"Wir wollten einen Charakter verstehen und erzählen."

Ein Interview mit dem Autor Werner Biermann und dem Regisseur Stefan Schneider

Konrad Adenauer
Joachim Bißmeier spielt Konrad Adenauer. | Bild: SWR / Gruppe 5

Herr Biermann, Sie sind 1945 geboren, da war Konrad Adenauer 69 Jahre alt. Wie und wann ist Ihnen Adenauer erstmals in Ihrem Leben "begegnet"?

Werner Biermann: Er war von Anfang an dabei, ungefähr wie Jesus. Oder wie die Sonne. Man hörte den Namen überall, vor allem im Radio. Ich glaubte als Kind, das Wort Bundeskanzler wäre so was wie der Vorname dieses Mannes: Bundeskanzler Adenauer, irgendwie untrennbar. Als ich anfing, zeitgenössische Autoren zu lesen und auch jeden Montag dieses berühmte kritische Magazin aus Hamburg, da lernte ich, wie gefährlich Adenauer war. Fast so gefährlich wie Strauß, der das Böse schlechthin war. Von heute gesehen ist es ein Beispiel meiner jugendlichen Verführbarkeit, das mich ein bisschen erschreckt. Aber wie hätte ich als Siebzehnjähriger wissen können, dass es auch Kampagnen-Journalismus gab?

Herr Schneider, Adenauer gilt vielen als einer der größten Deutschen. Bis heute gibt es zwar einige Biografien, aber nicht einen langen Film über sein Leben. Woran kann das liegen?

Stefan Schneider: Diese Frage haben wir uns immer wieder gestellt und keine Antwort darauf gefunden. Es ist uns ein Rätsel geblieben, zumal Adenauer vor einigen Jahren bei einer Zuschauerabstimmung im ZDF zum "Größten Deutschen" gewählt wurde.

Warum Dokudrama? Was macht für Sie den Reiz dieser Form aus?

Stefan Schneider: Dass der Film als Dokudrama erzählt werden soll, war von Anfang an gesetzt. Und das aus gutem Grund. Wir haben hier auf der einen Seite die Interviews mit den Kindern und anderen Zeitzeugen, die uns sehr persönliche Einblicke in das Leben Konrad Adenauers geben und teilweise sehr emotionales Archivmaterial, wie zum Beispiel die Bilder von der Rückkehr der Kriegsgefangenen aus Russland, und humorvolles, wenn Adenauer der "Wochenschau" die Vorzüge des Boccia-Spiels erläutert. Auf der anderen Seite haben wir die Mittel des Spielfilms, mit dem wir Situationen erzählen können, für die es keine Bilder gibt. Wenn all diese Elemente zu einem neuen Ganzen verschmelzen, dann geschieht etwas, das weder die reine Dokumentation noch das Fernsehspiel erreichen können.

Werner Biermann: Ein weiterer Vorzug ist, dass man der Geschichte die Emotionalität zurückgeben kann, die sie in der Wirklichkeit tatsächlich hatte. Die Figuren verlieren die Eindimensionalität der Wochenschau-Bilder, sie werden komplex. Und dadurch reagiert das Publikum auch anders, lässt sich spontan und emotional ergreifen.

Joachim Bißmeier und Stefan Schneider
Joachim Bißmeier als Konrad Adenauer und Regisseur Stefan Schneider. | Bild: SWR / Christel Fomm

Wie lange haben Sie an dem Drehbuch gearbeitet?

