wutpotenzial, das auch aktiviert werden kann. Ungerechtigkeiten und Ungeklärtes machen mich sehr wütend. Wenn Dinge unter den Teppich gekehrt werden, fällt es mir schwer, mich zurückzuhalten, weil ich auch nicht einsehe, warum ich das machen soll. Rauslassen, betrachten, anerkennen und dann weitermachen, das finde ich wichtig. Man darf nicht in seinen negativen Emotionen steckenbleiben, sonst verliert man die Wertschätzung für sich selbst.

Sahin muss alleine ermitteln, weil Borowski im Krankenhaus liegt. Und dann trickst er sie auch noch aus. Was verändert sich dadurch zwischen den beiden?

Dies ist ein wahnsinnig emotionaler „Tatort“ – und er hat viele verschiedene Ebenen. Das Familiendrama ist berührend, aber auch, dass Borowski niedergeschlagen wird und sich Sahin die Schuld dafür gibt, finde ich spannend. Die Dynamik zwischen den beiden ändert sich, weil Sahin Borowski ausdrücklich von den Ermittlungen ausschließen muss und er dann hinter ihrem Rücken sein eigenes Ding macht. Ich finde es bei allen Folgen sehr schön, wie die beiden in einer Art Tanz miteinander ermitteln, jeder mal ein Solo hat und es dann gemeinsam weitergeht. Axel sagt immer gerne, wir haben unseren Swing und hier haben sie sich eben ein bisschen in den Drehungen verloren. Aber ohne Borowski hätte Sahin den Fall nicht lösen können.

Warum ist Sahin so eine Perfektionistin?

Ich mag es, mich an echten Erfahrungen zu bedienen und diese dann zu abstrahieren, umzuwandeln und als Schauspielerin einzusetzen. Auch bei Sahin und ihrem Ehrgeiz bin ich von mir ausgegangen und von den Menschen, die ich kenne. Gerade als Migrantin hat man das Bedürfnis, besser zu sein als alle anderen, weil du weißt, dass du es sonst nicht schaffst. Du musst mindestens doppelt so gut sein, um auch nur ansatzweise das gleiche Level zu erreichen wie die anderen. Schon zu Hause wird dir kommuniziert, dass du in der Schule gute Noten bekommen musst, damit sich nicht als richtig herausstellt, dass Migrant*innen schlechter sind, weil sie die Sprache nicht können oder sich nicht an die Regeln halten. Ich denke, daher kommt auch Sahins Entscheidung, Polizistin zu werden. Um mit jemanden wie Borowski auf Augenhöhe zu ermittelten, muss sie die Beste sein. Aber ich finde es schön, dass manchmal ihre Fassade bröckelt und sie loslassen kann.

Sahins Ermittlungen führen sie in eine Familie, in der eine große emotionale Gleichgültigkeit und Kälte gegenüber der ältesten Tochter Celina herrscht. Hat Sie diese Thematik beschäftigt?

Mich haben vor allem die Passagen im Drehbuch mitgenommen, die beschreiben, was dem jungen Mädchen alles angetan wurde. Dieses Ausmaß an Gewalt und Gleichgültigkeit in der eigenen Familie hat auch meine Vorstellungen gesprengt. Aber man muss akzeptieren, dass es diese Realität gibt und ich möchte auch verstehen, wie es dazu kommen kann. Diese Reaktionen von mir habe ich versucht, auf Sahin zu übertragen. Bei ihren Ermittlungen in der Familie stellt sie Fragen nach den Hintergründen, aber sie fällt kein Urteil. Uns steht es auch nicht zu, ein Urteil zu fällen.

Tatsächlich kommen wir vor allem Borowski in diesem „Tatort“ ziemlich nahe. Welche Seite sollten wir von Sahin besser kennenlernen?

Sahin hat einen trockenen Humor, aber ihre Witze landen nicht immer, weil man nicht davon ausgeht, dass sie gerade einen Witz macht. Und das Scheitern daran, andere zum Lachen zu bringen, finde ich sehr sympathisch und ich würde mir natürlich wünschen, dass man in den „Tatorten“ mehr von Sahins Charakter sieht. Es könnte mehr von ihrer Lässigkeit gezeigt werden. Sahin will immer die Kontrolle behalten, aber ich finde es interessant, Menschen dabei zuzusehen, wenn ihre Pläne nicht aufgehen. Wie geht dann dieser Mensch damit um? Das bei Sahin zu zeigen, kann ganz wenig Zeit kosten und uns gleichzeitig viel über sie erzählen.

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