Corona-Urintest wird doch nicht in Deutschland vertrieben

Nach einer SWR-Recherche hat das Pharmaunternehmen Pharmact GmbH aus Mannheim entschieden, den "Foaming Test" des türkischen Herstellers Pharmnona "aufgrund der lückenhaften Datenlage nicht mehr zu vertreten".

Die Mannheimer Pharmact GmbH will den zuvor von ihr angekündigten Corona-Urinschnelltest nicht mehr vertreiben. Nach Angaben des türkischen Herstellers soll der Test mit großer Sicherheit SARS-CoV-2-Infektionen nachweisen und wurde in der Türkei "nach bestandener Zulassung genehmigt". Der Foaming-Test benötigt zur Detektion von SARS-CoV-2 kein Nasen- oder Rachensekret, sondern Urin.

Die Pharmact GmbH aus Mannheim, die den Test in Deutschland vertreiben wollte, hatte mit Presseterminen dafür geworben. Der Urintest habe eine "Verlässlichkeit von 92 Prozent" und sei "im Einsatz bei medizinischem Personal", so ein Unternehmenssprecher im Interview mit dem SWR. Eine Zulassung als Selbsttest sei beantragt, heißt es weiter. Eine vorläufige Studie der Uni Rostock bestätige die Angaben des Herstellers aus der Türkei.

Um ein Ergebnis zu zeigen, brauche der Test gerade einmal 15 Sekunden. Zehn Milliliter Urin werden dafür in einer Phiole mit einem Substrat gemischt, das den Urin aufschäumen lässt. Für eine Diagnose sei die Höhe des Schaums entscheidend. Je höher der Urin aufschäume, desto wahrscheinlicher sei die Infektion.

Wissenschaftler haben Zweifel

Im SWR-Interview bewertet Prof. Dr. Zeier, Leiter des Nierenzentrums des Universitätsklinikums Heidelberg, die vom Vertriebspartner vorgelegten Dokumente. Viele Erkrankungen könnten ihm zufolge zu schaumigem Urin führen und weiter: "Diese Sekundärdiagnose über die Niere sagt wenig aus und ist sogar gefährlich", so der Nierenexperte. Auch Prof. Dr. Joachim Beige von der Universität Leipzig zeigen wir die Unterlagen. Im SWR-Interview äußert er sich skeptisch: "Je schlimmer Covid, desto mehr schäumt der Urin, weil die Niere beteiligt ist. Dass man aber sagt, damit könne man eine Covid-Diagnose machen, ohne dass man sonstige Gründe für schaumigen Urin untersucht hat, das ist abenteuerlich".

Biologische Proben aus dem Abfall

Die den Vertrieb in Deutschland planende Pharmact GmbH hatte versucht, die Seriosität des Tests mit einer vorläufigen klinischen Studie von der Universität Rostock wissenschaftlich zu erhärten. Der Autor, Prof. Dr. Dr. Kai-Olaf Henkel, arbeitet als Kieferchirurg am Bundeswehrkrankenhaus in Hamburg. Für seine Studie habe er nach eigenen Angaben 40 Urinproben von Patienten untersucht. Die Urinproben habe er sich aus dem Abfall genommen, das bestätigt er dem SWR in einem Interview. Eine Einverständniserklärung der Patienten liege ihm nicht vor. Dr. Martin Zeier, Leiter des Nierenzentrums des Universitätsklinikums Heidelberg, hält die vom Vertriebspartner vorgelegten Dokumente für wenig aussagekräftig. Auch "bei 200 untersuchten Personen, glaube ich, ist das einfach nicht valide. Da könnte man auch 70 oder 100 hinschreiben, das ist völlig egal; halte ich nicht für seriös".

Vertriebsunternehmen reagiert auf SWR-Recherchen

Damit konfrontiert teilt die Pharmact GmbH aus Mannheim schriftlich mit: "Nach einer internen Revision hat sich die Pharmact GmbH inzwischen dazu entschieden, den Foaming Test des Herstellers Pharmnona aufgrund der lückenhaften Datenlage nicht mehr zu vertreten".

Der türkische Hersteller teilt dem SWR mit, dass der Test in der Türkei eine Zulassung habe und sie deshalb "die Universitäten", die diesen Vorwurf erheben, "nicht ernst" nehmen. Der Hersteller verweist auf die uns bereits vorliegende Studienlage und erklärt, dass die Pharmact GmbH aus Mannheim kein direkter Vertragspartner von ihm sei.

Stand: 10.5.2021, 18.35 Uhr