Werner Biermann: Christian Feyerabend, der Producer, und ich haben insgesamt circa drei Jahre an dem Stoff gearbeitet, von der ersten Idee bis zum Schreiben des Kommentars. Meine Rolle als Drehbuchautor, wie ich sie sehe, ähnelt bei einem solchen Stoff dem des Historikers: Zuerst liest man einen Haufen Bücher und Aufsätze, geht in Archive, wälzt Akten. Dann redet man möglichst mit jedem, der damals dabei war, schließlich auch mit den Experten und den Biografen. Und man guckt viele Stunden Filmmaterial. Das alles ist aber trotzdem nichts Besonderes, sondern nur eine Voraussetzung, über die man verfügen muss. Die Tatsache, dass man selbst so etwas wie ein Spezialist wird, schenkt einem noch lange kein Drehbuch, sonst könnte man ja gleich die Historiker darum bitten. Verkürzt gesagt: Man muss in diesem Material eine Geschichte suchen, eine Story mit Anfang, Höhepunkt, Ende etc. Und die folgt dann nicht nur den historischen Fakten, sondern sehr subtilen narrativen und dramaturgischen Gesetzen. In diesem Fall war es übrigens wichtig, dass wir die Interviews bereits frühzeitig gedreht hatten, ehe noch das Drehbuch endgültig fertig war. Das gab uns die Chance, die O-Töne viel wirkungsvoller einzusetzen und mit ihnen die Szenen noch weiter aufzuladen. Die Szenen und die O-Töne verschmelzen, sie machen sich gegenseitig stark.

Stefan Schneider: Wir wollten möglichst an Originalschauplätzen drehen. Im Adenauerhaus in Rhöndorf wurden uns erfreut Türe und Tore geöffnet. Im Palais Schaumburg hingegen ist ein szenischer Dreh grundsätzlich nicht erlaubt, weil es der Bonner Amtssitz der Bundeskanzlerin ist. Frau Merkel hat uns aber dankenswerterweise für Adenauer eine Ausnahme gestattet. Die größte Herausforderung liegt jedoch in der Verantwortung dem Thema und der Figur selbst gegenüber. Denn der Film wird vermutlich für einige Jahre unser Bild von Adenauer bestimmen. Und wir wollten und mussten dem "Denkmal" und dem "Feindbild" ein neues Bild entgegensetzen.

Eine so ereignisreiche Biografie wie die Adenauers in 90 Minuten zu erzählen, erfordert Mut zur Lücke: Worauf haben Sie sich konzentriert?

Werner Biermann: Ich wollte weder eine große, zusammenhängende Film-Biografie schreiben noch eine kritische Bilanz seines politischen Wirkens. Wir wollten einen Charakter verstehen und erzählen, eine Persönlichkeit. Natürlich ist das nicht abzutrennen von der Zeit und von ihrer Politik. Es gibt da eine spannende Nahtstelle, wo Charakter und politisches Handeln zusammenkommen. Sie bedingen sich. Zum Beispiel die Fähigkeit, dem eigenen Instinkt zu vertrauen, etwa 1955 in Moskau, wo Adenauer sich über alle Berater hinwegsetzte, Gott sei Dank, und die deutschen Kriegsgefangenen zurückholte. Dieselbe Eigenschaft äußert sich natürlich in sehr hohem Alter als Starrsinn. Allerdings gab es bei diesem hochkomplexen Charakter kaum noch eine Weiterentwicklung: Er kam ja tief aus dem 19. Jahrhundert und war bereits 73, als er Kanzler wurde. Da war er als Persönlichkeit schon völlig gefestigt. Das gibt dem Alten etwas Festgelegtes, Granitenes, aber eben auch Sicheres, Verlässliches.

Kindheit, Studium und frühe Karriere Adenauers bleiben völlig ausgeblendet. Die Erzählung setzt erst kurz vor Hitlers Machtergreifung ein. Dabei sind doch die Prägung des 1876 Geborenen durch die wilhelminische Ära vor 1918, den preußischen Zeitgeist und seine Herkunft aus dem rheinländisch-katholischen Kleinbürgertum sicher auch sehr wichtig, um seine Weltsicht und Wertmaßstäbe zu erklären. Warum haben Sie dennoch darauf verzichtet?

