Faktencheck zur Sendung vom 15.06.2025

Faktencheck zur Sendung vom 15.06.2025
Faktencheck zur Sendung vom 15.06.2025 | Bild: NDR/ Thomas Ernst

Bei „Caren Miosga“ finden lebhafte Diskussionen statt, in denen die Gäste oft in schneller Abfolge verschiedenste Argumente, Statistiken und Zitate heranziehen. Es bleibt in einer Live-Talkshow nicht immer die Zeit und Möglichkeit, alle Wortbeiträge und Sachverhalte umfassend und abschließend zu klären. Die Redaktion bietet daher an dieser Stelle einen Faktencheck. Dieser dient nicht allein der Prüfung der Aussagen, sondern soll auch Hintergrundinformationen, aktuelle Entwicklungen und zusätzliche Perspektiven vermitteln.

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Wie fortgeschritten sind die Iraner bei ihrem Atomprogramm?

In der Sendung diskutiert die Runde ab Minute 52:30 nochmals explizit über den Stand des iranischen Atomprogramms. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie fortgeschritten der Iran bei der Anreicherung des Urans tatsächlich ist und wie lange es dauern würde, bis mit dem vorhandenen Material Atomwaffen produzieren werden könnten – sofern dies beabsichtigt ist.

Über welches Material verfügt der Iran laut der Internationalen Atomenergiebehörde?

Der jüngste Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) wird in der aktuellen Debatte immer wieder zitiert und als Beleg für die vom Iran ausgehende nukleare Gefahr angeführt. Veröffentlicht wurde dieser am 31. Mai 2025, ist also nur wenige Wochen alt. Besonders das am höchsten angereicherte Material, das folglich am schnellsten für potenzielle Waffen genutzt werden könnte, steht dabei im Blickpunkt: Laut IAEA sei der Iran mittlerweile in Besitz von 408,6 Kilo Uran in einem Reinheitsgrad von 60 Prozent (Stand: 17.5.25). Das entspricht einem Plus von 133,8 Kilogramm (ca. +49 Prozent) seit Februar. Das sei genug für mindestens neun Atombomben, wenn der Iran den nächsten Schritt zu einer waffenfähigen Anreicherung von 90 Prozent unternehmen würde. Hinzu kämen jeweils 274,5 Kilo von 20 Prozent (-332,3 Kilo seit Februar), 5508,8 Kilo von 5 Prozent (+1853,4 Kilo) und 2221,4 Kilo von 2 Prozent angereichertem Uran (-705,6 Kilo).

Vor allem aufgrund der verstärkten Produktion des auf 60 Prozent angereicherten Materials zeigte sich die IAEA „ernsthaft besorgt“. Die Zusammenarbeit mit dem Iran sei bei der Überprüfung des Atomprogramms zudem „nicht zufriedenstellend“. Der Iran habe an drei von der IAEA beobachteten Standpunkten geheime nukleare Aktivitäten durchgeführt und dabei Materialien genutzt, die er der Behörde nicht gemeldet habe.

Während Israel seinen Angriff auf den Iran vor allem mit der nuklearen Bedrohungslage begründet, bestreitet der Iran die Absicht, Atomwaffen produzieren zu wollen. Demnach sei das Atomprogramm lediglich für die Energieproduktion angedacht.

(Quellen: Bericht der Internationalen Atombehörde (IAEA), Zeit)

Weitere Hintergrund-Informationen zum Thema:

https://www.iaea.org

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Ab welchem Anreicherungsgrad gilt Uran als waffenfähig und warum ist der Schritt von 60 zu 90 Prozent weniger schwierig als von 5 auf 15 Prozent?

Uran ist ein radioaktiver Rohstoff, der sowohl in der Erdkruste als auch in den Ozeanen in riesigen Mengen vorkommt. Er besteht aus verschiedenen Isotopen, von denen aber nur eines spaltfähig ist: das sogenannte Uran-235. Als waffenfähig gilt Uran, wenn der Anteil dieses Isotops bei etwa 80 bis 90 Prozent liegt (Stiftung Wissenschaft und Politik, 12. Mai 2025). In natürlichem Uran liegt der Gehalt von U235 bei lediglich 0,7 Prozent. Für zivile Zwecke, etwa in Kernkraftwerken, wird Uran nur auf etwa 3 bis 5 Prozent angereichert.

Auf Nachfrage unserer Redaktion erklärt der Leiter des Instituts für Radioökologie und Strahlenschutz der Leibniz Universität Hannover, Clemens Walther, dass die Anreicherung von Uran stufenweise durch Gaszentrifugen erfolgt, wobei in jeder Stufe der Anteil von Uran-235 erhöht wird. Der Aufwand, um von Natururan auf niedrig angereichertes Uran zu kommen, ist demnach rechnerisch und energetisch am höchsten. Das liegt laut Walther daran, dass zu Beginn der Anreicherung der größte Anteil des unerwünschten Isotops Uran-238 entfernt werden muss, während der Anteil von Uran-235 noch sehr gering ist. Je höher der Anreicherungsgrad bereits ist, desto weniger Uran-238 muss noch entfernt werden und desto weniger Material muss insgesamt verarbeitet werden. Folglich ist der Schritt von beispielsweise 60 auf 90 Prozent technisch deutlich weniger aufwendig als die ersten Schritte von 0,7 auf 5 oder von 5 auf 15 Prozent. Die ersten Prozent sind die langsamsten, mit steigendem Anreicherungsgrad wird der Prozess deutlich schneller und effizienter.

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Wie weit ist der Iran bei der Produktion von Trägersystemen wie Sprengköpfen und Raketen?

Zur Herstellung einer Atombombe wird nicht nur hochangereichertes Uran benötigt, sondern auch passende Waffensysteme, konkret: funktionierende Sprengköpfe und entsprechende Raketen. Der Politikwissenschaftler und Militärexperte Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr in München erklärt auf Nachfrage, dass es keine Hinweise auf atomare Sprengköpfe im Iran gibt. Es gehe um die Frage, über wieviel angereichertes Uran der Iran schon verfügt, um innerhalb weniger Monate Sprengköpfe herstellen zu können. Man wisse jedoch nicht, ob eine Entscheidung zum Bau politisch bereits gefallen sei.

Das Land verfüge aber über ein umfangreiches Raketenprogramm und habe in den vergangenen Jahren sowohl die Reichweite als auch die Präzision seiner ballistischen Raketen deutlich gesteigert. So hat die iranische Rakete Shahab-3 eine Reichweite von bis zu 2000 Kilometern. Laut Carlo Masala gebe es allerdings keine Hinweise darauf, dass die ballistischen Raketen in der Lage seien, atomare Sprengköpfe zu tragen. Eine Umrüstung könne relativ schnell umgesetzt werden, bisher sei das seinen Informationen nach aber nicht geschehen.

Der Sicherheitsexperte Hans Jakob Schindler weist im Gespräch mit der Deutschen Welle daraufhin, dass es neben der beschleunigten Uran-Anreicherung auf 60 Prozent eine Zunahme von Raketentests gegeben habe. Man könnte, so Schindler, sagen, dass der Iran seine Verhandlungsposition gegenüber den Vereinigten Staaten verbessern wolle, aber man könne es auch so sehen, als bewege sich Teheran sehr schnell Richtung Atombombe

(Deutsche Welle, 15. Juni 2025).

Weitere Hintergrundinformationen zum Thema:

https://www.swp-berlin.org
https://www.tagesschau.de

Stand: 16.06.2025