Zahl der Geldautomatensprengungen weiter auf hohem Niveau: Präventionsmaßnahmen der Banken offenbar unzureichend

BKA fordert flächendeckende Sicherheitsmaßnahmen

Das Bundeskriminalamt (BKA) fordert im Interview mit REPORT MAINZ die Banken „ganz dringend“ dazu auf, die Sicherheitsmaßnahmen für ihre Geldautomaten umzusetzen, wie sie im Rahmen des Runden Tisches im vergangenen November gemeinsam vereinbart wurden. „Anhand der Fallzahlenentwicklung“ könne das BKA „derzeit rein statistisch gesehen noch nicht feststellen, dass die Geldautomatenbetreiber flächendeckend Präventionsmaßnahmen an den Geldautomaten umsetzen würden“, so Kriminaloberrat Marc Schwalbe.

Eine Polizistin dokumentiert die Zerstörung an einem gespengten Geldautomaten.
Eine Polizistin dokumentiert die Zerstörung an einem gespengten Geldautomaten. | Bild: dpa | Maurizio Gambarini

Recherchen des Politikmagazins zeigen: Während sich Angriffe in Niedersachsen, das in der Vergangenheit stark betroffen war, im ersten Dreivierteljahr mit 23 Sprengungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mehr als halbierte, stieg die Anzahl der Angriffe in anderen Bundesländern. Hessen verzeichnet im Vergleich den höchsten Anstieg: (Januar bis September 2023: 40, Januar bis September 2022: 26), gefolgt von Baden-Württemberg (Januar bis September 2023: 31, Januar bis September 2022: 22) und Rheinland-Pfalz (Januar bis September 2023: 39, Januar bis September 2022: 34). Nordrhein-Westfalen, das am stärksten betroffene Bundesland, verzeichnete im Vergleichszeitraum nahezu unverändert hohe Angriffszahlen (Januar bis September 2023: 124, Januar bis September 2022: 125).

Ob sich der Trend regionaler Verschiebungen in den kommenden drei Monaten fortsetzt, wird sich in den nächsten Monaten zeigen: In den beiden vergangenen Jahren sprengten die Täter im letzten Vierteljahr besonders häufig.

Positionierung der Banken

Im vergangenen November lud das Bundesinnenministerium zu einem Runden Tisch zu Geldautomatensprengungen ein. Im Rahmen des Treffens einigten sich Bankenverbände, Versicherungswirtschaft und Ermittlungsbehörden auf mehrere Sicherungsmaßnahmen für die Geldautomaten auf freiwilliger Basis.

Ursprünglich war geplant, im Juni eine erste Evaluierung der getroffenen Maßnahmen durchzuführen, nach Recherchen von REPORT MAINZ bisher jedoch ohne Ergebnis. Auf Nachfrage teilte das Bundesinnenministerium dem Politikmagazin mit, der Prozess der Evaluierung „dauert aktuell noch an“. Derzeit werde ein erneutes Treffen vorbereitet, um gegebenenfalls gesetzliche Regelungen zu erarbeiten – eine Maßnahme, die das Ministerium bereits vor Monaten in Aussicht gestellt hat.

Der Genossenschaftsverband, der auch Volks- und Raiffeisenbanken vertritt, äußerte Ende August in einem Positionspapier auf seiner Webseite die Befürchtung, dass einheitliche und standardisierte Sicherheitsvorgaben zu einem standardisierten Vorgehen der Täter führen könnten. Auf Nachfrage von REPORT MAINZ erklärte der Genossenschaftsverband, dass Einfärbesysteme zwar darauf abzielten, den Anreiz zur Tat zu verringern, jedoch nicht automatisch die Sprengung verhindern.

Polizeigewerkschafter: Banken scheuen Kostenrisiko

Der Umstieg der Täter von Gas auf Festsprengstoff nach der verbreiteten Sicherung der Geldautomaten mit Gas-Abwehrsystemen habe dem Genossenschaftsverband zufolge gezeigt, dass die Täter sich anpassten. Das führe nun zu einer „erhöhten Gefahr für Leib und Leben“, so der Genossenschaftsverband. Beispiele aus den Niederlanden, Frankreich oder Portugal zeigen jedoch, dass die Täter durchaus abgeschreckt werden konnten, seit in den Ländern das Geld aus den Automaten bei Sprengungen flächendeckend unbrauchbar gemacht wird.

Auch der Deutsche Sparkassen- und Giroverband äußerte in einem im Juli veröffentlichten „Fokuspapier“ Bedenken: „Standardisierte Schutztechnik würde dem organisierten Verbrechen standardisierte Sprengattacken ermöglichen und Raubzüge erleichtern. Die hohen Investitionen in die neue Technik würden sich nicht auszahlen“, schrieb der Verband. Die Deutsche Kreditwirtschaft, die alle Banken- und Sparkassenverbände gemeinschaftlich vertritt, äußerte ähnliche Bedenken gegenüber REPORT MAINZ. Auf Nachfrage kündigte der Deutsche Sparkassen- und Giroverband dennoch an, dass bis Ende des Jahres „bereits über 40 Prozent der Geldautomaten von Sparkassen mit Einfärbetechnik ausgestattet sein“ werden.

Oliver Huth, Ermittler und Polizeigewerkschafter beim Bund Deutscher Kriminalbeamter Nordrhein-Westfalen kritisiert die Banken scharf für den aus seiner Sicht mangelnden Umsetzungswillen. Er betont: „Wir müssen immer auf das Goodwill der Banken hoffen, dass sie Farbpatronen einsetzen und technische Präventionsmaßnahmen ergreifen.“ Dies verursache Kosten, und die Banken scheuten dieses Kostenrisiko. Er sieht es als zwingend notwendig an, gesetzliche Regelungen zu erlassen, da das Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung seiner Meinung nach viel zu hoch sei.