Werner Biermann: Wir setzen spät ein, und trotzdem erzählen wir von da an noch einen Zeitraum von 34 Jahren, bis zu seinem Tod. Der Grund liegt einmal in der Länge dieses Lebens und der Fülle des Stoffes. Das ließe sich in 90 Minuten kaum bewältigen – vielleicht überhaupt nur in einem Mehrteiler. Ich habe eine Zeit lang im Drehbuch mit Rückblenden experimentiert, Kindheit, Studium, frühe politische Ereignisse etc. Aber das hätte bedeutet, die Rolle Adenauers mit drei oder vier Darstellern zu besetzen. Und es hätte der Geschichte ihre Geschlossenheit genommen, wahrscheinlich auch ihre Glaubwürdigkeit. Ich hoffe aber, dass die Vorgeschichte Adenauers dann doch in seiner Persönlichkeit, wie der Film sie zeigt, spürbar wird. Auch die Prägungen und Wertmaßstäbe. Der Film beginnt mit einem ratlosen Adenauer. Ein Kanzler, der ob des beginnenden Mauerbaus nicht weiß, was er tun soll. Warum haben Sie gerade diese Situation als Einstieg und Angelpunkt für Ihren Film gewählt?

Stefan Schneider: Wir wollten nicht den Politiker und Staatsmann Adenauer in den Mittelpunkt stellen, sondern den Menschen. Und diesen Menschen lernen wir in einem Augenblick größter Krise kennen. Gleichzeitig ist es der Moment, in dem das Ende einer unglaublichen Karriere eingeleitet wird. Seine späte Reaktion auf den Bau der Berliner Mauer hat die Menschen irritiert und vermutlich dazu geführt, dass die CDU bei der anschließenden Wahl die absolute Mehrheit verlor. Adenauer wurde zwar noch einmal gewählt, aber er war nur noch Kanzler auf Zeit. Die Anfangsszene ist ein Cliffhanger, von dem aus wir nach 1933 zurückspringen, als Adenauer nach 16 Jahren als Kölner Oberbürgermeister von den Nazis aus dem Amt und aus der Stadt gejagt wird. Hier ist der eigentliche Beginn unserer Geschichte und von hier aus zeigen wir dramatische Stationen seines Lebens. Wenn wir dann zu diesem Sonntag im August 1961 gelangen, an dem in Berlin die Mauer gebaut wird, sehen wir Adenauers Reaktion schon in einem ganz anderen Licht als am Anfang des Filmes.

Konrad Adenauer und Franz Josef Strauß
Konrad Adenauer und Franz Josef Strauß im Park des Palais Schaumburg. | Bild: SWR / Christel Fromm

Nach welchen Kriterien wurden die Darsteller ausgewählt?

Stefan Schneider: Natürlich haben wir bei allen Rollen und vor allem bei der Figur des Konrad Adenauer nach einer gewissen Ähnlichkeit gesucht. Wir waren uns aber mit den Redaktionen einig, dass es nicht darum geht, eine Art Doppelgänger zu präsentieren. Es war klar, dass die Darstellung nur eine Annährung sein kann. Von allen Darstellern, die wir für die Rolle Adenauer gesehen haben, ist Joachim Bißmeier mit Sicherheit nicht der, der Konrad Adenauer am ähnlichsten sieht. Er hat uns vielmehr mit seinem Spiel überzeugt und mit der Art und Weise, wie er sich mit großer Einfühlsamkeit der Figur genähert und seine Interpretation des Konrad Adenauer geschaffen hat. Wir haben übrigens auch bewusst darauf verzichtet, den Alterungsprozess durch großen Aufwand bei der Maske darzustellen. Durch seine Haltung und sein feines Spiel hat Joachim Bißmeier jedem Alter den richtigen Ausdruck gegeben. Bei Carolina Vera, die Gussie Adenauer verkörpert, gibt es tatsächlich sehr große Ähnlichkeit mit manchen Fotos der echten Gussie, aber auch hier war es ihr sensibles Spiel, das den Ausschlag gegeben hat.

An Adenauer schieden sich seit je die Geister. Die einen verehrten den "Realisten als Visionär", den Wertkonservativen mit klarem Kompass; die anderen, allen voran Heinrich Böll, empörte die "kölsch-katholisch-linksrheinische Chuzpe", mit der Adenauer "die unpopuläre Wiedervereinigung gegen die große Freiheit für die Großindustrie" ingehandelt habe. Wie werden diese unterschiedlichen Perspektiven auf Adenauer im Film dargestellt?

