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Der Ripper von Magdeburg

Bei der Suche nach Blut- und Mikrospuren
Der Sachverständige für Gerichtsbiologie bei der Suche nach Blutspuren | Bild: WDR/Volksstimme Magdeburg

Es ist die Geschichte eines Mannes, der vier Menschen getötet haben soll. Der die meiste Zeit seines Lebens hinter Gittern verbracht hat. Den die DDR zum Tode verurteilte und die wiedervereinigte Bundesrepublik wieder frei ließ.

Die Geschichte beginnt in der Haftanstalt in Magdeburg 1972. Hier sitzt der Mann ein, nennen wir ihn Jürgen S*, weil er seinen Stiefvater im Zorn mit dem Messer attackierte. Überraschend kommt er frei – die DDR hat anlässlich ihres 23. Jahrestages eine Amnestie erlassen. Er hatte viel Pech im Leben, war ein im Sozialismus ungeliebtes Kind, herumgeschubst, von der Mutter in Heime abgeschoben, als Jugendlicher im Jugendwerkhof zurechtgeschliffen. Dort hat er gelernt, dass man fertig gemacht wird, wenn man Schwäche zeigt.

Jetzt will er einen Neuanfang versuchen. Er bekommt eine Wohnung, zieht mit Ilona Jahn zusammen: Seiner ersten Liebe, sie hat auf ihn gewartet, als er in Haft war. Er findet eine Arbeitsstelle und die Brigade wird verpflichtet, auf ihn aufzupassen, damit er nicht wieder aus dem Ruder läuft.

Drei Monate später wird er verhaftet, verdächtigt des Mordes an einem Mann und zwei jungen Frauen, eine davon seine Freundin, die 17 Jahre alte Ilona. 200-mal soll er mit seinem Messer zugestochen haben, einen derart blutigen Tatort haben die Kriminalpolizisten noch nie gesehen. Was war geschehen?

Jürgen Hatte getrunken, war an Einbrüchen beteiligt, klaute. Ilona, der erste Mensch, der je zu ihm gehalten hatte, war ausgezogen. Er traf sie noch hin und wieder in der Dachwohnung, in der sie jetzt mit einer Freundin lebte. So auch am 23. Februar 1973, als sie zusammen feierten. Doch dann kam Frank Lieprecht dazu, Jürgen war eifersüchtig auf ihn. Die Männer verließen gemeinsam die Wohnung, doch Jürgen glaubte, Frank würde umdrehen, und wieder hinauf gehen. Da holte er ein Messer aus seiner Wohnung, fuhr, getrieben von seinem Zorn, zurück zu Ilonas Dachwohnung. Als Frank ihm nackt die Tür öffnete, drehte er durch …

20 Jahre ist er alt, als er wegen dreifachen Mordes zum Tode verurteilt wird. Doch weil die Uno kurze Zeit später wissen will, wie es in der DDR mit Folter oder Todesstrafe steht, muss sich das Politbüro mit seinem Fall beschäftigen und wandelt sein Urteil schließlich in lebenslänglich um. Vergeblich bittet er Jahr für Jahr um Begnadigung. 1991 kommt er – dank der deutschen Einheit – überraschend frei. Denn nach bundesdeutschem Recht hätte er, weil er zur Tatzeit minderjährig war, nie zu Lebenslang verurteilt werden dürfen.

Er fasst nicht Fuß in seinem neuen Leben als Bundesbürger. In Brandenburg weiß niemand, wer er ist. Er ist einsam, findet Arbeit im Rotlichtmilieu, sucht Kontakt zu sehr jungen Mädchen. So lernt er auch Melanie kennen, eine 16-jährige Gymnasiastin. Und als die eines Tages verschwunden ist, taucht die Polizei bei Jürgen S. auf. Er wird verhört, Leute haben ihn mit Melanie gesehen, er leugnet.

Melanies Mutter engagiert in ihrer Not einen Privatdetektiv, und der setzt ihm solange zu, bis Jürgen S. endlich gesteht: Ja, er habe Melanie getötet. Er habe mit ihr schlafen wollen und sie habe ihn ausgelacht. Da habe er sie gewürgt und mit einer Flasche erschlagen. Ihre Leiche habe er auf einem verlassenen Betriebsgelände versteckt.

So steht er 1995 erneut vor Gericht. Dabei erfährt die erstaunte Öffentlichkeit, dass Jürgen S. der "Ripper von Magdeburg" war, von dem alle glaubten, er sei 1973 in der DDR hingerichtet worden. Ein Wiederholungstäter. Die Stimmung beim Prozess ist aufgeladen. Viele tun sich schwer damit, dass er 1991 freigelassen werden musste. 18 Jahre hatte er gesessen, acht zu viel für bundesdeutsches Recht.

Er wird zu 13 Jahren Haft wegen Totschlages verurteilt und verbüßt seine Strafe in verschiedenen Haftanstalten der Bundesrepublik. Seit März 2008 ist Jürgen S. wieder ein freier Mann. Und hofft auf einen Neuanfang.

*Name geändert

Film von Hans-Dieter Rutsch

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