Werner Biermann: Sie werden gar nicht dargestellt. Wir zeigen nicht die verschiedenen Rezeptionsmuster und wiederholen auch kaum den innenpolitischen Disput, so weit er nur tagesaktuell war und nicht für heute noch wichtig ist. Das ist Asche von vorgestern. Aber der grundlegende Widerstand gegen Adenauer wird in unserem Film durch die Figur Rudolf Augsteins personifiziert, der ja sein schärfster publizistischer Gegner war. Bei Heinrich Böll weiß ich nicht, was ihn zu seinem wutschnaubenden Rundumschlag angesichts der Adenauer-Memoiren verführt hat. Da sind die Historiker und die Adenauer-Biografen, egal wie kritisch gegenüber Adenauer sie sein mögen, alle ähnlich erschrocken wie ich. Bei Augstein ist das intellektuelle Niveau höher, aber er wollte mit seinem "Spiegel" als "Sturmgeschütz der Demokratie" natürlich nicht nur die Wahrheit ans Licht bringen, sondern selbst auch direkt in die Politik eingreifen. Und deshalb war gerade Augstein im Umgang mit der Wahrheit "nicht pingelig", wie Adenauer das auszudrücken pflegte. Manche Vorstellungen, die seit damals als gesicherte Kenntnisse gelten, sind schlicht falsch. Etwa, dass man mit Stalin reden und vielleicht die Wiedervereinigung hätte erlangen können. Und dass dies an Adenauer gescheitert sei. Die geöffneten Moskauer Archive widerlegen das gründlich. Es war, wie es der sture Alte damals sofort behauptete, reine Propaganda, ein Störfeuer Stalins. Nebenbei: Es spricht sehr für Augstein, dass er die Begabung und Kraft hatte, sich selbst zu widerlegen, etwa wenn er kurz vor seinem Tod sagt, Adenauer sei der größte Politiker, dem er je begegnet sei. Und das nach einem langen und brutalen Kampf – Hut ab.

Adenauer war ein Mann mit vielen Gesichtern. Seine Frau Gussie urteilt kurz vor ihrem Tod über ihn, er liebe die Menschen nicht. Er selbst aber sagt von sich in der letzten Szene des Films, er habe alles dafür getan, dass das deutsche Volk wieder gesunde. Also doch aus menschenliebender Sorge um sein Volk? Welches Bild von Adenauer als Menschen wollen Sie in Ihrem Film zeichnen?

Stefan Schneider: Wir wollen ihn weder verherrlichen, noch verurteilen. Die Zuschauer sollen sich selbst ein Bild machen können. Im Film zeigen wir Adenauer als Menschen, der viele Facetten hat – als liebenden Ehemann und Vater, als raffinierten Strippenzieher, der es schafft, quasi über Nacht zum ersten Kanzler der jungen Republik gewählt zu werden, aber auch als rücksichtslosen Machtpolitiker, der mitunter äußerst brutal seine Interessen vertritt. Genau darauf bezieht sich Gussie, wenn sie ihm vorwirft, die Menschen nicht zu lieben. Sie spürt, wie er sich verändert hat, durch die Nazizeit und den zweiten Rauswurf aus dem Bürgermeisteramt durch die Briten.

Nach der langen Beschäftigung mit Adenauer – hat sich Ihr Bild über den ersten Kanzler der BRD gewandelt und wie stehen Sie heute zu Adenauer? Haben Sie einen klareren Blick auf Adenauer?

Werner Biermann: Mein Adenauer-Bild hat sich sehr gewandelt, denn ich hatte ihn seit meiner Jugend sehr kritisch gesehen – kritisch auf die einfachste Weise. Man fühlte sich eben mit Böll, Augstein & Co. immer auf der besseren Seite. Wenn man aber ein solches Drehbuch schreibt über eine Figur, die man selbst noch erlebt hat, muss man bereit sein, die eigenen "Gewissheiten" zu revidieren. Sonst perpetuiert man nur die alten Klischees oder sagt schlimmstenfalls sogar die Unwahrheit. Einige meiner Freunde halten mich schon für einen Verräter an unseren schönen, kritischen Überzeugungen von damals, aber was soll ich machen? Ich sehe Adenauer ja immer noch kritisch, aber jetzt auf andere Weise. Und ich bin von Adenauer tatsächlich auch beeindruckt. Wie konnte es beispielsweise kommen, dass ausgerechnet dieser Mann, der aus dem tiefsten Wilhelminismus stammt, den modernsten Staat entwickelt und geprägt hat, den es je in Deutschland gab? Sehr spannend.

Mit einem Satz Adenauers, den man von ihm nicht unbedingt erwartet hätte, endet der Film. Adenauer sagt da im Gespräch zu Augstein, er habe "das deutsche Volk wieder zu den geistigen Höhen führen wollen". Wie sind diese letzten Worte Adenauers in ihren Augen zu bewerten?

Stefan Schneider: Während meiner Vorbereitung habe ich gemerkt, wie viele, teils falsche, Klischeebilder ich über Konrad Adenauer in mir trug. Und in Gesprächen habe ich festgestellt, dass es sehr vielen Menschen so geht. Adenauer hat immer polarisiert. Manche glaubten gar zu wissen, dass er ein Nazi, oder zumindest ein "Hell-Brauner" gewesen sei. Aber auch einer seiner größten Widersacher, Rudolf Augstein, der ihn lange Zeit massiv bekämpft hat, sagte später, Adenauer sei der größte Politiker gewesen, der ihm je begegnet ist. Er hat damit einem Mann Respekt gezollt, der immer Rückgrat gezeigt hat und seinen Überzeugungen treu geblieben ist. Er hatte seit dem Kriegsende immer große Angst vor einer russischen Invasion gehabt. Noch kurz vor seinem Tod hat der damals 91-Jährige in einer vielbeachteten Rede in Madrid die USA davor gewarnt, ihr militärisches Engagement in Westeuropa und vor allem in Deutschland zu vernachlässigen. Gleichzeitig hat er bis zuletzt für eine Aussöhnung mit dem Erbfeind Frankreich gekämpft. Kurz vor Ablauf seiner letzten Kanzlerschaft hat er schließlich gegen den Widerstand von Amerikanern und Briten und auch gegen den Willen vieler Parteifreunde den Deutsch-Französischen Freundschaftsvertrag mit de Gaulle unterschrieben. Für mich formuliert er mit diesen letzten Worten sein Ideal und das Motiv, das ihn bis ins hohe Alter hinein angetrieben hat: Nach der Barbarei die Deutschen wieder zu Freiheit und Demokratie zu führen, dieses Volk wieder zu einem Mitglied der zivilisierten Welt zu machen. Was kann uns die politische Biografie Adenauers in Zeiten einer komplexen globalisierten Welt noch sagen? Bietet Adenauer in Stil, Politikverständnis und Weltsicht noch Anknüpfungspunkte für uns heute?

Werner Biermann: Natürlich hat sich die Welt seit Adenauers Tod vollkommen verändert und fordert deshalb heutige Politiker ganz anders heraus. Aber manche Sachen bleiben vielleicht trotzdem gültig. Zum Beispiel hatte Adenauer eine große Begabung, hochkomplexe Sachverhalte nachvollziehbar darzustellen, etwa sein berühmtes "Sklaverei oder Freiheit". Einfache Prinzipien, klare Ziele. Die Kritiker haben das damals als böse Simplifizierung und schlimmste Spracharmut betrachtet, aber die normalen Leute verstanden genau, was er meinte. Mir gefällt übrigens auch die große innere Unabhängigkeit Adenauers, wenn er etwas durchsetzen wollte, was er für richtig und nötig hielt. Er hatte nicht den Ehrgeiz, von allen geliebt zu werden. Man spürte jederzeit seine Grundsätze, manchmal bis zur Halsstarrigkeit. Er hätte über die heutigen permanenten Beliebtheits-Rankings nur gelacht. Aber vielleicht steht er gerade deshalb bei jeder Befragung immer auf Platz eins.